Rz. 12

[Autor/Stand] Treaty Override. Nach seinem Abs. 1 Satz 1 gelten die zusätzlichen Voraussetzungen, die § 50j EStG für einen DBA-Entlastungsanspruch normiert, "ungeachtet dieses Abkommens". Damit sollen, wie der Finanzausschuss des Bundestages im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens klarstellte, "soweit erforderlich die DBA überschrieben werden".[2] Soweit die Bestimmungen des § 50j EStG lediglich den Begriff des "Nutzungsberechtigten" im Sinne des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA 2017[3] konkretisieren (s. Rz. 13), ist § 50j EStG ohnehin mit den Vorgaben der jeweiligen Vorschriften vereinbar, welche die deutschen DBA zur Dividendenbesteuerung entsprechend dem Art. 10 OECD-MA 2017 enthalten. Vor diesem Hintergrund ist der in Abs. 1 Satz 1 normierte "Treaty Override" nicht strukturell, sondern entfaltet lediglich in Einzelfällen Wirkung.

 

Rz. 13

[Autor/Stand] Verhältnis zum Begriff des Nutzungsberechtigten. Nach der Gesetzesbegründung "ergänzt" die Regelung des § 50j EStG die abkommensrechtliche Entlastungsvoraussetzung der Nutzungsberechtigung.[5] Nach Auffassung des Gesetzgebers scheinen die Vorgaben des § 50j EStG damit zwar über die Anforderungen des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA 2017 hinauszugehen, der eine Beschränkung der Dividendenbesteuerung des Quellenstaats nur zugunsten des "Nutzungsberechtigten" vorsieht, aber gleichwohl denselben Geist zu atmen. Es liegt auf der Hand, die Bestimmungen des § 50j EStG in denjenigen Fällen als bloße Konkretisierung des abkommensrechtlichen Begriffs des Nutzungsberechtigten zu sehen, in denen die Entlastung an der Voraussetzung des Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 scheitert, der zufolge der Gläubiger der Kapitalerträge nicht verpflichtet sein darf, diese einer anderen Person zu vergüten (s. Rz. 69 ff.). Insofern dürfte zumindest innerhalb der OECD Konsens darüber bestehen, den Gläubiger in einem solchen Fall nicht als Nutzungsberechtigten im Sinne des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA 2017 zu betrachten.[6] Bei den beiden anderen Entlastungsvoraussetzungen des § 50j EStG ist die Lage weniger eindeutig. Insbesondere die Voraussetzung der Einhaltung einer Mindesthaltedauer (s. Rz. 60 ff.), an der allein die Entlastung scheitern kann (s. Rz. 59), dürfte für sich genommen allenfalls als Vermutung für eine fehlende Nutzungsberechtigung gesehen werden können. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, die Vorgaben des § 50j EStG und den Begriff des Nutzungsberechtigten im Sinne des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA 2017 als einander überschneidende Kreise zu sehen.

 

Rz. 14

[Autor/Stand] Verhältnis zu weiteren Einschränkungen durch DBA. In seinem Abs. 5 sieht der § 50j EStG ausdrücklich vor, dass weitergehende Einschränkungen von Entlastungsansprüchen, die sich aus DBA ergeben, unberührt bleiben. § 50j EStG verdrängt somit keine Vorschriften der deutschen DBA, die ggf. ein gleiches, gegen missbräuchliche Steuergestaltungen gerichtetes Ziel verfolgen (s. Rz. 105).

[Autor/Stand] Autor: Dobratz, Stand: 01.04.2021
[2] Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 18/10506, 79, vgl. § 50j EStG Anh. 1 Rz. 2; kritisch Gosch in Kirchhof/Seer20, § 50j EStG Rz. 1, der angesichts dessen von einem "inflationären Gebrauch" des treaty overriding spricht.
[3] Model Tax Convention on Income and on Capital vom 21.11.2017 der Organisation for Economic Co-operation and Development, http://dx.doi.org/10.1787/mtc_cond-2017-en.
[Autor/Stand] Autor: Dobratz, Stand: 01.04.2021
[5] Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 18/10506, 78, vgl. § 50j EStG Anh. 1 Rz. 2.
[6] Vgl. Art. 10 Rz. 12.4 OECD-MK 2017.
[Autor/Stand] Autor: Dobratz, Stand: 01.04.2021

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