BFH zur Nichtigkeit eines Schenkungsteuerbescheids

Entrichtet der Schenker die ihm gegenüber festgesetzte Schenkungsteuer in vollem Umfang, so erlischt diese auch mit Wirkung gegenüber dem Bedachten als weiteren Gesamtschuldner und kann daher diesem gegenüber nicht mehr festgesetzt werden. Ein Schenkungsteuerbescheid ist nichtig, wenn ihm auch nach verständiger Auslegung nicht mit hinreichender Sicherheit die Höhe der festgesetzten Schenkungsteuer entnommen werden kann.

Hintergrund: Gesetzliche Regelungen

Erwerber und Schenker sind nach § 44 Abs. 1 Satz 1 AO Gesamtschuldner, denn sie schulden nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis. Die Erfüllung der Steuerschuld durch einen Gesamtschuldner wirkt nach § 44 Abs. 2 Satz 1 AO auch für die übrigen Schuldner.

Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs. 1 AO). Er ist nichtig und damit nach § 124 Abs. 3 AO unwirksam, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (§ 125 Abs. 1 AO).

Sachverhalt: Vater schenkt Sohn Beteiligung an mehreren Gesellschaften

Der Vater des Klägers war zu 15 % als geschäftsführender und zur alleinigen Vertretung berechtigter Gesellschafter an verschiedenen Personen- und Kapitalgesellschaften (eine KG, zwei GmbHs, eine GbR) beteiligt. Mit notariell beurkundetem Vertrag schenkte er dem Kläger eine Beteiligung von 6,5 % an diesen vier Gesellschaften. Der Kläger war zum damaligen Zeitpunkt als Minderjähriger durch einen Ergänzungspfleger vertreten. Der Vater behielt sich das lebenslange Nießbrauchrecht vor. In dessen Rahmen erteilte der beschenkte Kläger dem Vater als Nießbrauchberechtigtem die nur aus wichtigem Grund widerrufliche Vollmacht, für ihn das Stimmrecht bei Gesellschafterversammlungen auszuüben, solange der Nießbrauch für den Vater bestand. Der Vater übernahm im Vertrag eine etwaig anfallende Schenkungsteuer.

Mit Bescheid vom 9.10.2009 setzte das Finanzamt (FA) erklärungsgemäß Schenkungsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Dabei gewährte das FA die Vergünstigungen des § 13a ErbStG a. F. sowohl für die KG-Beteiligung als auch für die GmbH-Beteiligungen. Der Bescheid erging „für Herrn [Vater] als Träger der Schenkungsteuer für Herrn [Kläger]". Gegen diesen Bescheid wurde kein Einspruch eingelegt. Der Vater zahlte die fällige Steuer fristgerecht.

Mit Bescheid vom 26.10.2010 setzte das FA erneut Schenkungsteuer fest. Dabei gewährte es die Vergünstigungen des § 13a ErbStG a. F. nur noch für die GmbH-Beteiligungen. Hinsichtlich der Übertragung der KG-Beteiligung sei die Begünstigung nicht zu gewähren, da der Kläger nicht Mitunternehmer geworden sei. Der Bescheid erging „für Herrn [Vater] als gesetzlicher Vertreter von Herrn [Kläger]“. Im einleitenden Text heißt es wörtlich: „Der Bescheid ändert den Bescheid vom 9.10.2009 gemäß § 164 Abs. 2 AO.“ In der Abrechnung, auf die der Bescheid auch Bezug nahm, erging eine Zahlungsaufforderung über 3.333.507 EUR (abzurechnen sind 10.031.640 EUR, bereits getilgt 6.698.133 EUR). Der Vater zahlte erneut den fälligen Betrag.

Der Bescheid wurde mit Einspruch angefochten.

Im Verlauf des Einspruchsverfahrens ergingen am 16.12.2013 und am 03.02.2014 weitere Änderungsbescheide. Mit Schreiben vom 21.1.2016 teilte das FA mit, es beabsichtige eine Verböserung insoweit, als auch die Verschonung für die GmbH-Beteiligungen nicht mehr gewährt werden solle (Beteiligung nur zu 15 %, statt der geforderten 25 %). Mit Einspruchsentscheidung vom 5.1.2017 über „den Einspruch vom 23.11.2010 des [Vaters]“ gewährte das FA die Verschonung auch für die GmbH-Beteiligungen nicht mehr und setzte die Steuer entsprechend herauf.

Im Klageverfahren trug der Kläger vor, die Bescheide vom 26.10.2010, 16.12.2013 und 03.02.2014 hätten den gegenüber dem Vater ergangenen Bescheid vom 9.10.2009 nicht geändert, da sie nicht an den Vater, sondern nur an den Kläger gerichtet gewesen seien. In der Sache machte er weiter geltend, er sei Mitunternehmer der KG geworden, sodass die Verschonung insoweit zu gewähren sei.

Das FG wies die Klage, mit welcher der Kläger die Aufhebung sämtlicher Bescheide und der Einspruchsentscheidung begehrte, ab.

BFH erlässt Gerichtsbescheid

Mit Gerichtsbescheid vom 23.11.2022 hob der BFH alle gegenüber dem Kläger erlassenen Bescheide auf. Die 3 Änderungsbescheide könnten nicht in einen Erstbescheid gegenüber dem Kläger umgedeutet werden, weil diese Bescheide auch als Erstbescheide rechtswidrig gewesen wären. Beim ersten Bescheid habe das FA sein Ermessen bezüglich der Inanspruchnahme mehrerer Gesamtschuldner nicht ausgeübt. Bei den übrigen Bescheiden habe es nicht berücksichtigt, dass ein Teil der Steuerschuld bereits getilgt worden sei und daher nicht hätte festgesetzt werden dürfen.

