Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulassung der Revision - Begründungsmangel

 

Leitsatz (NV)

1. Für die Zulassung der Revision durch das FG bedarf es eines dahingehenden eindeutigen Ausspruchs in der Vorentscheidung (Tenor, Gründe, ggf. Rechtsmittelbelehrung). Fehlt dieser, so ist die Revision nicht zugelassen.

2. Mit der Rüge, das FG sei auf ein einzelnes Argument oder auf Einzelheiten des Sachverhalts nicht eingegangen, wird kein die zulassungsfreie Revision rechtfertigender Begründungsmangel geltend gemacht.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 1, § 116 Abs. 1 Nr. 5; BFHEntlG Art. 1 Nr. 5

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) gegen einen Abrechnungsbescheid des beklagten und revisionsbeklagten Finanzamts (FA) mit der Begründung ab, die geltend gemachte Zahlungsverjährung sei nicht eingetreten. Die Verjährung sei durch die Zahlungsaufforderung des FA vom Dezember 1986, die ordnungsgemäß adressiert und auch sonst mangelfrei am selben Tage zur Post gegeben worden sei, unterbrochen worden (§ 231 Abs. 1 und 3, § 169 Abs. 1 Nr.1 der Abgabenordnung). Auf den vom Kläger bestrittenen Zugang der Zahlungsaufforderung komme es nicht an (Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 31. Oktober 1989 VIII R 60/88, BFHE 160, 7, BStBl II 1990, 518).

Eine Zulassung der Revision ist im Urteil nicht ausgesprochen worden. Die Rechtsmittelbelehrung enthält insbesondere Hinweise über die Revision, ,,wenn das FG sie zugelassen hat", und über die zulassungsfreie Revision (§ 116 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), ferner Hinweise über die Nichtzulassungsbeschwerde.

Der Kläger hat Revision eingelegt, die er für zugelassen bzw. für zulassungsfrei statthaft hält (§ 116 Abs. 1 Nr.5 FGO). Er führt aus, Urteilstenor und Entscheidungsgründe ließen nicht erkennen, daß die Revision nicht zugelassen sei. Daraus und aus den Ausführungen der Rechtsmittelbelehrung betreffend die Revision sei zu schließen, daß die Zulassung erfolgt sei. Eine mangelfreie Belehrung über das konkret gegebene Rechtsmittel liege nicht vor. Im übrigen sei die Vorentscheidung nicht erschöpfend begründet worden. In seinem wesentlichen, vom FG aber übergangenen Vortrag, er (Kläger) habe die Zahlungsaufforderung nicht erhalten, müsse auch die Behauptung gesehen werden, daß die Zahlungsaufforderung möglicherweise nicht im Dezember 1986 gefertigt worden sei und sie das FA zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht verlassen habe. Es sei nicht dargelegt, wie das FG festgestellt habe, ob das Schreiben tatsächlich den Bereich des FA verlassen habe. Insoweit sei die Vorentscheidung nicht mit Gründen versehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist durch Beschluß, ohne mündliche Verhandlung, zu verwerfen, weil sie unzulässig ist (§ 124, § 126 Abs. 1, § 121, § 90 Abs. 1 Satz 2 FGO). Sie ist weder zugelassen worden noch zulassungsfrei statthaft.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, mithin nicht kraft Zulassung gegeben (vgl. Art. 1 Nr.5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs). Die Zulassung bedarf eines eindeutigen Ausspruchs; sie ist nicht darin zu sehen, daß es an einer ausdrücklichen Entscheidung über die Nichtzulasung fehlt (ständige Rechtsprechung; etwa BFH, Beschluß vom 27. November 1990 IV R 46/90, BFH/NV 1991, 335 m.N.; Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 115 Anm.40). Den erforderlichen Ausspruch über die Zulassung der Revision enthält die Vorentscheidung weder im Tenor noch in den Gründen oder in der Rechtsmittelbelehrung; Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht eingelegt worden. Mängel der Rechtsmittelbelehrung - hier übrigens nicht gegeben - verlängern zwar die Rechtsmittelfrist auf ein Jahr (§ 55 Abs. 2 FGO), rechtfertigen aber nicht die Annahme, daß die Revision zugelassen sei.

Die Revision ist auch nicht nach § 116 Abs. 1 Nr.5 FGO zulassungsfrei statthaft. Ein Begründungsmangel im Sinne dieser Vorschrift liegt nicht vor. Eine Entscheidung ist nicht mit Gründen versehen, wenn entweder jegliche Begründung fehlt oder wenn ein selbständiger Anspruch bzw. ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel übergangen ist, das den vollständigen Tatbestand einer mit selbständiger Wirkung ausgestatteten Rechtsnorm darstellt (z.B. BFH, Beschluß vom 30. Juli 1990 V R 49/87, BFH/NV 1991, 325; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Anm.2, § 119 Anm.25); nicht ausreichend ist es, daß der Angriff oder die Verteidigung auf ein einzelnes Tatbestandselement einer Rechtsnorm gestützt wird (vgl. auch BFH, Urteil vom 6. März 1985 II R 240/83, BFHE 143, 393, 395, BStBl II 1985, 494; Senat, Beschlüsse vom 25. Januar 1988 VII R 101/87, BFH/NV 1988, 580, und vom 18. April 1989 VII R 14/88, BFH/NV 1990, 169). In Betracht kommt im Streitfall allein die Rüge, das FG habe ein selbständiges Verteidigungsmittel (mangels Unterbrechung eingetretene Verjährung) nicht berücksichtigt. Eine dahingehende schlüssige Rüge kann der Revisionsbegründung jedoch nicht entnommen werden. Der Kläger, der selbst vorträgt, daß das FG den Zugang des ,,Aufforderungsschreibens" nicht für erforderlich gehalten habe, und damit einräumt, daß das FG die Frage der Verjährung (hier: Unterbrechung durch schriftliche Geltendmachung des Anspruchs) behandelt hat, vermißt allein nähere Feststellungen darüber, ob die Zahlungsaufforderung tatsächlich den Bereich der Finanzbehörde verlassen habe (und ob eine weitere Aufforderung ergangen sei). Hierin liegt lediglich die Rüge, daß das FG auf ein einzelnes Argument oder auf Einzelheiten des Sachverhalts nicht eingegangen sei. Mit ihr wird nicht geltend gemacht, daß die Vorentscheidung nicht mit Gründen versehen ist (vgl. auch Beschluß in V R 49/87, Nr.2b). Dies träfe nur zu, wenn behauptet worden wäre, daß das FG die Frage der Verjährung, auf die der Kläger sich beruft, gänzlich übergangen habe. Derartiges ist aber nicht vorgetragen worden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418639

BFH/NV 1993, 260

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