Rz. 70

[Autor/Stand] Der Stpfl. ist nicht daran gehindert, die Erledigung seiner steuerlichen Angelegenheiten Dritten (Mitgesellschaftern, Angestellten oder freiberuflich tätigen Angehörigen der steuerberatenden Berufe) zu übertragen (vgl. § 80 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Zuziehung Dritter entbindet ihn jedoch nicht von seiner eigenen Verantwortung. So darf er nur solche Personen mit seinen Steuerangelegenheiten betrauen, die ausreichend sachkundig sind[2] (zum Auswahlverschulden s. Rz. 75 ff., 90).

Auch bei zuverlässig arbeitenden steuerlichen Helfern sind gelegentliche Kontrollen unverzichtbar, bei begründeten Zweifeln an der Zuverlässigkeit besteht eine erhöhte Überwachungs- und Aufsichtspflicht; erhöhte Sorgfaltspflichten gelten auch, wenn bereits bei früheren Betriebsprüfungen Mängel aufgetreten und beanstandet worden sind. In diesem Zusammenhang hatte das FG München in seinem Urteil vom 31.1.2013[3] entschieden, dass ein blindes Unterschreiben der von einem Dritten angefertigten Steuererklärung ohne die vorherige Einholung eines Rechtsrats Leichtfertigkeit darstellen kann. Kritisch hieran ist jedoch, dass dies eine Überforderung für den Stpfl. darstellt[4], so dass dies zutreffenderweise nur auf die Fälle beschränkt werden darf, in denen offensichtlich ein Sachverhaltsteil, wie z.B. eine ganze Einkunftsart, vergessen wurde[5]. Etwas anderes kann gelten, wenn es sich um einen geschäftlich versierten Stpfl. handelt, bei welchem sich bei der Unterzeichnung Zweifel hätten ergeben müssen[6]. Allerdings können sich im Einzelfall auch wiederum Schwierigkeiten aus dem Umstand ergeben, dass aufseiten des Steuerberaters ein Informationsdefizit vorgelegen hat, wobei der Stpfl. u.U. nicht weiß, welche Informationen der Steuerberater alle benötigt. Leichtfertigkeit ist hingegen nach dem Beschluss des BFH vom 28.7.2011[7] und dessen Urteil vom 18.3.2014[8] anzunehmen, wenn der Stpfl. nicht diejenigen Informationen seinem Steuerberater zukommen lässt, welche zur Beantwortung der in den Steuerformularen gestellten Fragen notwendig sind bzw. die einem ELSTER-Formular beigefügten Entscheidungen unberücksichtigt lässt, sofern diese für einen Laien eindeutig, klar und verständlich sind[9]. Nach Ansicht des BFH muss der Stpfl. auch die von seinem steuerlichen Berater vorbereitete Erklärung daraufhin überprüfen, ob sie alle Angaben tatsächlicher Art enthält[10]. Indiz für die Leichtfertigkeit des Mandanten soll auch nach einer Literaturansicht sein, dass der Stpfl. eine vom Steuerberater angefertigte Erklärung ohne jede Kontrolle blindlings unterschreibt[11].

Wenn jedoch dem Stpfl. lediglich das komprimierte ELSTER-Formular und nicht die in der nicht komprimierten Form vorhandenen Fragen vorliegen, dürfte ein Sorgfaltsverstoß des Stpfl. an der mangelnden Erkennbarkeit von relevanten Fragen und von ggf. nicht enthaltenen Sachverhalten ausscheiden. Entsprechend sieht der BFH in seinem Urteil vom 16.5.2013[12] das Verschulden beim Steuerberater, welches er dem Stpfl. nur im Sinne des groben Verschuldens gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO (Änderungssperre[13]) steuerlich zurechnen konnte. Eine strafrechtliche Zurechnung fremden Verschuldens ist hingegen selbstredend ausgeschlossen.

Umgekehrt spricht möglicherweise steuerrechtlich der erste Anschein gegen das Vorliegen von grober Fahrlässigkeit, wenn die Angabe eines nicht im Erklärungsvordruck vorgesehenen Punktes unterlassen wird[14]. Diese Rspr. kann jedoch nicht unmittelbar in das Straf- und Bußgeldrecht übertragen werden. Hier muss sich der Richter eine eigene Überzeugung bilden. In seinem Urteil vom 29.10.2013[15] führt der BFH zudem zutreffend aus, dass der Überprüfungspflicht des Stpfl. Grenzen gesetzt sind. Leichtfertigkeit sei nur dann zu bejahen, "wenn sich ihm die Unrichtigkeit der vom Steuerberater vorbereiteten Steuererklärung hätte aufdrängen müssen", sie also „auf den ersten Blick erkennbar war”. So sei der Stpfl. "grundsätzlich nicht verpflichtet, die vom Steuerberater vorbereitete Steuererklärung in allen Einzelheiten nachzuprüfen"; eine detaillierte Überprüfung ist ihm unzumutbar. Er "darf im Regelfall darauf vertrauen, dass der Steuerberater die Steuererklärung richtig und vollständig vorbereitet, wenn er diesem die für die Erstellung der Steuererklärung erforderlichen Informationen vollständig verschafft hat." Eine strafrechtliche Zurechnung des Verhaltens des Steuerberaters findet nicht statt. Mit diesem Urteil wendet sich der VIII. Senat des BFH gegen die bisher restriktivere Auffassung des IV. Senats. Eine Anrufung des Großen Senats war jedoch entbehrlich, da der IV. Senat der Ansicht des VIII. Senats zugestimmt hat. Die weitreichende Bedeutung dieser Entscheidung wird insb. dann klar, wenn man sich verdeutlicht, dass dies nicht nur eine Abkehr von der bisherigen Rspr. bedeutete, sondern auch die bisherige Finanzverwaltungspraxis das Vorliegen der Voraussetzungen des § 378 AO fast automatisch bejaht hat, wenn sie den Vorsatz im Rahmen des § 370 AO abgelehnt hatte[16]. Eine ...

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