Feststellungsverjährung

Die Regelungen zur Festsetzungsfrist (§§ 169 – 171 AO) gelten sinngemäß auch im Feststellungsverfahren (§ 181 Abs. 1 AO). Besonderheiten ergeben sich bei Einheitswertbescheiden und der Feststellung von Grundsteuerwerten (§ 181 Abs. 3 und 4 AO) sowie aufgrund der Regelung in § 181 Abs. 5 AO, wonach unter bestimmten Voraussetzungen ein Feststellungsbescheid auch nach Ablauf der Feststellungsfrist noch ergehen kann.

Beginn der Feststellungsfrist

Die Feststellungserklärung gilt für den Beginn der Feststellungsfrist aufgrund der Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO als Steuererklärung (§ 181 Abs. 1 Satz 2 AO).

Eine Besonderheit ergibt sich aus § 181 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 3 AO (Steuerfestsetzung auf Antrag) sinngemäß Anwendung findet, wenn eine Erklärung zur gesonderten Feststellung nach § 180 Abs. 2 AO (Feststellung einzelner Besteuerungsgrundlagen aufgrund Rechtsverordnung) ohne Aufforderung der Finanzbehörde abgegeben wird. Kommt es zur Feststellung durch Teilabschlussbescheid (§ 180 Abs. 1a AO), kommt es auf die Steuererklärung an, für deren Besteuerungszeitraum der Teilabschlussbescheid unmittelbar Bindungswirkung entfaltet (§ 181 Abs. 1 Satz 4 AO).

Besonderheiten bei den Grundsteuerwerten

Besonderheiten ergeben sich hinsichtlich des Beginns der Feststellungsfrist bei Einheitswertfeststellungen und Feststellungen der Grundsteuerwerte. Für den Beginn der Feststellungsfrist ist bei zeitpunktbezogenen Feststellungen nicht auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die einheitswertabhängigen Steuern entstanden sind, sondern auf den Ablauf des Kalenderjahrs, auf dessen Beginn die Hauptfeststellung, die Fortschreibung, die Nachfeststellung oder die Aufhebung vorzunehmen ist (§ 181 Abs. 3 Satz 1 AO).

Ist eine Erklärung zur gesonderten Wertfeststellung abzugeben (entweder weil hierzu eine Verpflichtung besteht oder das Finanzamt zur Erklärungsabgabe aufgefordert hat), beginnt die Feststellungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Erklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, auf dessen Beginn die Einheitswertfeststellung vorzunehmen oder aufzuheben ist (§ 181 Abs. 3 Satz 2 AO). Diese Anlaufhemmung hat wiederum zur Folge, dass auch der Beginn der Feststellungsfrist für die weiteren Feststellungszeitpunkte des Hauptfeststellungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben wird (§ 181 Abs. 3 Satz 3 AO).

Die Anlaufhemmung der Feststellungsfrist für die gesonderte Feststellung von Einheitswerten (letztmals auf den 1.1.2024) oder Grundsteuerwerten (erstmals auf den 1.1.2022) nach § 181 Abs. 3 Satz 3 AO ist auch dann anwendbar, wenn zugleich die Voraussetzungen der Anlaufhemmung nach § 181 Abs. 3 Satz 2 AO erfüllt sind. Wird der Beginn der Feststellungsfrist für einen weiteren Feststellungszeitpunkt i. S. d. § 181 Abs. 3 Satz 3 AO mehrfach hinausgeschoben, richtet sich der Beginn der Feststellungsfrist für den weiteren Feststellungszeitpunkt nach der jeweils längsten Anlaufhemmung gem. § 181 Abs. 3 Satz 2 und 3 AO (AEAO zu § 181 Nr. 2).

Die Regelung in § 181 Abs. 4 AO bezieht sich auf Fälle, in denen Einheitswerte oder Grundsteuerwertfeststellungen auf einen früheren Zeitpunkt festgestellt werden, als sie anzuwenden sind. Dadurch wird sichergestellt, das die Feststellungsfrist nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs beginnt, auf dessen Beginn der Einheitswert erstmals steuerlich anzuwenden ist.

Feststellung nach Ablauf der Feststellungsfrist

Eine Besonderheit ergibt sich aus § 181 Abs. 5 AO, wonach eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit noch erfolgen kann, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist.

Die Vorschrift gilt auch für Änderungen und Berichtigungen eines Feststellungsbescheids (FG Berlin-Brandenburg Urteil vom 13.10.2016 - 10 K 10320/15). So kann z.B. ein Einheitswertbescheid bzw. Feststellungsbescheid über Grundbesitzwerte nach Ablauf der Feststellungsfrist insoweit erlassen oder korrigiert werden, als die Festsetzungsfrist für die Grundsteuer noch nicht abgelaufen ist (BFH Urteil vom 11.11.2009 - II R 14/08). Der Feststellungsbescheid muss in diesem Fall mit einem Wirkhinweis, § 181 Abs. 5 Satz 2 AO auf seine eingeschränkte Wirkung hinweisen (BFH Urteil vom 17.08.1989 - IX R 76/88). Der fehlende Hinweis kann jedoch in der Einspruchsentscheidung noch nachgeholt werden, sofern die Festsetzungsfrist für die abhängige Steuer bei Ergehen der Einspruchsentscheidung noch nicht abgelaufen ist (BFH Urteil vom 12.07.2005 - II R 10/04).

