Entscheidungsstichwort (Thema)

Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach Kirchgeld-Festsetzung allein gegen die kirchenangehörige Steuerpflichtige (Ehefrau) im zusammengefassten Bescheid wahrt der vom Ehemann in "Ich"-Form eingelegte Einspruch nicht die Einspruchsfrist.

2. Die danach für die Klage der Ehefrau fehlende Sachurteilsvoraussetzung wird nicht dadurch ersetzt, dass eine Sachprüfung in der Einspruchsentscheidung stattgefunden hat.

3. Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe kann festgesetzt werden, wenn der andere Ehegatte einer nicht steuerberechtigten oder nicht steuererhebenden Religionsgesellschaft angehört (sog. glaubensverschiedene Ehe); es darf unter Berücksichtigung des zusammenveranlagten gemeinsamen Einkommens bemessen werden.

4. Die Verleihung hoheitlicher Befugnisse wie der Steuerberechtigung bei der Anerkennung einer Religionsgesellschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts durch ein Bundesland wirkt nicht über dessen Bereich hinaus.

5. Die Regelungen zum kirchensteuerbezogenen Informationsaustausch sind grundrechtskonform.

 

Normenkette

AO §§ 30-31, 122, 155, 347, 355, 367; FGO § 44; GG Art. 2-4, 6, 140; HmbFGOAG § 5a; KiStGHA: §§ 1-5, 5a, 8, 10, 12; KiStGHA:ErstreckungsVO § 1; HmbKiStVerwVO § 1; HmbRelGesG §§ 1, 3; HmbRelGesVO § 1; VwVfG § 51; WRV Art. 137

 

Tatbestand

A.

Die Beteiligten streiten um besonderes Kirchgeld für 2012.

Streitig ist,

  • ob die Klägerin rechtzeitig Einspruch eingelegt hat und
  • inwieweit es nach § 5 und § 5a Hamburgisches Kirchensteuergesetz in der Fassung des Streitjahres (HmbKiStG) bei der Einordnung als "glaubensverschiedene" oder als "konfessionsverschiedene" Ehe darauf ankommt, dass eine Religionsgemeinschaft in Hamburg landesrechtlich steuerberechtigt ist oder eine Steuer auch erhebt.

I.

1. Die Klägerin war im Streitjahr 2012 Mitglied der evangelisch-lutherischen Kirche (ESt-A Bl. 28; Rb-A Bl. 12).

2. Die Klägerin ist seit ... 2012 verheiratet (ESt-A Bl. 80).

3. Ihr Ehemann ist laut - nicht unterschriebener - Bescheinigung vom 20. Mai 2014 der Freireligiösen Landesgemeinschaft Hessen, inzwischen umbenannt in Humanistische Gemeinschaft Hessen, Mitglied der Freireligiösen Gemeinde Wiesbaden. Die Landesgemeinschaft und die Gemeinde sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und - nach § 16 Abs. 1 HessKiStG - kirchensteuerberechtigt, machen von diesem Recht jedoch keinen Gebrauch (Rb-A Bl. 3; FG-A Bl. 15, 18).

II.

1. Das beklagte Finanzamt (FA) verband die Festsetzung der Kirchensteuer bzw. des besonderen Kirchgelds gegenüber der Klägerin mit dem Einkommensteuerbescheid für beide zusammen veranlagten Eheleute in Form eines zusammengefassten Bescheids; darin heißt es ausdrücklich (FG-Anlbd. Bl. 1, 6):

"... Die Festsetzung der Kirchensteuer erfolgt nur gegen die Ehefrau. ..."

Nach dem gemeinsam zu versteuernden Einkommen ... Euro errechnete das FA für die Klägerin ein besonderes Kirchgeld anstelle einer sonst niedrigeren auf die Klägerin nach ihrem zu versteuernden Einkommen entfallenden Kirchensteuer.

Die gleichfalls niedrigere mit dem Lohnsteuerabzug bei der Klägerin einbehaltene Kirchensteuer rechnete das FA im Abrechnungsteil des Bescheids auf das Kirchgeld an.

Nicht streitig ist die neben dem besonderen Kirchgeld gemäß Abgeltungssteuer für Kapitalerträge erhobene Kirchensteuer in Höhe von ... Euro.

2. Anstelle eines zunächst mit Bescheid vom 2. Mai 2014 festgesetzten besonderen Kirchgelds von 1.200 Euro für das Jahr 2012 reduzierte das FA mit Änderungsbescheid vom 22. Mai 2014 den Betrag im Hinblick auf die erst im zweiten Halbjahr bestehende Ehe um die Hälfte auf den jetzt noch streitigen Betrag 600 Euro (FG-A Bl. 2, AG-Anlbd. Bl. Bl. 1, 5).

3. Unter dem 22. Mai 2014 ging am selben Tag bei dem FA ein Einspruch ein; darin heißt es wörtlich (Rb-A Bl. 2):

"... lege ich hiermit Widerspruch ein. ...

Ich bin Mitglied in der Freireligiöse Landesgemeinschaft Hessen K.d.ö.R., nach dortiger Auskunft ist die Festlegung von Kirchengeld durch die Religionsgemeinschaft meiner Frau nicht möglich. ...

Ich gehe davon aus, dass auch die Finanzbehörde ... meine Religionseinstellung ... nicht an die Religionsgemeinschaft meiner Frau weitergibt.

Ich stelle den Antrag die Belastungen durch Kirchengeld die mich betreffen entsprechend der gesetzlichen Regelung zu streichen. ...

Erläuterungen meiner Kirche habe ich angefordert ..."

Unterzeichnet ist der Einspruch vom Ehemann der Klägerin. Das Schreiben hat die folgende Fußzeile (Rb-A Bl. 2):

"A & B C, X-Straße, ... Hamburg

Tel.: ... oder Handy ...."

4. Am 6. Oktober 2014 antwortete das FA auf das Schreiben. Die Ehe der Klägerin werde als glaubensverschiedene Ehe eingeordnet, da der eine Ehegatte einer steuererhebenden Kirche angehöre, der andere dagegen keiner Religionsgemeinschaft oder einer Religionsgemeinschaft, die keine Steuern erhebe (Rb-A Bl. 6).

5. Unter dem 17. (eingeg. 20.) Oktober 2014 ging ein weiteres vom Ehemann der Klägerin unterzeichnetes Schreiben mit der vorbeschriebenen Fußzeile (oben 3) bei dem FA ein. Es liege keine ...

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