Entscheidungsstichwort (Thema)

Akteneinsicht, Berichtigungsbeschluß und Rechtsschutzbedürfnis

 

Leitsatz (NV)

Entscheidungen des FG über die Art und Weise der beantragten Akteneinsicht sind grundsätzlich beschwerdefähig. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde gegen die Versagung der Akteneinsicht entfällt jedoch, wenn das Klageverfahren, in dessen Rahmen die Akteneinsicht begehrt wurde, rechtskräftig abgeschlossen ist. Gleiches gilt dann hinsichtlich der Beschwerde gegen einen Beschluß, mit dem das FG seinen Beschluß über die Versagung der Akteneinsicht wegen fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung berichtigt hat.

 

Normenkette

FGO § 78 Abs. 1, §§ 107, 128 Abs. 1-2

 

Tatbestand

In der Klageschrift vom 6. Juni 1995 hatte der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) ohne nähere Begründung beantragt, ihm gemäß § 78 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Akteneinsicht in seiner Kanzlei zu gewähren. Auf Verfügung des Bericht erstatters vom 9. November 1995 wurden die Akten am 13. November 1995 an den Beklagten, Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) zu dem Zweck versandt, dem Kläger dort bis zum 20. Dezember 1995 Gelegenheit zur Akteneinsicht zu geben. Der davon in Kenntnis gesetzte Kläger hat von dieser Gelegenheit keinen Gebrauch gemacht.

Durch Beschluß des Vorsitzenden vom 7. November 1996 hat das Finanzgericht (FG) den Antrag des Klägers auf Akteneinsicht in der Kanzlei abgelehnt, weil dafür keine besonderen Gründe geltend gemacht worden und auch sonst nicht festzustellen seien. Dem Anliegen des Klägers sei dadurch hinreichend Rechnung getragen worden, daß ihm Gelegenheit gegeben worden sei, die den Rechtsstreit betreffenden Akten beim FA seines Wohn- und Bürositzes einzusehen. Statt einer Rechtsmittelbelehrung war angegeben: "Rechtsbehelfsbelehrung Beschwerde".

Dieser Beschluß wurde noch am selben Tag hinsichtlich der offensichtlich fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung berichtigt und dem Kläger in berichtigter Fassung, d. h. mit ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung, erneut zugestellt.

Ebenfalls am 7. November 1996 verfügte der Vorsitzende, die Akten an das FA zu versenden, um dem Kläger dort erneut die Möglichkeit der Akteneinsicht zu bieten. Darüber wurde der Kläger mit Schreiben der Urkundsbeamtin des FG-Senats vom selben Tag unterrichtet und gebeten, beim FA einen Termin zwecks Akteneinsicht zu vereinbaren. Die Frist zur Akteneinsicht war bis zum 20. November 1996 bestimmt; die Akten sollten ausweislich der Verfügung bis spätestens 25. November 1996 wieder zurück beim FG sein; für den 29. November 1996 war Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt. Der Kläger hat die Gelegenheit der Einsichtnahme in die Akten erneut nicht wahrgenommen.

Mit Telefax-Schriftsatz vom 11. November 1996 hat der Kläger gegen die Verfügung des Berichterstatters vom 9. November 1995, die Akten an das FA zu versenden, um dort dem Kläger Gelegenheit zur Einsichtnahme zu geben, Beschwerde eingelegt. Mit weiterem Telefax-Schriftsatz vom 12. November 1996 hat der Kläger auch Beschwerde gegen die drei Beschlüsse des FG vom 7. November 1996 (Ablehnung des Antrags auf Akteneinsicht in der Kanzlei, Berichtigungsbeschluß hinsichtlich der Rechtsmittelbelehrung, neu zugestellten berichtigten Beschluß) sowie eine weitere Beschwerde gegen die Verfügung des Vorsitzenden vom 7. November 1996, erneut Akteneinsicht beim FA zu gewähren und zu diesem Zweck dort einen Termin zu vereinbaren, eingelegt.

