Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurückweisung eines Richterablehnungsgesuchs in den Gründen der Sachentscheidung

 

Leitsatz (NV)

1. Ein gesonderter Beschluß über die Ablehnung am Verfahren beteiligter Richter ist nicht erforderlich, wenn das Ablehnungsgesuch mißbräuchlich ist.

2. Führt das FG in den Urteilsgründen aus, daß es das Ablehnungsgesuch für mißbräuchlich hält, ist das Urteil insoweit nicht selbständig mit der Beschwerde anfechtbar.

3. Ein Ablehnungsgesuch ohne Darlegung von Ablehnungsgründen ist unbeachtlich.

 

Normenkette

FGO §§ 51, 128

 

Tatbestand

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) machten mit dem Einspruch gegen den Steuerbescheid für das Streitjahr (1989) u. a. geltend, daß der im Einkommensteuertarif berücksichtigte Grundfreibetrag aus verfassungsrechtlichen Gründen zu niedrig sei. Da der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) trotz Aufforderung zu einer klagefähigen Entscheidung keine Einspruchsentscheidung erließ, erhoben sie Untätigkeitsklage. In der mündlichen Verhandlung setzte der Vorsitzende Richter des Finanzgerichts (FG) nach Vortrag des wesentlichen Inhalts der Akten dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger eine Frist von zwei Minuten für die Erklärung zu der Frage, ob und ggf. auf welche nicht in einer Checkliste aufgeführten Ablehnungsgründe ein etwaiges Ablehnungsvorbringen gestützt werden solle. Diese Checkliste war dem Prozeßbevollmächtigten in einer vorausgegangenen mündlichen Verhandlung in einem ebenfalls von ihm vertretenen Parallelfall eines anderen Steuerpflichtigen überreicht worden und enthielt eine Aufzählung von Ablehnungsgründen gegen das FG, die der Prozeßbevollmächtigte in zahlreichen Parallelverfahren anderer Steuerpflichtiger geltend gemacht hatte und die vom FG jeweils als mißbräuchlich oder jedenfalls als unbeachtlich angesehen worden waren. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung stellte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger innerhalb der ihm gesetzten Frist keinen Ablehnungsantrag, sondern andere prozessuale Anträge. Als das FG ihm dann eine Frist von wiederum zwei Minuten zur Stellung eines Sachantrags setzte, beantragte er, den Vorsitzenden abzulehnen. Eine Begründung behalte er sich für später vor. Der Vorsitzende Richter des FG teilte dem Prozeßbevollmächtigten daraufhin mit, "daß der Senat in solchen bereits vorberatenen Fällen das Ablehnungsgesuch als rechtsmißbräuchlich und deshalb unbeachtlich" ansehe. Die mündliche Verhandlung wurde daraufhin geschlossen.

Das FG wies die Untätigkeitsklage als unzulässig ab. In den Urteilsgründen führte es zu dem Ablehnungsgesuch aus, daß die Checkliste erarbeitet worden sei, um mißbräuchlichen Ablehnungsgesuchen mit Verzögerungseffekt zu begegnen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des FG legten die Kläger Beschwerde ein. In dem Beschwerdeschreiben, mit dem zugleich Revision eingelegt wurde, führte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger am Schluß aus, daß er auch gegen die Entscheidung des FG in dem angegriffenen Urteil, wonach das Gesuch der Klägerseite auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters des FG als unzulässig zu verwerfen sei, im Auftrag der Kläger Beschwerde einlege. Zur Beschwerdebegründung bezog er sich "auf die in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Ablehnungsgründe" und auf einen beigefügten Schriftsatz in Parallelverfahren anderer Steuerpflichtiger. Im übrigen kündigte er eine weitere Begründung der Beschwerde an, die jedoch nicht erfolgte.

 

Entscheidungsgründe

Der erkennende Senat wertet die Ausführungen am Schluß des Schriftsatzes über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht als bloße unselbständige Verfahrensrüge im Rahmen der gegen das Urteil eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde, sondern als selbständige Beschwerde. Zwar hat der Senat mit Beschluß vom 8. Mai 1992 III B 123/92 (BFH/NV 1993, 244) in einem ähnlichen Fall anderer Steuerpflichtiger, die ebenfalls von dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger vertreten wurden, entsprechende Ausführungen wie in der Beschwerdeschrift des Streitfalls aus Kostengründen nicht als selbständiges Rechtsmittel angesehen. Eine solche Auslegung ist jedoch im Streitfall nicht möglich. Da der Prozeßbevollmächtigte der Kläger in Kenntnis der Entscheidung des Senats in BFH/NV 1993, 244 im Streitfall wiederum ausdrücklich neben der Nichtzulassungsbeschwerde und der Revision Beschwerde gegen die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs eingelegt hat und auch noch eine eigene Begründung angekündigt hat, kann dies nur so verstanden werden, daß es sich um eine selbständige Beschwerde handeln soll.

Diese Beschwerde ist unzulässig.

Die Zurückweisung eines Antrags auf Ablehnung eines Richters ist nur dann selbständig mit der Beschwerde anfechtbar, wenn sie durch gesonderten Beschluß erfolgt (vgl. Senatsbeschluß in BFH/NV 1993, 244). Ein solcher gesonderter Beschluß ist nicht erforderlich, wenn das Ablehnungsgesuch mißbräuchlich ist (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 51 Rdnr. 57 mit Rechtsprechungsnachweisen). In solchen Fällen kann das Gericht in den Urteilsgründen darlegen, daß es das Ablehnungesuch für rechtsmißbräuchlich hält. Diese Urteilsgründe können nicht selbständig angefochten werden; sie unterliegen der Prüfung nur im Rahmen von Rechtsmitteln gegen das Urteil.

Im Streitfall hat das FG das Ablehnungsgesuch der Kläger gegen den Vorsitzenden als rechtsmißbräuchlich angesehen und mithin darüber nicht in einem gesonderten Beschluß, sondern in den Urteilsgründen befunden. Es hat deshalb dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger in der mündlichen Verhandlung nur mitgeteilt, daß es einen Mißbrauchsfall für gegeben halte. Es hat dann diese mitgeteilte Ansicht in den Urteilsgründen bestätigt und begründet.

Im Streitfall hatte das FG im übrigen auch keinen Anlaß, über das Ablehnungsgesuch gesondert zu entscheiden. Der Prozeßbevollmächtigte der Kläger hat den Ablehnungsantrag nämlich erst gegen Schluß der mündlichen Verhandlung gestellt und nicht begründet. Eine Begründung hat er ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung erst für später angekündigt.

Während der mündlichen Verhandlung lag daher kein Ablehnungsgesuch vor, in dem die Gründe für die Ablehnung dargelegt worden waren. Ein unbegründetes Ablehnungsgesuch ist unbeachtlich. Denn gemäß § 51 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 44 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozeßordnung muß ein ordnungsgemäßes Ablehnungsgesuch eine substantiierte und nachvollziehbare Darlegung des Ablehnungsgrundes enthalten.

 

Fundstellen

BFH/NV 1996, 611

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