Leitsatz (amtlich)

Die Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Gesuchs um Ablehnung eines Richters des Finanzgerichts ist unzulässig, wenn das Finanzgericht bereits in der Sache entschieden hat.

 

Normenkette

FGO §§ 51, 128

 

Tatbestand

Mit dem an das FG gerichteten Schriftsatz vom 9. März 1972 lehnte der Beschwerdeführer den für seine Rechtssache bestimmten Berichterstatter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Dieser habe von sich aus ohne Antrag einer Partei eine eidesstattliche Versicherung einer Firma eingeholt, um die eidesstattliche Versicherung eines in Holland wohnenden Zeugen zu entkräften. Der Berichterstatter habe ferner anläßlich der Vernehmung des Zeugen A völlige Voreingenommenheit gegen dessen Aussagen an den Tag gelegt. Das FG lehnte mit Beschluß vom 13. März 1972 den Antrag ab. Der Beschwerdeführer habe zum Teil sein Ablehnungsrecht durch späteres Verhandeln vor dem abgelehnten Richter verloren; im übrigen sei der Antrag unbegründet. Auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14. März 1972, zu der weder der Beschwerdeführer noch sein Prozeßbevollmächtigter erschienen waren, wurde durch Endurteil der Klage des Beschwerdeführers teilweise stattgegeben. Gegen den Beschluß, durch den das Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt worden war, legte der Beschwerdeführer die Beschwerde, gegen das Urteil die Revision ein. Er begründet seine Beschwerde damit, das Verhalten des Berichterstatters des FG bei der Vernehmung bestimmter Zeugen und das Einholen eidesstattlicher Versicherungen Dritter und deren Bekanntgabe an ihn erst kurz vor der mündlichen Verhandlung habe ihm Anlaß gegeben, diesen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Auch in seiner Revisionsbegründung hat der Beschwerdeführer auf seinen vor dem FG gestellten Ablehnungsantrag Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde ist unzulässig.

Ein nach § 51 FGO in Verbindung mit §§ 42, 44 ZPO angebrachtes Ablehnungsgesuch hat das Ziel, den aus begründetem Mißtrauen an seiner Unparteilichkeit für befangen erklärten Richter an der weiteren Prozeß- oder Verfahrensleitung und insbesondere an dem Erlaß einer Sachentscheidung zu hindern. Daraus ergibt sich, daß ein Ablehnungsgesuch sachlich auf die jeweilige Instanz des betreffenden Prozesses oder Verfahrens beschränkt ist und nicht mehr angebracht werden kann, wenn der betreffende Richter, gegen dessen Unparteilichkeit der Verfahrensbeteiligte Mißtrauen hegt, den vor ihm eröffneten Rechtszug durch eine Sachentscheidung, z. B. durch ein Endurteil, schon beendet hat. Ein erst nach Ergehen der Endentscheidung angebrachtes Ablehnungsgesuch ist verspätet und nicht geeignet, die schon getroffene Endentscheidung abzuändern; denn eine Änderung der Entscheidung ist nur mit den dafür gegebenen Rechtsbehelfen, z. B. der Revision gegen die über eine Klage ergangene Endentscheidung des FG, möglich.

Diese Grundsätze sind auch auf eine noch anhängige Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs anzuwenden, wenn, wie im vorliegenden Streitfall, zwischenzeitlich die Endentscheidung des FG ergangen ist. Die nach § 128 FGO gegebene Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung (Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 51 Rdnr. 43). Ist somit ein Ablehnungsgesuch als unbegründet oder unzulässig zurückgewiesen worden, kann selbst eine hiergegen eingelegte Beschwerde das Gericht einschließlich des bislang erfolglos abgelehnten Richters nicht daran hindern, die Endentscheidung in der Sache zu fällen. Ob es allerdings angebracht ist, im Einzelfall so zu verfahren, ist eine Frage der Zweckmäßigkeit. Das Gericht geht unter Umständen das Risiko ein, daß seine Endentscheidung auf den hiergegen erhobenen Rechtsbehelf wegen Verfahrensmangels aufgehoben wird. So hat auch im vorliegenden Streitfall der Beschwerdeführer seine inzwischen eingelegte Revision unter anderem darauf gestützt, daß die Ablehnungsgründe gegen den Berichterstatter des FG zu Recht bestanden hätten.

Hat es das FG demgegenüber für angebracht gehalten, nach Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs die Endentscheidung in der Sache selbst zu erlassen, kann die mit der Beschwerde gegen diese Zurückweisung verfolgte Ablehnung ihr Ziel nicht mehr erreichen, die Sachentscheidung des für befangen erklärten Richters zu verhindern. Die verfahrensrechtliche Lage, auf der die Beschwerde beruht und die ihren Inhalt bestimmt, ist damit überholt. Denn selbst für den Fall, daß die Beschwerde für begründet erachtet würde, wäre damit das den Beschwerdeführer belastende Urteil des FG nicht beseitigt. Schon in dem Beschluß des Reichsgerichts VII 49/07 vom 23. April 1907 (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 66 S. 46) ist ausgesprochen, daß eine solche Beschwerde zwecklos und gegenstandslos geworden sei. Dem ist die überwiegende Zahl veröffentlichter Entscheidungen der OLG gefolgt.

Im Schrifttum sind die Meinungen geteilt. Stein-Jonas (Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., § 46 Anm. II), Wieczorek (Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, § 46 B II b 1 ZPO) und v. Wallis-List (in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1.-6. Aufl., § 51 FGO, Rdnr. 24) sehen die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs im Falle des Ergehens der Sachentscheidung noch nicht für gegenstandslos und damit nicht für unzulässig an. Demgegenüber halten andere, insbesondere das Schrifttum zum Verwaltungsprozeßrecht (Eyermann-Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 5. Aufl., § 54 Rdnr. 16; Redeker-von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., § 54 Rdnr. 18; Ziemer-Birkholz, a. a. O., Rdnr. 44), die Beschwerde nach Ergehen des Endurteils deshalb für gegenstandslos, weil noch im Rechtsbehelfsverfahren gegen das Endurteil geprüft werden kann, ob der Richter zu Recht abgelehnt worden ist. Diese Auffassung vertritt im Ergebnis auch Baumbach-Lauterbach (Zivilprozeßordnung, 30. Aufl., § 46 Anm. 2) und Rosenberg (Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 10. Aufl., S. 105).

Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. Schließlich kann niemand von den Gerichten eine Entscheidung verlangen, von der im Zeitpunkt dieser Entscheidung feststeht, daß sie nicht mehr geeignet ist, dem Rechtsschutz des Antragstellers in der betreffenden Instanz zu dienen. Ein solches Verlangen ist unzulässig. Weiterhin ist zu bedenken, daß der Beschwerdeführer die Möglichkeit hatte, von der er tatsächlich Gebrauch gemacht hat, nach Erlaß des Endurteils des FG den nach seiner Auffassung durch die Zurückweisung der Richterablehnung gegebenen Verfahrensmangel zu rügen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70150

BStBl II 1973, 18

BFHE 1973, 100

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