Der Kläger ist der Ansicht, weder der Berichterstatter noch der Vorsitzende hätten über seinen Antrag auf Akteneinsicht befinden dürfen, sondern es hätte der Senat des FG entscheiden müssen. Die Akteneinsicht hätte, wie beantragt, in seiner Kanzlei gewährt werden müssen, weil gerichtsbekannt sei, daß er zu 70 % körperbehindert sei. Außerdem wendet sich der Kläger gegen das bei der Berichtigung des Beschlusses eingeschlagene Verfahren.

Das FG hat die Klage des Klägers mit Urteil vom 29. November 1996 als unzulässig abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Gegen das am 27. Dezember 1996 dem Kläger zugestellte Urteil ist ein Rechtsmittel nicht eingelegt worden. Den Beschwerden hat das FG mit Beschluß vom 16. Dezember 1996 nicht abgeholfen und dabei darauf hingewiesen, daß der Kläger nach Kenntnis des Senats in seiner Gehfähigkeit nicht eingeschränkt sei.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerden werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden (§ 121 FGO analog i. V. m. § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO).

2. Die Beschwerden sind unzulässig.

Entscheidungen des FG über die Art und Weise der beantragten Akteneinsicht sind keine prozeßleitenden Verfügungen i. S. des § 128 Abs. 2 FGO, so daß gegen sie grundsätzlich die Beschwerde gegeben ist (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 24. März 1981 VII B 64/80, BFHE 133, 8, BStBl II 1981, 475). Ob allerdings die Verfügungen des Berichterstatters vom 9. November 1995 und des Vorsitzenden vom 7. November 1996, deren Inhalt dem Kläger jeweils durch Schreiben der Urkundsbeamtin des FG-Senats mitgeteilt wurde, als beschwerdefähige Entscheidungen des Berichterstatters bzw. des Vorsitzenden i. S. des § 128 Abs. 1 FGO anzusehen sind, läßt der Senat offen (verneinend zur Rechtslage vor dem 1. Januar 1993 BFH- Beschluß vom 19. Juni 1991 VIII B 145/90, BFH/NV 1992, 184).

Die Beschwerden, die sich im Kern allesamt gegen die Versagung der Akteneinsicht in der Kanzlei des Klägers richten, sind jedenfalls deshalb unzulässig, weil das Rechtsschutzbedürfnis für sie entfallen ist. Das Klageverfahren, in dessen Rahmen die Akteneinsicht begehrt wurde, ist durch FG- Urteil vom 29. November 1996 abgeschlossen worden. Das Urteil ist -- laut Auskunft der Geschäftsstelle beim FG -- rechtskräftig geworden, weil der Kläger kein Rechtsmittel dagegen eingelegt hat. Damit steht fest, daß eine Entscheidung des BFH über die Akteneinsicht nicht mehr geeignet ist, dem Rechtsschutz des Klägers zu dienen (BFH-Beschlüsse vom 28. September 1972 VII B 70/72, BFHE 107, 100, BStBl II 1973, 18; vom 7. Oktober 1987 II B 55/87, BFH/NV 1988, 646; vom 9. November 1995 XI B 174, 175/95, BFH/NV 1996, 415).

Dies -- fehlendes Rechtsschutzbedürfnis -- gilt auch für die Beschwerde gegen den Berichtigungsbeschluß des FG vom 7. November 1996, soweit dieser als solcher, d. h. unabhängig von dem Begehren nach Akteneinsicht, angefochten sein sollte (BFH-Beschluß vom 18. August 1992 V B 209/91, BFH/NV 1993, 479). Ferner hat der Kläger dazu auch nicht dargelegt und es ist auch nicht erkennbar, inwiefern die nun korrekte Rechtsmittelbelehrung eine Beschwer begründen soll. Eine Beschwer durch einen Beschluß über eine Urteils- bzw. eine Beschlußberichtigung ist nur geltend gemacht, wenn der Beschwerdeführer schlüssig darlegt, daß die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Urteils bzw. des Beschlusses nach § 107 FGO dem Grunde nach nicht vorgelegen haben oder daß die Berichtigung selbst fehlerhaft durchgeführt worden ist (BFH-Beschluß vom 18. Juni 1986 V S 5/86, BFH/NV 1986, 621).

 

Fundstellen

Haufe-Index 422205

BFH/NV 1997, 599

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