Rz. 42

[Autor/Stand] Das nicht rechtzeitige oder unvollständige Einbehalten oder Abführen der Steuerabzugsbeträge muss (zumindest bedingt) vorsätzlich oder leichtfertig geschehen. Zum Begriff des Vorsatzes s. § 377 Rz. 52 und allgemein § 370 Rz. 608 ff., zu dem der Leichtfertigkeit s. § 378 Rz. 55 ff.

 

Rz. 43

[Autor/Stand] Der Vorsatz muss sich dabei erstrecken auf die die Steuerabzugspflicht begründenden Umstände (z.B. auf das Bestehen eines Dienstverhältnisses i.S.v. § 1 LStDV oder die Eigenschaft als Täter, z.B. als Leistungsempfänger i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG), die zumindest in ihrer Bedeutung erkannt werden müssen. Vom Vorsatz umfasst sein muss insbesondere sowohl die Pflicht zur Einbehaltung bzw. Abführung der Steuerbeträge selbst als auch die Höhe und der Fälligkeitszeitpunkt der Abzugsbeträge.

 

Rz. 44

[Autor/Stand] Handelt der Täter in Unkenntnis eines Tatbestandsmerkmals der blankettausfüllenden Einzelsteuergesetze, unterliegt er insoweit einem Irrtum (z.B. über die Verpflichtung zur Einbehaltung oder Abführung der Steuern), oder berechnet er irrtümlich die Abzugsbeträge zu niedrig, entfällt der Vorsatz (s. zu Irrtumsfragen § 377 Rz. 53; § 370 Rz. 645 ff.).

 

Beispiel

S. bereits Rz. 37. Ist der Steuerabzugspflichtige der Meinung, die FinB könne keine weiteren Zahlungen verlangen, weil er an bestehende Guthaben aus anderen Steuerarten glaubt, ändert dies mangels Aufrechnungslage nichts am Verstoß gegen die Abführungspflicht, doch irrt er über das Tatbestandsmerkmal der Zahlungspflicht und handelt somit ohne Vorsatz.

Irrt der Täter über seine Arbeitgebereigenschaft, handelt es sich nach Rechtsprechungsänderung des BGH in 2019 im Zusammenhang mit § 266a StGB[4] um einen vorsatzausschließenden Tatumstandsirrtum. Diese Rechtsprechung ist auch auf Fälle des § 380 AO anzuwenden.[5]

Beruht der Irrtum auf Leichtfertigkeit, kann der Täter wegen leichtfertiger Gefährdung von Abzugssteuern mit Geldbuße belegt werden (§ 377 Abs. 2 AO, § 11 Abs. 1 OWiG).

 

Beispiel

Hat der Arbeitgeber nicht gewusst, dass seine Finanzmittel nach Auszahlung der Nettolöhne zur Begleichung der Lohnsteuerschuld nicht ausreichen werden, so ist er Täter einer Ordnungswidrigkeit nach § 380 AO, wenn diese Unkenntnis auf Leichtfertigkeit beruht.

 

Rz. 45

[Autor/Stand] Fehlt dem Täter die Einsicht, etwas Unerlaubtes zu tun, schließt das nicht den Vorsatz, sondern bei Unvermeidbarkeit dieses Verbotsirrtums (bzw. Gebotsirrtums) die Vorwerfbarkeit des Handelns aus (§ 377 Abs. 2 AO, § 11 Abs. 2 OWiG). Welche Anforderungen an die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums zu stellen sind, hängt ab von den Umständen des Einzelfalls, namentlich der Persönlichkeit des Täters und seinem Lebens- und Berufskreis[7]. Gerade aufgrund der im Steuerrecht, insbesondere im Lohnsteuerrecht bestehenden Prüfungs- und Erkundigungspflichten (vgl. § 42e EStG; allgemein s. § 378 Rz. 65 ff.) ist ein Irrtum über ein Abzugsgebot regelmäßig vermeidbar. Einer eigenen persönlichen Entscheidung kann sich der Täter auch nicht völlig dadurch entziehen, dass er den Rat einer fachkundigen Stelle (z.B. eines Fachverbandes, Rechtsanwalts oder Steuerberaters) einholt[8], wenn er sich auch i.d.R. darauf verlassen kann[9] (s. Rz. 47 sowie ausführlicher § 378 Rz. 70 ff.).

 

Rz. 46

[Autor/Stand] Leichtfertig handelt, wer die Sorgfalt in besonders grobem Maße außer Acht lässt, zu der er nach den jeweiligen Umständen und seinen persönlichen Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist (s. eingehend § 378 Rz. 56 ff.).

An die Sorgfaltspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerabzugsverfahren ist nach st. Rspr. des BFH ein strenger Maßstab anzulegen[11], da der Arbeitgeber die Lohnsteuer gewissermaßen nur treuhänderisch für den Arbeitnehmer und Steuerfiskus einzieht (s. bereits Rz. 4), so dass diese Beträge für ihn "wirtschaftlich fremde Gelder" sind[12]. Wenngleich dieser strenge Maßstab der finanzgerichtlichen Rspr. nicht ohne weiteres auf das Ordnungswidrigkeitenrecht, das auf die individuelle Vorwerfbarkeit abstellt, übertragbar ist, wird doch ein Arbeitgeber, der sich über seine lohnsteuerrechtlichen Verpflichtungen nicht genügend informiert (z.B. durch eine Anrufungsauskunft nach § 42e EStG; Einholung rechtlichen Rats – zum Irrtum über die Arbeitgeberstellung s. Rz. 44)[13] oder die von ihm mit der Erledigung seiner steuerlichen Angelegenheiten beauftragten Personen nicht sorgfältig überwacht, regelmäßig leichtfertig i.S.d. § 380 AO handeln[14].

 

Rz. 47

[Autor/Stand] Speziell im kaufmännischen Bereich wird ein generalisierender strengerer Sorgfaltsmaßstab an die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen angelegt (z.B. die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns nach § 43 Abs. 1 GmbHG; s. Bsp. in Rz. 15.1)[16]. Gelegentliche Nachfragen beim Prokuristen oder dem beauftragten Steuerberater können den Täter nicht entlasten, wenn der Geschäftsinhaber nicht selbst die Bücher auf die Richtigkeit der Auskünfte hin überprüft hat[17] (s. auch Rz. 19). Ist der Stpfl. selbst nicht ausreichend sachkundig, um die mit seiner wi...

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