Schenkungen nach Fortfall der schwedischen Schenkungsteuer

Nach Abschaffung der Schenkungsteuer im Königreich Schweden (Schweden) zum 1.1.2005 kann Art. 4 Abs. 1 Buchst. b DBA-Schweden 1992 bei einer Doppelansässigkeit des Schenkers im Inland und in Schweden kein Besteuerungsrecht in Schweden begründen. Dies hat zur Folge, dass die Schenkung eines in der Bundesrepublik Deutschland und zugleich in Schweden ansässigen Schenkers dem deutschen Schenkungssteuerrecht unterliegt.

Hintergrund: Gesetzliche Regelung

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG unterliegen der Schenkungsteuer die Schenkungen unter Lebenden. Dazu gehören freigebige Zuwendungen unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Die persönliche Steuerpflicht für den gesamten Vermögensanfall setzt nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 ErbStG voraus, dass der Schenker im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer Inländer ist. Als Inländer gelten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Sachverhalt: Schenker hat im Zeitpunkt der Schenkung einen Wohnsitz in Schweden und einen Zweitwohnsitz in Deutschland

Die im Streitjahr in dem Königreich Schweden (Schweden) ansässige Klägerin erhielt 2005 im Wege der Schenkung von ihrem Vater Anteile an einer schwedischen AG. Der Vater unterhielt im Zeitpunkt der Schenkung Wohnsitze in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) und in Schweden. Sein Lebensmittelpunkt lag im Zeitpunkt der Schenkung in Schweden. Schweden hatte die Erbschaft- und Schenkungsteuer zu Beginn des Jahres 2005 abgeschafft. Das FA setzte mit Bescheid vom gegen die Klägerin Schenkungsteuer fest.

Einspruch hatte keinen Erfolg

Mit ihrem Einspruch vertrat die Klägerin die Auffassung, ihr Vater, der Schenker, sei abkommensrechtlich allein in Schweden ansässig gewesen, sodass Schweden allein über das Besteuerungsrecht verfügt habe. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück.

FG gibt der Klage statt

Die dagegen eingelegte Klage hatte Erfolg. Nach Auffassung des FG ergibt sich aus dem DBA-Schweden 1992 das alleinige Besteuerungsrecht Schwedens. Durch die Abschaffung der Erbschaft- und Schenkungsteuer in Schweden habe das DBA-Schweden 1992 keine Änderung erfahren. Auf das Bestehen einer konkreten sachlichen oder persönlichen Steuerpflicht in Schweden komme es nicht an.

Entscheidung: BFH bejaht die Besteuerung in Deutschland

Die Revision des FA ist begründet. Die BFH hat die Vorentscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Schenkung der Anteile durch den Vater an die Klägerin unterliegt in Deutschland der Schenkungsteuer. Die Regelung in Art. 4 DBA-Schweden 1992 steht der Besteuerung in Deutschland nicht entgegen. Zur Begründung führten die Richter u.a. aus:

  • Als Inländer gelten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Dies trifft auf den Vater der Klägerin, den Schenker, zu, denn er hatte neben einem Wohnsitz in Schweden auch einen Wohnsitz im Inland.
  • Art. 26 DBA-Schweden 1992 enthält Regelungen, die eine Doppelbesteuerung mit Schenkungsteuer bei einer doppelten Ansässigkeit des Schenkers oder des Beschenkten in Schweden und in Deutschland verhindern sollen.
  • Ist eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, gilt sie nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA-Schweden 1992 als in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt; verfügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Danach wäre nach dem DBA-Schweden 1992 an sich die Schenkung allein in Schweden zu besteuern, da der Schenker zum Zeitpunkt der Schenkung in diesem Land den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hatte.
  • Jedoch besteht seit der Abschaffung der Erbschaft- und Schenkungsteuer in Schweden ‑ ungeachtet eines tatsächlich bestehenden Wohnsitzes ‑ für Zwecke der Schenkungsteuer keine "Ansässigkeit" in Schweden im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 2 Buchst. a DBA-Schweden 1992 mehr.
  • Denn Art. 4 Abs. 1 Buchst. b DBA-Schweden 1992 verweist für den Ausdruck "eine in einem Vertragsstaat ansässige Person" im Sinne des Abkommens für Zwecke der Schenkungsteuer auf eine Person, die "nach dem Recht dieses Staates dort aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist". Somit bestimmt sich die Ansässigkeit des Schenkers allein nach dem inländischen Recht.
  • Wenn dieses wie in Schweden keine Besteuerung mehr vorsieht, besteht kein Grund, das Besteuerungsrecht nur einem von zwei Staaten zuzuweisen. Das DBA-Schweden 1992, das eine Doppelbesteuerung verhindern soll, führt zu keinem anderen Ergebnis. Eine Ansässigkeit des Vaters in Schweden lag nicht vor, weil im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung kein nationales Recht in Schweden bestand, das die Besteuerung der Schenkung an den Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in Schweden angeknüpft hätte.
  • Die Übertragung der Anteile unterliegt als freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Schenkungsteuer. Die Voraussetzungen für die unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht sind erfüllt. Die Klägerin war im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung im Jahr 2005 zwar keine Inländerin im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG, da sie im Zeitpunkt der Schenkung ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Schweden hatte. Jedoch bestand für ihren Vater als Schenker eine persönliche Steuerpflicht nach dieser Vorschrift, da er einen Wohnsitz im Inland hatte.

BFH, Urteil v. 24.5.2023, II R 27/20; veröffentlicht am 12.10.2023

Alle am 12.10.2023 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen


Schlagworte zum Thema:  Schenkungssteuer, Doppelbesteuerungsabkommen