Leitsatz

Hat der Schenker im Verhältnis zum Beschenkten die geschuldete Steuer selbst übernommen und war dies dem FA bei Erlass des Schenkungsteuerbescheids bekannt, erfordert die Inanspruchnahme des Bedachten eine Begründung der getroffenen Auswahlentscheidung, es sei denn, die Gründe sind dem Bedachten bekannt oder für ihn ohne Weiteres erkennbar.

 

Normenkette

§ 20 Abs. 1 S. 1 ErbStG, § 5, § 44 Abs. 1, § 121, § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 102 S. 2 FGO

 

Sachverhalt

Der Vater der Klägerin schenkte dieser Teilgeschäftsanteile an mehreren Kapitalgesellschaften und übernahm dabei die Schenkungsteuer. Gleichwohl setzte das FA die Steuer gegen die Klägerin fest, ohne dies zu begründen. Diese hielt ihre Inanspruchnahme für ermessensfehlerhaft. Das FG gab ihrer Klage statt (FG Münster, Urteil vom 08.12.2005, 3 K 6936/01 Erb, Haufe-Index 1729127).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des FA zurück. Schenker und Bedachter sind Gesamtschuldner. Es liegt im Ermessen des FA, wen es in Anspruch nimmt. Seine Ermessensentscheidung bedarf regelmäßig keiner Begründung, wenn es den Bedachten heranzieht. Wendet es sich aber an den Bedachten, obwohl ihm bekannt ist, dass der Schenker die Steuer übernommen hat, muss es seine Entscheidung begründen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn dem Bedachten zumindest ohne Weiteres erkennbar ist, dass die Inanspruchnahme des Schenkers rechtlich nicht (mehr) möglich ist oder wirtschaftlich keinen Erfolg verspricht.

 

Hinweis

1. Die Entscheidung bringt nichts Neues. Sie breitet allerdings die maßgeblichen Gesichtspunkte und deren Ineinandergreifen noch einmal in instruktiver Weise aus. Vorgegeben ist:

a) Schenker und Bedachter sind Gesamtschuldner (§ 20 Abs. 1 S. 1 ErbStG, § 44 Abs. 1 S. 1 AO).

b) Es liegt im (Auswahl-)Ermessen des FA, welchen der Gesamtschuldner es in Anspruch nehmen will (§ 5 AO).

c) Die Ermessensentscheidung bedarf einer Begründung, soweit sie nicht aus sich heraus verständlich ist (§ 121 Abs. 1 AO).

2. Liegt eine Schenkung vor, bei der der Schenker die Steuer nicht übernommen hat, bedarf eine Inanspruchnahme des Bedachten keiner Begründung. Sie ist wegen der Anknüpfung der Steuer an eine Bereicherung des Bedachten erkennbar nächstliegend (BFH, Urteil vom 29.11.1961, II 282/58 U, BStBl III 1962, 323).

3. Umgekehrt folgt daraus, dass in einem derartigen Fall die Inanspruchnahme des Schenkers einer Begründung bedurfte. Fehlte sie und würde sie nicht spätestens in der Einspruchsentscheidung nachgeholt werden, wäre der Bescheid zwar wirksam, aber rechtswidrig und bei rechtzeitiger Anfechtung aufzuheben (BFH, Urteil vom 05.10.1994, I R 31/93, BFH/NV 1995, 576).

4. Das Nachholen einer erforderlichen Begründung der Ermessensentscheidung erst im Klageverfahren ist zu spät; im Klageverfahren können die Ermessenserwägungen allenfalls ergänzt werden (§ 102 S. 2 FGO). Dies setzt voraus, dass Ermessenserwägungen bis dahin überhaupt angestellt und auch dargelegt worden waren.

5. Liegt ein Sachverhalt vor, bei dem eine Begründung der Ermessensentscheidung erforderlich gewesen wäre, aber dennoch fehlt, ist dies ausnahmsweise dann unschädlich, wenn für den Bescheidadressaten ohne Weiteres erkennbar ist, weshalb er und nicht der andere Gesamtschuldner in Anspruch genommen wird. Wird etwa der Schenker in Anspruch genommen, obwohl er die Steuer nicht übernommen hat, schadet das Fehlen einer Begründung nicht, wenn für ihn erkennbar ist, dass beispielsweise der Bedachte nicht auffindbar oder bei ihm nichts mehr zu holen oder ihm gegenüber die Festsetzungsfrist abgelaufen ist.

6. Genauso, wie es von den unter 5. erwähnten Ausnahmen abgesehen einen Ermessensfehlgebrauch darstellt, ohne eine Übernahme der Steuer gleich den Schenker und nicht erst den Bedachten in Anspruch zu nehmen, ist es ermessensfehlerhaft, ohne ausreichende Begründung den Bedachten heranzuziehen, obwohl der Schenker die Steuer übernommen hat. In einem solchen Fall bedarf wiederum die Inanspruchnahme des Schenkers keiner Begründung.

7. Diese Grundsätze stimmen im Wesentlichen mit denen zum Auswahlermessen bei der GrESt überein. An die Stelle des Bedachten tritt dabei der Grundstückserwerber und an die Stelle des Schenkers der Veräußerer.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 01.07.2008, II R 2/07

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