Rz. 65

[Autor/Stand] In Fällen, in denen der Stpfl. infolge eines Irrtums (s. § 370 Rz. 645 ff.) oder aus Unwissenheit die bestehende Steuerpflicht nicht kennt, kann ein Vorwurf darin gesehen werden, dass er sich nicht erkundigt hat.

Instruktiv insoweit das Urteil des FG Münster vom 5.9.2007[2]:

"Ist dem Steuerpflichtigen zwar die grundsätzliche Steuerpflicht von Einkünften aus Kapitalvermögen, nicht jedoch seine Verpflichtung bewusst, im Zweifel hinsichtlich der steuerlichen Behandlung der Erträge aus einer ausländischen Kapitalanlage fachkundigen Rat einzuholen, und gibt er deshalb diese ausländischen Kapitalerträge in seiner Einkommensteuererklärung nicht an, so handelt er [...] grob fahrlässig."

Allerdings ist im Einzelfall genau zu prüfen, welchen Gegenstand die Erkundigungspflichten betreffen und wie sie insofern zu begründen sind. Die Darlegungs- und Substantiierungslast liegt insofern bei der Ermittlungsbehörde. Beispielsweise kann eine Differenzierung selbst innerhalb derselben Einkunftsart vorzunehmen sein. Es dürfte mittlerweile zum Allgemeinwissen gehören, dass Kapitaleinkünfte zu versteuern sind. Hinsichtlich ausländischer Kapitaleinkünfte besteht daher eine Erkundigungspflicht[3]. Allerdings ist es i.d.R. nur Fachleuten bekannt, dass für sog. intransparente Fonds besondere Besteuerungsvorschriften bestehen, die im Einzelfall auch zu (weiteren) steuerlichen Einkünften führen können, obwohl der Kapitalanleger wirtschaftlich keine Erträge erhält (vgl. die Regelungen des Investmentsteuergesetzes). Wenn der Gesetzgeber derart in die "Trickkiste" greift, ist dies für den Normalbürger nicht evident, so dass dann grds. keine Erkundigungspflicht besteht[4].

Vgl. ferner das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 5.4.2001[5]:

"Wären bei den Klägern Zweifel über die Steuerbarkeit der Erträge aus den bei der [...] Bank angelegten Geldern vorhanden gewesen, hätten sie leichtfertig gehandelt, wenn sie sich nicht darüber entsprechend erkundigt hätten."

Sowie den BFH[6]:

"Bloße Untätigkeit schließt Leichtfertigkeit nicht ohne Weiteres aus. Vielmehr hat sich der Steuerpflichtige bei rechtlichen Zweifeln über seine steuerlichen Pflichten bei qualifizierten Auskunftspersonen zu erkundigen. Darüber hinaus sind an die Erfüllung der Erkundigungspflichten bei einem Kaufmann jedenfalls bei Rechtsgeschäften, die zu seiner kaufmännischen Tätigkeit gehören, höhere Anforderungen zu stellen als bei anderen Steuerpflichtigen [...] Die Erkundigungspflichten beschränken sich zudem nicht auf die Steuerpflicht einer Tätigkeit, sondern umfassen auch die an die Steuerpflicht anknüpfenden Verfahrenspflichten. Wer die Steuerpflicht seines Verhaltens kennt, ist umso mehr gehalten, sich um die damit verbundenen Erklärungs- und Anzeigepflichten zu kümmern."

Im Falle von Nichtangaben von Spekulationsgewinnen aus Aktiengeschäften sind genaue Feststellungen des entscheidenden Gerichts hinsichtlich der Umstände, die die Kenntniserlangung des Angeklagten von den Gewinnen belegen, sowie zu den zugrunde liegenden Wertpapiergeschäften notwendig[7].

Der Stpfl. kann sich grds. nicht darauf berufen, vom FA nicht über seine steuerlichen Pflichten belehrt worden zu sein[8]. Eine Verpflichtung des FA zu Beratung und Auskunft besteht nur unter den Voraussetzungen des § 89 AO. Vielmehr ist es Aufgabe des Stpfl., sich um seine steuerlichen Pflichten zu kümmern. Dies gilt insb. dann, wenn er einen Vergünstigungstatbestand in Anspruch nehmen will.

Unterlässt der Stpfl. die Erfüllung der erforderlichen Erkundigungspflicht, kann dies (zumindest) leichtfertiges Handeln begründen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass einem Stpfl. grds. dann kein Leichtfertigkeitsvorwurf zu machen ist, wenn er eine qualifizierte Auskunftsperson zu Rate zieht[9]. Der BGH hat mit Urteilen vom 8.9.2011[10] und vom 17.12.2014[11] entschieden, dass einen Stpfl. bei rechtlichen Zweifeln hinsichtlich seiner steuerlichen Pflichten im Rahmen seines Lebenskreises eine Erkundigungspflicht trifft, sich diesbezüglich bei fachkundigen Personen zu informieren, was insb. für die Ausübung eines Gewerbes oder einer freiberuflichen Tätigkeit gilt. So kann auch bei bloßer Untätigkeit Leichtfertigkeit gegeben sein[12]. Die Erkundigungspflicht bezieht sich allerdings nicht nur auf die Steuerpflicht der Tätigkeit, sondern auch auf diesbezügliche Anzeige-und Erklärungspflichten[13]. Hierfür ist z.B. das Vorliegen eines Rechtsgutachtens einer Steuerberatungsgesellschaft ausreichend[14] (sofern es sich nicht um ein Gefälligkeitsgutachten handelt) ebenso wie eine Anfrage bei der Finanzverwaltung[15]. Unschädlich ist dabei, wenn das Gutachten eine sog. Weichmacherklausel beinhaltet[16]. Nicht erforderlich ist die Beobachtung der Rechtsentwicklung bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung; auch dann nicht, wenn dem Gutachten zu entnehmen ist, dass die Rechtslage nicht endgültig geklärt sei. Einem Kaufmann werden jedoch höhere Pflichten auferlegt[17]. Dieser muss sich auch Informationen zu anknüpfenden Verfahrenspfl...

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