Leitsatz (amtlich)

Ein unrichtiger Einheitswertbescheid kann auf einen späteren Stichtag nicht nach § 222 AO berichtigt, sondern nur nach § 225 a AO unter den dort genannten Voraussetzungen fortgeschrieben werden.

 

Normenkette

AO §§ 222, 225a; BewG § 22

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine Ehefrau, die Beigeladene, besitzen im Erbbaurecht zwei Parzellen, von denen die eine mit dem gemeinschaftlichen Einfamilienhaus und die andere mit einer Garage und einer Werkstätte für das vom Kläger betriebene Transportgeschäft bebaut ist. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hatte die beiden Parzellen zu e i n e r wirtschaftlichen Einheit zusammengefaßt und zuletzt zum 1. Januar 1962 als gemischtgenutztes Grundstück bewertet.

Mit Schreiben vom 9. Dezember 1970 beantragte der Kläger, auf den 1. Januar 1970 für die beiden Parzellen zwei getrennte Einheitswerte zu bilden. Mit Bescheiden vom 15. Februar 1971 entsprach das FA diesem Antrag, indem es für das Garagen- und Werkstattgebäude eine Art- und Wertfortschreibung und für das Einfamilienhaus eine Nachfeststellung durchführte.

Mit weiterem Schreiben vom 6. April 1972 beantragte der Kläger, diese Änderung gemäß § 222 AO bereits auf den 1. Januar 1966 vorzunehmen. Er vertrat die Ansicht, daß die bisherige Bewertung offensichtlich falsch gewesen sei. Er legte dazu den Auszug eines Betriebsprüfungsberichts vom 30. Dezember 1964 vor, in dem der Prüfer im Zusammenhang mit der Sonderabschreibung nach § 7 b EStG ausgeführt hat, daß die beiden Gebäude weder baulich noch wirtschaftlich miteinander verbunden seien und daß das Wohngebäude die Begriffsmerkmale eines Einfamilienhauses erfülle. Das FA lehnte den Antrag ab. Es verneinte das Vorliegen neuer Tatsachen, weil ihm bereits bei der Bewertung auf den 1. Januar 1962 bekanntgewesen sei, daß es sich um getrennte Baukörper handele. Im übrigen enthielten die Bescheide vom 15. Februar 1972 zugleich die Feststellung, daß auf einen früheren Zeitpunkt (als den 1. Januar 1970) Fortschreibungen nicht vorzunehmen seien.

Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG äußerte Zweifel, ob die frühere Bewertung tatsächlich unrichtig gewesen sei. Auf jeden Fall sei hier die Anwendung des § 222 AO durch die Vorschrift des § 225 a AO ausgeschlossen. Eine Fortschreibung auf den 1. Januar 1966 sei nach dieser Vorschrift aber nicht mehr möglich, nachdem der Kläger in Kenntnis aller Umstände eine Fortschreibung auf den 1. Januar 1970 beantragt und das FA diesem Antrag entsprochen habe. Das FG, dessen Entscheidung in Entscheidungen der Finanzgerichte 1973 S. 617 veröffentlicht ist, hat die Revision zugelassen.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht (§§ 222 und 225 a AO) sowie mangelnde Sachaufklärung durch die Vorinstanz (§ 76 FGO). Das FG habe zu der Frage, ob neue Tatsachen vorIiegen, keine eigenen Feststellungen getroffen, sondern die Behauptung des FA übernommen, daß der Betrieb vom Wohngebäude aus geführt werde. Im übrigen habe er auf Grund der Feststellungen im Betriebsprüfungsbericht einen Rechtsanspruch auf Berichtigung nach § 222 AO. Die auf den 1. Januar 1970 gemäß § 225 a AO durchgeführte Fortschreibung stehe einer Berichtigung nach § 222 AO auf einen früheren Zeitpunkt nicht entgegen.

Der Kläger beantragt, das FA zu verurteilen, eine Artund Wertfortschreibung bzw. eine Nachfeststellung seiner Grundstücke bereits zum 1. Januar 1966 durchzuführen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Der Kläger begehrt, die Bewertung zum 1. Januar 1962, die er für unrichtig hält, auf den 1. Januar 1966 richtigzustellen. Dieses Ziel kann er weder unter dem Gesichtspunkt des § 222 AO noch auf dem Wege über § 225 a AO erreichen.

