Rz. 59

[Autor/Stand] Die Auffassung von Kopacek löst das Problem nicht, sondern verlagert es nur. Die Frage, ob ein leichtfertiges Handeln vorliegt oder nicht, hängt danach davon ab, wieweit im Einzelfall die sog. normalen Sorgfaltspflichten reichen und wo die zusätzlichen beginnen. Dies trägt nicht dazu bei, die Entscheidung im Einzelfall zu erleichtern[2].

Andererseits leuchtet auch nicht ein, weshalb der Begriff "Leichtfertigkeit" in § 378 AO eine andere Bedeutung haben soll als in den einschlägigen Vorschriften des StGB und der strafrechtlichen Nebengesetze. Das Argument, die Tatbestände seien so verschiedenartig, kann nicht überzeugen. Schließlich wird der Begriff "Fahrlässigkeit" auch in den verschiedensten Strafvorschriften verwendet. Gleichwohl wird die Einheitlichkeit des Begriffs nicht infrage gestellt.

Die Ansicht von Kühn lässt sich zumindest insofern fruchtbar machen, dass die Gewissenlosigkeit als ein Indiz für Leichtfertigkeit zu werten sein dürfte. Allerdings handelt es sich um keine notwendige Voraussetzung.

Auch das Argument von Ehlers[3], der Gesetzgeber habe ja die Bezeichnung "grob fahrlässig" in den Tatbestand aufnehmen können, wenn er das gemeint habe, er verlange aber stattdessen Leichtfertigkeit, geht fehl. Der Begriff "grobe Fahrlässigkeit" entstammt dem Zivilrecht und beruht auf dem dort geltenden objektiven Fahrlässigkeitsbegriff. In der Gesetzessprache hat sich, wie die zahlreichen Beispiele im StGB und in Nebengesetzen zeigen, eingebürgert, für den Bereich des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts einen der groben Fahrlässigkeit entsprechenden gesteigerten Grad der Fahrlässigkeit mit "Leichtfertigkeit" zu bezeichnen.

Der h.M. ist daher insoweit zuzustimmen, als der Begriff "Leichtfertigkeit" in § 378 AO dieselbe Bedeutung hat wie auch sonst im Strafrecht und damit ein Grad der Fahrlässigkeit bezeichnet wird, der dem der groben Fahrlässigkeit im Zivilrecht entspricht.

Dadurch wird allerdings zunächst nur der unbestimmte Rechtsbegriff "Leichtfertigkeit" durch den unbestimmten Rechtsbegriff "grobe Fahrlässigkeit" und die hierzu bestehenden Definitionen des Leichtsinns, der Gleichgültigkeit, Achtlosigkeit oder Rücksichtslosigkeit ersetzt. Diese auf dem im Zivilrecht geltenden objektivierten Fahrlässigkeitsmaßstab beruhenden Umschreibungen der groben Fahrlässigkeit können jedoch nicht ohne weiteres auf das vom Schuldprinzip beherrschte Strafrecht übertragen werden. Der gezogene Vergleich kann daher nur eingeschränkt Geltung haben. Er macht eine Definition der Leichtfertigkeit bzw. der groben Fahrlässigkeit für den Bereich des Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrechts nicht überflüssig.

Die Definition der "groben Fahrlässigkeit" muss vielmehr den Anforderungen des im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht geltenden subjektiven Fahrlässigkeitsbegriffs angepasst werden. Hinzukommen muss die individuelle Vorwerfbarkeit.

Vielfach wird deshalb auf eine Umschreibung, die den Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt, gänzlich verzichtet. So führt das BayObLG[4] aus: "Diese [scil. Leichtfertigkeit] ist kein fest umrissener Begriff, für ihre Abgrenzung gegenüber der einfachen Fahrlässigkeit kommt es vielmehr auf die Umstände des Einzelfalles [...] an."

Auch nach BGH[5] ist die Feststellung der Leichtfertigkeit "im Wesentlichen Tatfrage, mit der sich der Tatrichter unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles sowie der Kenntnisse und Erkenntnismöglichkeiten des Täters auseinanderzusetzen hat"[6]. Im Rahmen der Revision kann daher nur noch überprüft werden, "ob der Rechtsbegriff der Leichtfertigkeit und die aus ihm abzuleitenden Sorgfaltspflichten richtig erkannt worden sind und ob die Würdigung der Verhältnisse hinsichtlich des notwendigen individuellen Verschuldens den Denkgesetzen und Erfahrungssätzen entspricht"[7].

Andererseits ist gerade im Steuerordnungswidrigkeitenrecht diese schwierige Abgrenzungsfrage entscheidend dafür, ob ein unter Umständen erhebliches Bußgeld verhängt wird, ob das Verhalten des Täters bußgeldrechtlich unerheblich ist oder ob eine wirksame oder unwirksame bußgeldrechtliche Teilselbstanzeige gem. § 378 Abs. 3 AO vorliegt[8] (s. Rz. 125.1). Wie Joecks[9] zu Recht bemerkt, besteht die Gefahr, dass der Fachmann bei der Abgrenzung zu strenge, der Laie dagegen zu milde Maßstäbe anlegt. Daher besteht, nicht zuletzt auch aufgrund des Gebots der inhaltlichen Bestimmtheit (Art. 103 Abs. 2 GG), das Bedürfnis, den Begriff der "Leichtfertigkeit" näher zu bestimmen.

 

Rz. 60

[Autor/Stand] Die Leichtfertigkeit ist ein gesteigerter Grad der Fahrlässigkeit, d.h. der dem Täter zu machende Schuldvorwurf ist größer als bei der "einfachen" Fahrlässigkeit. Während bei der Vorsatztat die Vorwerfbarkeit in der willentlichen Auflehnung gegen die Rechtsordnung liegt, besteht sie bei der Fahrlässigkeitstat darin, dass der Täter "bei Anwendung pflichtgemäßer und zumutbarer Sorgfalt hätte erkennen können, dass die Tat gegen die Rechtsordnung verstieß"[11], also in der objektiven und subjektiven Ver...

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