3.1 Vorbemerkung

 

Rz. 31

Die zweite zentrale Voraussetzung zum Vorliegen einer außergewöhnlichen Belastung – neben der Außergewöhnlichkeit – ist die Zwangsläufigkeit der Belastung. Hierfür muss eine Zwangslage des Stpfl. aus rechtlichen, tatsächlichen oder auch sittlichen Gründen bestehen, aus der er sich nur durch Kostentragung entziehen kann.[1] Die Möglichkeit des Stpfl., die Kostentragung abzuwenden, ist hierbei ein wichtiger Faktor zur Beurteilung.[2] Insoweit wird in der Rspr. auch die Möglichkeit eines "Ausweichens" seitens des Stpfl. geprüft.[3] Trifft den Stpfl. ein Verschulden an der Kostenentstehung, liegt auch keine außergewöhnliche Belastung vor.

 

Rz. 32

Auch im Hinblick auf die Zwangsläufigkeit ist auf das Ereignis abzustellen, das die Kosten verursacht hat und nicht etwa auf die Kosten selbst. Das Ereignis muss hierbei von außen auf den Stpfl. einwirken, d. h. dass eine Belastung unabhängig von einer Willensentscheidung entsteht.[4] Hierbei ist auf den objektiven Tatbestand abzustellen; ob der Stpfl. subjektiv von einer Zwangsläufigkeit ausging, ist unerheblich.[5] Darüber hinaus ist eine Verknüpfung zu den rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen zu fordern, die den Stpfl. zur Kostenübernahme zwingen. Nur wenn diese einen hinreichend obligatorischen Charakter aufweisen, kann der Stpfl. sich einer Aufwandstragung nicht entziehen. Folglich sind Aufwendungen bzw. Kosten infolge einer falschen Anlageentscheidung des Stpfl. und der damit einhergehenden Realisation der hieraus resultierenden Risiken ebenfalls keine außergewöhnliche Belastung, da es an dem Merkmal der Zwangsläufigkeit mangelt.[6]

[1] BFH v. 23.5.1990, III R 145/85, BStBl II 1990, 895, Haufe-Index 63322; FG des Saarlandes v. 14.2.2007, 1 K 1350/03, Haufe-Index 1725761: Leistet der Verursacher des Motorschadens Schadensersatz an den Vermieter, da durch Bedienungsfehler verursachte Schäden nicht durch die für das Fahrzeug bestehende Vollkaskoversicherung gedeckt sind, stellt dies eine außergewöhnliche Belastung i. S . von § 33 Abs. 1 EStG dar.
[6] FG München v. 27.9.2018, 11 K 2862/16, Haufe-Index 13380472, wegen Befangenheit der Richter aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen durch BFH v. 5.6.2019, IX B 121/18, BFH/NV 2019, 1019.

3.2 Keine Zwangsläufigkeit bei Verursachung durch den Steuerpflichtigen

3.2.1 Verschulden

 

Rz. 33

Eine Unentziehbarkeit von Aufwendungen kann dann unbeachtlich sein, wenn der Stpfl. die Ursache durch freiwilliges Verhalten selbst gelegt hat und für die Folgen selbst verantwortlich ist. In solchen Fällen ist eine Zwangsläufigkeit nicht gegeben.[1]

 

Rz. 34

Die Reichweite der Ursachenforschung ist begrenzt. Eine dezidierte Ausforschung privater oder familiärer Umstände ist mit dem verfassungsrechtlich gesicherten Grundsatz der Unantastbarkeit der Menschenwürde nicht vereinbar.[2] Bei einer nachgewiesenen Krankheit ist ferner nicht gesondert zu prüfen, ob diese auf eigenem Verschulden des Stpfl. beruht.[3] Fraglich ist jedoch, ob dies auch für Krankheitsfälle gilt, die aufgrund von Hochrisiko- oder Kampfsportarten entstanden sind. M. E. liegen auch in diesen Fällen außergewöhnliche Belastungen vor. Zwar nimmt der Stpfl. z. B. bei Ausübung einer Kampfsportart ggf. auch größere Verletzungen in Kauf, sodass etwaige Genesungskosten i. w. S. auf der Entscheidung zur Durchführung der Sportart beruhen. Trotzdem wird regelmäßig kein Vorsatz des Stpfl. vorliegen, sich bewusst eine Verletzung zugefügt zu haben. Allenfalls kann eine leichte Fahrlässigkeit unterstellt werden, die für sich genommen die Annahme der Zwangsläufigkeit nicht ausschließen kann.[4]

Bei Verkehrsunfällen wird demgegenüber sehr wohl danach differenziert, auf welchem Umstand es zum Schaden gekommen ist. Die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen soll dann nicht gegeben sein, wenn der Schaden grob fahrlässig oder vorsätzlich verursacht wurde.[5] Lediglich leichte Fahrlässigkeit soll eine Zwangsläufigkeit begründen können. Die Vergütung eines Insolvenztreuhänders im Rahmen einer Verbraucherinsolvenz ist ebenfalls nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar, sofern der Stpfl. die Ursache für die Insolvenz durch sein eigenes Verhalten gesetzt hat.[6]

[1] Illustrativ z. B. BFH v.18.3.2004, III R 31/02, BFH/NV 2004, 880: Verneinung von Erpressungsgeldern als außergewöhnliche Belastung, sofern diese auf einer außerehelichen Beziehung fußen.
[4] BFH v. 9.5.1996, III R 224/94, BStBl II 1996, 596 zu Prozesskosten bei leicht fahrlässiger Verkennung der Rechtslage.
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