Durch den Wirkhinweis muss für das für den Folgebescheid zuständige Finanzamt und für den Steuerpflichtigen erkennbar sein, dass es sich um einen Feststellungsbescheid handelt, der lediglich für solche Steuerfestsetzungen bedeutsam ist, bei denen die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist (BFH Urteil vom 05.02.2014 - X R 1/12). Für den Wirkhinweis reicht es aus, dass die Feststellung für noch nicht verjährte Folgebescheide von Bedeutung ist. Der Hinweis darf jedoch keine konkrete Zeitangabe zu der vermeintlichen Verjährung im Folgebescheidsverfahren enthalten, da Feststellungen zur Festsetzungsverjährung nur im Folgebescheid zu treffen sind (BFH Urteil vom 15.07.2021 - II R 38/19).

Im dreistufigen Feststellungsverfahren (Einheitswert- bzw. Grundsteuerwertfeststellung, Grundsteuer – Messbescheid, Grundsteuerbescheid) wird der Wirkhinweis auf der ersten Stufe (Einheitswert/Grundsteuerwert) unmittelbar auch für die dritte Stufe (Grundsteuerbescheid) erteilt; die zweite Stufe wird übersprungen (BFH Urteil vom 25.11.2020 - II R 3/18).

Fehlt der Hinweis nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO, ist der Feststellungsbescheid zwar rechtswidrig und insoweit anfechtbar, aber nicht nichtig . Wird er bestandskräftig, entfaltet der rechtswidrige Bescheid im Rahmen seiner Bestandskraft uneingeschränkte Bindungswirkung .

Eine Bedarfswertfeststellung ist nach § 181 Abs. 5 AO dem Grunderwerbsteuerbescheid auch dann zugrunde zu legen, wenn dieser innerhalb der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 10 AO auf einen Grundlagenbescheid nach § 17 GrEStG ergangen ist (BFH Urteil vom 25.11.2008 - II R 11/07).

Bei Prüfung der Frage, ob die Festsetzungsfrist für die Steuer, für die die Feststellung von Bedeutung ist, noch nicht abgelaufen ist, bleibt die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 10 AO insoweit außer Betracht. Konkret bedeutet dies, dass sich die Feststellung auf Folgebescheide, deren Festsetzungsfrist bereits abgelaufen ist, nicht mehr auswirken kann. Dabei ist § 169 Abs. 1 Satz 3 AO sinngemäß anzuwenden, d.h. der Feststellungsbescheid muss im Zeitpunkt des Eintritts der Festsetzungsverjährung für die Folgesteuern das FA verlassen haben. Ist dies der Fall, weil der Feststellungsbescheid (ohne Berücksichtigung der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 10 AO) noch rechtzeitig ergeht, wird durch den noch rechtzeitig ergangenen Feststellungsbescheid die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 10 AO für die noch nicht verjährte Steuerfestsetzung in Gang gesetzt. Die Festsetzungsfrist endet insoweit nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des noch rechtzeitig ergangenen Feststellungsbescheids, BFH Urteil vom 19.05.2006 - II B 78/05).

Eine einheitliche und gesonderte Feststellung darf auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist noch durchgeführt oder geändert werden, wenn für einen oder mehrere Beteiligte die Festsetzungsfrist für die Folgesteuer bereits abgelaufen ist, da die einheitliche Wirkung der Feststellung nicht ausgeschlossen, sondern lediglich bei einigen Beteiligten eingeschränkt ist (BFH Urteil vom 20.12.2005 - III S 24/05).

Bei der Feststellung vortragsfähiger Verluste nach § 10d EStG kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit noch erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist – oder Feststellungsfrist – im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die zuständige Finanzbehörde die Feststellung des Verlustvortrags pflichtwidrig unterlassen hat (§ 10d Abs. 4 Satz 6 EStG).

Fazit

Der vorstehende Überblick macht deutlich, dass im Feststellungsverfahren einige vom Festsetzungsverfahren abweichende Regularien gelten und einige Besonderheiten, insbesondere im Hinblick auf die Bindungswirkung von Feststellungen, bestehende Anfechtungsmöglichkeiten und Anfechtungsbeschränkungen gelten, die neben den Sonderregelungen zur Feststellungsverjährung beachtet werden sollten, um keine unliebsamen Überraschungen zu erleiden.

Schlagworte zum Thema:  Abgabenordnung, Verjährung