Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine selbständige Anfechtbarkeit von Ausführungen über etwaige Ablehnungsgründe gegen beteiligte Richter in einer Sachentscheidung

 

Leitsatz (NV)

Macht das FG in einer Sachentscheidung Ausführungen über etwaige mißbräuchliche Ablehnungsgründe gegen an der Entscheidung beteiligte Richter, so sind diese Ausführungen nicht selbständig mit der Beschwerde anfechtbar. Das gilt erst recht, wenn kein Ablehnungsantrag gestellt worden ist.

 

Normenkette

FGO §§ 51, 128

 

Tatbestand

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) machten mit dem Einspruch gegen den Bescheid über Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Streitjahr (1989) u. a. geltend, daß der im Einkommensteuertarif berücksichtige Grundfreibetrag und die bei der Steuerfestsetzung gewährten Kinderfreibeträge aus verfassungsrechtlichen Gründen zu niedrig seien. Da der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) trotz Aufforderung zu einer klagefähigen Entscheidung keine Einspruchsentscheidung erließ, erhoben sie Untätigkeitsklage.

In der mündlichen Verhandlung setzte der Vorsitzende Richter des Finanzgerichts (FG) nach Vortrag des wesentlichen Inhalts der Akten dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger eine Frist von zwei Minuten für die Erklärung zu der Frage, ob und ggf. auf welche nicht in einer Checkliste aufgeführten Ablehnungsgründe ein etwaiges Ablehnungsvorbringen gestützt werden solle. Diese Checkliste war dem Prozeßbevollmächtigten in einer vorausgegangenen mündlichen Verhandlung in einem ebenfalls von ihm vertretenen Parallelfall eines anderen Steuerpflichtigen überreicht worden und enthielt eine Aufzählung von Ablehnungsgründen gegen das FG, die der Prozeß bevollmächtigte in zahlreichen Parallel verfahren anderer Steuerpflichtiger geltend gemacht hatte und die vom FG jeweils als mißbräuchlich oder jedenfalls als unbeachtlich angesehen worden waren. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung stellte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger innerhalb der ihm gesetzten Frist keinen Ablehnungsantrag, sondern andere prozessuale Anträge. Als das FG ihm dann eine Frist von wiederum zwei Minuten zur Stellung eines Sachantrags setzte, warf der Prozeßbevollmächtigte dem Vorsitzenden Richter des FG unsachliche Verfahrensweise vor und versuchte, die Klage zu begründen. Einen Sachantrag stellte er innerhalb der Frist nicht. Die mündliche Verhandlung wurde daraufhin geschlossen.

Das FG wies die Untätigkeitsklage als unzulässig ab. In den Urteilsgründen führte es aus, daß die Checkliste erarbeitet worden sei, um mißbräuchlichen Ablehnungsgesuchen mit Verzögerungseffekt zu begegnen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des FG legten die Kläger Beschwerde ein. In dem Beschwerdeschreiben, mit dem zugleich Revision eingelegt wurde, führte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger am Schluß aus, daß er auch gegen die Entscheidung des FG in dem angegriffenen Urteil, wonach das Gesuch der Klägerseite auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters des FG als unzulässig zu verwerfen sei, im Auftrag der Kläger Beschwerde einlege. Zur Beschwerdebegründung bezog er sich "auf die in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Ablehnungsgründe" und auf einen beigefügten Schriftsatz in Parallelverfahren anderer Steuerpflichtiger. Im übrigen kündigte er eine weitere Begründung der Beschwerde an, die jedoch nicht erfolgte.

 

Entscheidungsgründe

Der erkennende Senat wertet die Ausführungen am Schluß des Schriftsatzes über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht als bloße unselbständige Verfahrensrüge im Rahmen der gegen das Urteil eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde, sondern als selbständige Beschwerde. Zwar hat der Senat mit Beschluß vom 8. Mai 1992 III B 123/92 (BFH/NV 1993, 244) in einem ähnlichen Fall anderer Steuerpflichtiger, die ebenfalls von dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger vertreten wurden, entsprechende Ausführungen wie in der Beschwerdeschrift des Streitfalles aus Kostengründen nicht als selbständiges Rechtsmittel angesehen. Eine solche Auslegung ist jedoch im Streitfall nicht möglich. Da der Prozeßbevollmächtigte der Kläger in Kenntnis der Entscheidung des Senats in BFH/NV 1993, 244 im Streitfall wiederum ausdrücklich neben der Nichtzulassungsbeschwerde und der Revision Beschwerde gegen die Verwerfung eines angeblichen Ablehnungsgesuchs einlegt und dazu sogar noch eine eigene Begründung ankündigt, kann dies nur so verstanden werden, daß es sich um eine selbständige Beschwerde handeln soll.

Diese Beschwerde ist unzulässig.

Zwar ist die Zurückweisung eines Antrags auf Ablehnung eines Richters mit der Beschwerde anfechtbar. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Beschwerde ist aber immer, daß ein Antrag auf Ablehnung eines Richters gestellt und dieser Antrag vom FG zurückgewiesen worden ist.

Im Streitfall hat der Prozeßbevollmächtigte der Kläger keinen Ablehnungsantrag gegen einen Richter des FG gestellt. Denn weder aus den Akten des FG noch aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung ist ein solcher Antrag ersichtlich. Das FG hat daher auch keinen solchen Antrag zurückgewiesen. Die Beschwerde der Kläger geht deshalb ins Leere.

Allerdings hat das FG in den Urteilsgründen Ausführungen zu der dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger überreichten Checkliste über etwaige Ablehnungsgründe gemacht und dabei dargelegt, daß durch diese Liste mißbräuchlichen Ablehnungsgründen begegnet werden sollte. Diese Ausführungen in den Urteilsgründen sind nicht selbständig mit der Beschwerde anfechtbar. Eine selbständige Anfechtbarkeit wäre nicht einmal dann gegeben, wenn sie einen Bezug zu einem tatsächlich gestellten Ablehnungsantrag hätte (vgl. Senatsbeschluß in BFH/NV 1993, 244). Erst recht können sie nicht selbständig angefochten werden, wenn überhaupt kein Ablehnungsantrag vorlag.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421193

BFH/NV 1996, 611

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