Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur zulassungsfreien Revision

 

Leitsatz (NV)

1. Mit der Rüge, das FG habe das Recht auf Gehör verwehrt, es habe seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verletzt und die Entscheidung enthalte Grundrechtsverstöße, werden keine Verfahrensfehler i. S. von § 116 Abs. 1 FGO geltend gemacht, die eine zulassungsfreie Revision eröffnen.

2. Zur Auslegung einer von einem Rechtsanwalt und Steuerberater eingelegten Revision, in deren Begründung rein vorsorglich um Zulassung der Revision gebeten wird, ,,wenn das Gericht wegen der Höhe des Streitwerts Zulassungsprobleme haben sollte".

 

Normenkette

FGO § 116 Abs. 1; BFHEntlG Art. 1 Nr. 5

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erließ im Anschluß an eine Steuerfahndungsprüfung gegen den Kläger und Revisionskläger (Kläger) zu den Streitjahren 1972 und 1973 geänderte Einkommensteuerbescheide. Hiergegen ist vor dem Finanzgericht (FG) eine Klage anhängig, über die noch nicht entschieden ist.

Den Antrag, die Vollziehung der diesbezüglichen Steuermehrbeträge auszusetzen, wies das FA zurück. Die nach erfolgloser Beschwerde erhobene Klage hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das FG führte in den Gründen des in diesem Verfahren angefochtenen Urteils zum Hilfsantrag, die Revision zuzulassen, u. a. aus, ,,für die Zulassung der Revision ist kein Raum". In der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils wird darauf hingewiesen, daß die Revision nur statthaft ist, wenn sie - von den Fällen des § 116 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abgesehen - vom FG oder auf diesbezügliche Beschwerde vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen ist.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, das FG habe das Recht auf Gehör verletzt, weil es keine hinreichende Einsicht in die Steuerfahndungsakte gewährt habe. Auf diese Akte habe sich die Entscheidung des Gerichts letzten Endes berufen. Die lediglich dem Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung gewährte kurze Einsichtnahme sei unzulänglich gewesen. Der Bevollmächtigte hätte in die Lage versetzt werden müssen, außergerichtlich mit seinem Mandanten Rücksprache zu nehmen, und diesem hätte ein kontrollierender Vergleich mit seinen Aufzeichnungen ermöglicht werden müssen.

In der Sache rügt der Kläger, die Abschnittsbesteuerung, wie sie im Streitfall durchgeführt worden sei, verletze den Gleichheitsgrundsatz. Die Jahre 1970, 1971 und 1978 hätten bei einer Verluste und Überschüsse ausgleichenden Veranlagung mit den dazwischenliegenden Jahren 1973, 1974 und 1975 zu Steuererstattungen und nicht zu Nachzahlungen geführt. Es sei durch nichts gerechtfertigt, bilanzierende Selbständige, die ihre Verluste vor- bzw. rücktragen könnten, insofern gegenüber Lohnempfängern zu bevorzugen. Die Benachteiligung der Lohnsteuerpflichtigen erfolge zum einen durch die Abschnittsbesteuerung und zum anderen durch § 351 der Abgabenordnung (AO 1977). Auch wenn sich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu diesem Problemkreis bisher nicht geäußert oder eine gegenteilige Auffassung vertreten habe, sei es wegen des Wandels in der allgemeinen Rechtsauffassung heute offenkundig, daß eine gesetzliche Anpassung erfolgen müsse. Wegen der Grundsätzlichkeit und der gewandelten Rechtsauffassung zu diesem Problem werde rein vorsorglich um Zulassung der Revision gebeten, wenn das Gericht wegen der Höhe des Streitwerts rechtliche Zulässigkeitsprobleme haben sollte.

Im übrigen rügt der Kläger, weder im Sachvortrag des Berichterstatters noch sonst sei erörtert worden, ob der Bruder des Klägers ein Entgelt für das Gestatten des Wohnens erhalten habe.

Das Gericht habe keinen Wert auf präsente Beweismittel gelegt, aber in den Urteilsgründen gegenteilig entschieden. Im Protokoll über die mündliche Verhandlung sei die Einsicht in die Steuerfahndungsakte nicht vermerkt. Der Inhalt der Steuerfahndungsakte habe ohne Vertagung und vollständige Einsichtnahmemöglichkeit nicht verwertet werden dürfen. Es seien unzulässigerweise weder Zeugen vernommen noch abgegebene eidesstattliche Versicherungen verlesen worden.

 

Entscheidungsgründe

1. Der Senat geht davon aus, daß der Kläger lediglich eine Revision und nicht daneben - unter einer Bedingung - eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat. Hierfür spricht, daß der von einem Rechtskundigen, einem Notar, Rechtsanwalt und Steuerberater, verfaßte Schriftsatz vom 31. Juli 1990 ausdrücklich als Revision überschrieben ist und der Antrag vorab unter Hervorhebung des unterstrichenen Wortes ,,Revision" gestellt worden ist, während die ,,Bitte" um Zulassung lediglich ,,rein vorsorglich" bei Gelegenheit der Revisionsbegründung geäußert worden ist (vgl. BFH-Beschluß vom 4. Oktober 1989 II R 96/89, BFH/NV 1990, 516). Im übrigen wäre die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig, weil weder ein die Entscheidung des FG tragender konkreter Rechtssatz als klärungsbedürftig dargetan ist noch dargelegt wurde, inwiefern der Entscheidung einer derartigen Rechtsfrage trotz des vorliegenden summarischen Verfahrens über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung zukommen würde (vgl. BFHBeschluß vom 8. Mai 1989 X B 189/88, BFH/NV 1990, 243).

2. Die Revision ist nicht zulässig.

Gemäß Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) findet die Revision, sofern sie nicht nach § 116 FGO statthaft ist, nur statt, wenn das FG oder auf die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der BFH sie zugelassen hat.

Im Streitfall wurde die Revision nicht zugelassen (zum Erfordernis einer ausdrücklichen Zulassung vgl. BFH-Beschluß vom 26. Mai 1988 VIII R 9/88, BFH/NV 1990, 381, m.w.N.). Einer der in § 116 Abs. 1 FGO genannten Verfahrensmängel wurde nicht gerügt. Insbesondere zählt weder die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (vgl. BFH-Beschluß vom 17. Januar 1989 IV R 65/87, BFH/NV 1990, 313) noch die Rüge, das FG habe seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verletzt (vgl. BFH-Beschluß vom 26. Juni 1989 V R 51/89, BFH/NV 1990, 301), zu den in § 116 Abs. 1 FGO aufgeführten Verfahrensfehlern. Auch angebliche Grundrechtsverstöße, die in der Ablehnung des Klagebegehrens liegen sollen, können die zulassungsfreie Revision nicht begründen (BFH-Beschluß vom 14. Februar 1989 IV R 18/88, BFH/NV 1990, 238).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417482

BFH/NV 1991, 403

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