Eine Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Nr. 2 AO scheitert schon daran, daß auf den 1. Januar 1966 ein Feststellungsbescheid, der nach dieser Vorschrift berichtigt werden könnte, nicht vorliegt. Eine Berichtigung nach § 222 AO setzt voraus, daß auf den Zeitpunkt, auf den die Berichtigung vorgenommen werden soll, bereits ein Einheitswert festgestellt ist. Dadurch unterscheidet sich die Berichtigung von der Fortschreibung nach § 225 a AO, bei der ein Einheitswert jeweils auf einen späteren Zeitpunkt geändert wird. Man spricht auch davon, daß die Berichtigung nach § 222 AO in die Vergangenheit (ex tunc) und die Fortschreibung nach § 225 a AO in die Zukunft (ex nunc) wirkt (vgl. Urteile des BFH vom 7. Oktober 1955 III 77/54 U, BFHE 61, 453, BStBl III 1955, 375; vom 25. August 1961 III 90/60 S, BFHE 73, 635, BStBl III 1961, 498). § 225 a AO schließt also nicht, wie das FG meint, die Vorschrift des § 222 AO aus. Beide Vorschriften ergänzen sich vielmehr gegenseitig. Im Streitfall liegt lediglich ein Einheitswert auf den 1. Januar 1962 vor. Dieser könnte - seine Unrichtigkeit unterstellt - nach § 222 AO berichtigt werden. Einen solchen Antrag hat der Kläger jedoch nicht gestellt. Er wäre auch nicht zulässig, weil sämtliche auf diesem Einheitswert beruhenden Steuern verjährt sind (BFH-Urteil vom 18. Oktober 1968 III 225/65, BFHE 94, 142, BStBl II 1969, 63; siehe auch § 225 a Abs. 2 AO i. d. F. des Vermögensteuerreformgesetzes vom 17. April 1974, BGBl I 1974, 949, BStBl I 1974, 233, 252; § 225 a AO n. F.). Auf den 1. Januar 1966 ist ein Einheitswert jedoch nicht festgestellt. Eine Berichtigung nach § 222 AO kommt somit bereits aus diesem Grunde nicht in Betracht, so daß auf die weiteren Voraussetzungen, welche diese Vorschrift noch enthält, nicht eingegangen zu werden braucht. Ein unrichtiger Feststellungsbescheid kann - auf einen künftigen Stichtag - auch im Wege der Fortschreibung nach § 225 a AO durch einen richtigen Feststellungsbescheid ersetzt werden. Es handelt sich dabei um die sog. Fortschreibung zur Fehlerbeseitigung, die als Wertfortschreibung (BFH-Urteil vom 24. Januar 1952 III 110/50 S, BFHE 56, 209, BStBl III 1952, 84) sowie als Art- und Zurechnungsfortschreibung (BFH-Urteil vom 31. Oktober 1952 III 266/51 S, BFHE 56, 816, BStBl III 1952, 313) und in der Form der Nachfeststellung möglich ist (s. jetzt auch § 222 Abs. 3 BewG 1965). Grundsätzlich wäre es denkbar, einen auf den 1. Januar 1962 festgestellten unrichtigen Einheitswert zum Zwecke der Fehlerbeseitigung auf den 1. Januar 1966 fortzuschreiben. Diese Möglichkeit scheitert hier jedoch an der Antragsfrist. Nach § 225 a AO a. F. konnte der Antrag nur bis zum Ablauf des Kalenderjahres gestellt werden, auf dessen Beginn die Fortschreibung begehrt wurde. So war es zulässig, eine Fortschreibung auf den 1. Januar 1970 durchzuführen, nach dem der Kläger einen entsprechenden Antrag im Dezember 1970 gestellt hatte. Eine Fortschreibung auf den 1. Januar 1966 konnte aber nicht mehr im April 1972 beantragt werden.

Auch eine Umdeutung dieses Antrages in eine Anregung auf eine Fortschreibung von Amts wegen (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juli 1964 III 392/60 U, BFHE 80, 397, BStBl III 1964, 618), die auch zugunsten des Steuerpflichtigen erfolgen kann, führt hier nicht weiter. Bei der Fortschreibung von Amts wegen handelt es sich um eine Ermessensentscheidung des FA. Diese kann von den Gerichten nach § 102 FGO nur auf Ermessensfehler hin überprüft werden. Solche liegen hier jedoch nicht vor. Das FA hat den vom Kläger behaupteten Fehler bereits zum 1. Januar 1970 durch Fortschreibung bzw. Nachfeststellung beseitigt. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, daß dann zur Beseitigung desselben Fehlers in der Regel nachträglich nicht nochmals eine Fortschreibung auf einen früheren Stichtag vorgenommen werden kann (vgl. Urteil vom 16. Januar 1959 III 96/58 U, BFHE 68, 386, BStBl III 1959, 150). Dem Kläger war überdies im Dezember 1970 der Sachverhalt bekannt. Wenn er statt einer Fehlerbeseitigung von Amts wegen auf einen früheren Stichtag anzuregen nur eine solche auf den 1. Januar 1970 beantragt und das FA diese bestandskräftig durchführt, so kann es nicht als ermessensfehlerhaft bezeichnet werden, wenn das FA eine erneute Fehlerbeseitigung ablehnt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71470

BStBl II 1975, 678

BFHE 1975, 426

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