1. Allgemeines

 

Rz. 138

[Autor/Stand] Wenn die Ermittlungsbehörde (FinB oder StA) den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls bei dem zuständigen AG gestellt hat, muss dieses über den Antrag entscheiden.

Folgende Entscheidungen sind möglich:

Zum Ganzen s. die tabellarische Übersicht in Rz. 25.

 

Rz. 139

[Autor/Stand] Vor einer Entscheidung kann das Gericht indes auch eigene zusätzliche Ermittlungen veranlassen, wenn es den Tatverdacht nicht für hinreichend begründet, aber für nachweisbar erachtet[3]. Es können folgende formlose Anregungen sinnvoll sein:

  • Anregung zu weiteren Ermittlungen[4],
  • Anregung zur Änderung des Strafmaßes oder der rechtlichen Beurteilung,
  • Anregung zur Abgabe an die StA bzw. Übernahme (vgl. § 386 Abs. 4 Satz 2 AO).

Beabsichtigt das Gericht, dem Antrag der Ermittlungsbehörde auf Erlass eines Strafbefehls mit der Rechtsfolge des § 408 Abs. 2 Satz 2 StPO (Freiheitsstrafe) stattzugeben und hat der Angeschuldigte noch keinen Verteidiger, so muss ihm das Gericht einen Verteidiger bestellen (§ 408b StPO).

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.10.2021
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.10.2021
[3] Maur in KK8, § 408 StPO Rz. 4; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt63, § 408 StPO Rz. 7.
[4] Tormöhlen in HHSp., § 400 AO Rz. 62; Burkhard, 1997, S. 107.

2. Erlass des Strafbefehls

 

Rz. 140

[Autor/Stand] Bestehen gegen den Erlass des beantragen Strafbefehls keine Bedenken, hat der Richter den Strafbefehl zu erlassen (§ 408 Abs. 1 Satz 1 StPO). So ist es in der Praxis auch die ganz überwiegende Regel (s. Rz. 8). Von dem gestellten Antrag darf er nicht abweichen. Mit dem Erlass des Strafbefehls, nicht dagegen bereits mit Stellung des Strafbefehlsantrags, tritt zugleich Rechtshängigkeit ein[2] mit der Folge, dass in derselben Sache kein weiterer Strafbefehlsantrag oder sogar Anklage erhoben werden kann.

Einer vorherigen Anhörung des Angeschuldigten bedarf es nicht (§ 407 Abs. 3 StPO)[3], sie ist aber durchaus möglich (s. Rz. 98)[4].

Erwägt der Richter, antragsgemäß eine Freiheitsstrafe zu verhängen, so ist dem noch unverteidigten Angeschuldigten ein Verteidiger zu bestellen (§ 408b StPO, s. Rz. 83).

 

Rz. 141

[Autor/Stand] Vor dem Hintergrund der gesetzlich vorgeschriebenen Möglichkeiten abweichender Entscheidungen (§ 408 Abs. 3 Satz 2 StPO, s. Rz. 138 ff.) ist der Richter an den Strafbefehlsantrag gebunden, d.h. es ist ihm verwehrt, von dem Strafbefehlsantrag inhaltlich in irgendeiner Weise abzuweichen. Der Erlass des Strafbefehls setzt als unverzichtbares Prinzip des Strafbefehlsverfahrens die vollständige Übereinstimmung zwischen Richter und Ermittlungsbehörde sowohl in der rechtlichen Bewertung der Tat als auch hinsichtlich der beantragten Rechtsfolgen voraus[6]. Daraus folgt, dass der FinB (ebenso wie der StA) gegen den Erlass des Strafbefehls kein Rechtsbehelf zusteht. Der Richter ist insoweit nur zur Ergänzung und Korrektur unvollständiger oder (nachträglich) unrichtig (gewordener) Angaben zur Person befugt[7]; im Übrigen steht ihm lediglich die Formulierung frei, soweit er den Antragsvordruck nicht verwenden will oder infolge des inhaltlichen Umfangs nicht verwenden kann.

 

Rz. 141.1

[Autor/Stand] Bei der beabsichtigten Abweichung vom Strafbefehlsantrag – zumeist aufgrund abweichender Vorstellungen über das Strafmaß – ist der Richter allerdings noch nicht unmittelbar zur Anberaumung einer Hauptverhandlung verpflichtet. In diesem Fall sieht das Gesetz, wie sich aus der Formulierung des § 408 Abs. 3 Satz 2 StPO ("und die Staatsanwaltschaft bei ihrem Antrag beharrt") ergibt, sogar ausdrücklich die Möglichkeit – wenn nicht sogar die Pflicht – zu einem vorangehenden Einigungsversuch vor (vgl. Nr. 178 Abs. 1 RiStBV)[9]. Die FinB kann dann u.U. den Antrag zurücknehmen[10].

 

Rz. 142

[Autor/Stand] Weicht der Richter bei Erlass des Strafbefehls – sei es zugunsten oder zuungunsten des Beschuldigten – von dem Antrag der FinB ab, so ist der Strafbefehl nach h.M. gleichwohl wirksam[12]. Zur Rechtskraft s. Rz. 188.

 

Rz. 142.1

[Autor/Stand] Sofern ein Strafbefehlsantrag zwei Taten im prozessualen Sinn umfasst, kann der Amtsrichter, wenn er die Ansicht vertritt, hinsichtlich einer Tat sei hinreichender Tatverdacht gegeben, hinsichtlich der anderen nicht, den Erlass des Strafbefehls wegen der letzteren Tat ablehnen und die weitere Entscheidung bis zur Rechtskraft der (Teil-)Ablehnung des Strafbefehlserlasses zurückstellen.

 

Rz. 143

[Autor/Stand] Die bei Gericht verbleibende Urschrift des Strafbefehls muss entweder die vollständige Unterschrift des entscheidenden Richters, mindestens aber einen diesen Richter ausreichend kennzeichnenden Schriftzug enthalten, wobei sogar ein Faksimilestempel oder ein Handzeichen aus...

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