Das FA hat mündliche Verhandlung beantragt, am 10.5.2023 alle Bescheide nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufgehoben und am selben Tag gegenüber dem Kläger einen neuen Bescheid erlassen. Im Tenor des neuen Schenkungsteuerbescheids vom 10.5.2023 wurde die gesamte Steuer in Höhe von 15.800.340 EUR gegen den Kläger festgesetzt.

Unter der Überschrift „Steuerfestsetzung“ erfolgte eine nähere Erläuterung der Festsetzung. Dabei wurde u. a. die durch den Vater (Schenker) bereits geleistete Zahlung (6.698.133 EUR) abgezogen und eine „festgesetzte Steuer“ i. H. v. 6.829.463,31 EUR aufgeführt. Danach erfolgte ein Ausgleich durch Verrechnung i. H. v. 6.829.463,31 EUR, sodass die Aufstellung mit „Noch zu zahlen“ i. H. v. 0 EUR endete.

Entscheidung: BFH hebt Urteil des FG aus verfahrensrechtlichen Gründen auf

Der BFH hat entschieden, dass das Urteil des FG bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben war, weil sich während des Revisionsverfahrens der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das FG zu entscheiden hatte, geändert habe. An die Stelle der angefochtenen und im Laufe des Verfahrens aufgehobenen Bescheide sei der Bescheid vom 10.5.2023 getreten. Dieser Bescheid sei nach § 121 Satz 1 i. V. m. § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden.

Einer Zurückverweisung der Sache an das FG nach § 127 FGO bedürfe es allerdings nicht, da sich aufgrund des neuen Schenkungsteuerbescheids an den zwischen den Beteiligten streitigen Punkten im Übrigen nichts geändert habe.

Revision wegen Nichtigkeit des Bescheids begründet

Ein Verwaltungsakt leide an schweren und offenkundigen Mängeln und sei deshalb nichtig, wenn er inhaltlich nicht so bestimmt sei, dass ihm hinreichend sicher entnommen werden könne, was von wem verlangt werde. Für die Frage, ob ein Steuerbescheid inhaltlich hinreichend bestimmt sei, komme es grundsätzlich auf die Überschrift und den verfügenden Teil (Tenor) des Bescheids an. Die Begründung des Bescheids könne zwar bei der Auslegung des Tenors herangezogen werden. Widerspreche die Begründung jedoch dem verfügenden Teil des Bescheids, könne der Bescheid jedenfalls aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht aufrechterhalten werden.

Hiervon ausgehend sei der Schenkungsteuerbescheid vom 10.5.2023 nichtig, da aus diesem für den Kläger nicht eindeutig hervorgehe, in welcher Höhe die Schenkungsteuer gegen ihn festgesetzt worden sei. Der Tenor des Schenkungsteuerbescheids stehe im Widerspruch zu dessen Begründung. Es werde ausdrücklich zunächst Schenkungsteuer i. H. v. 15.800.340 EUR gegen den Kläger im Tenor festgesetzt und sodann in der Begründung unter der Überschrift „Steuerfestsetzung“ ein niedrigerer Betrag als „festgesetzte Steuer“ i. H. v. 6.829.463,31 EUR ausgewiesen. Das sei widersprüchlich und führe dazu, dass die festgesetzte Steuer, die eines der Kernelemente eines Steuerbescheids (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO) ausmache, für den Kläger als Adressaten des Steuerbescheids nicht hinreichend bestimmbar sei.

Erlöschen der Steuer durch Zahlungen des Vaters nicht hinreichend deutlich

Der Bescheid lasse auch nicht erkennen, dass die festgesetzte Steuerschuld durch die Zahlung des Vaters materiell erloschen sei.

Erwerber und Schenker seien Gesamtschuldner, denn sie schuldeten nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis. Die Erfüllung der Steuerschuld durch einen Gesamtschuldner wirke auch für die übrigen Schuldner. Entrichte der Schenker die ihm gegenüber festgesetzte Schenkungsteuer in vollem Umfang, so erlösche diese auch mit Wirkung gegenüber dem Beschenktem und könne daher diesem gegenüber nicht mehr festgesetzt werden.

Zwar sei in der Begründung des Schenkungsteuerbescheids die durch den Vater (Schenker) bereits geleistete Zahlung abgezogen und eine niedrigere als die im Tenor festgesetzte Steuer als festgesetzt ausgewiesen worden. Durch diese Darstellung werde aber nicht hinreichend deutlich, dass die Entrichtung der Schenkungsteuer durch den Vater (Schenker) zum Erlöschen der gegen den Kläger festzusetzenden Steuerschuld geführt habe. Dem Bescheid lasse sich danach auch nach verständiger Auslegung nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, in welcher Höhe die Steuerschuld gegen den Kläger festgesetzt worden. Er leide daher an einem schwerwiegenden Fehler i. S. d. § 125 Abs. 1 AO und sei aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit aufzuheben.

Hinweis: Keine Entscheidung über materiell rechtliche Fragen erforderlich

Da der Schenkungsteuerbescheid bereits aus formellen Gründen aufzuheben war, musste der BFH nicht darüber befinden, ob die Begünstigungen des § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 ErbStG a. F. zu Recht nicht zu gewähren waren.

BFH, Urteil v. 8.11.2023, II R 22/20; veröffentlicht am 7.3.2024

Alle am 7.3.2024 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen

Schlagworte zum Thema:  Steuerbescheid, Abgabenordnung, Schenkungssteuer