Entscheidungsstichwort (Thema)

Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses für eine Nichtzulassungsbeschwerde

 

Leitsatz (NV)

Wird dem mit der Klage gegen einen Feststellungsbescheid verfolgten sachlichen Begehren durch Änderung der Einkommensteuerbescheide als Folgebescheide im Ergebnis voll entsprochen, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Das Rechtsschutzbedürfnis für das Beschwerdeverfahren entfällt.

 

Normenkette

EStG §§ 10d, 15a; FGO § 115 Abs. 3, § 138

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) - eine GmbH & Co. KG - wurde im Jahr 1973 gegründet. In den Jahren 1983 bis 1986 erwirtschaftete die Klägerin Verluste. In der Bilanz auf den 31. Dezember 1986 war ein negatives Eigenkapital von ... DM ausgewiesen.

Gesellschafter der Klägerin waren im Streitjahr 1987 die Gebrüder X-GmbH und A.Z. als persönlich haftende Gesellschafter und elf weitere Personen als Kommanditisten.

Ab dem Veranlagungszeitraum 1985 wurden bezüglich aller Kommanditisten die diesen zugerechneten Verlustanteile als verrechenbare Verluste nach § 15a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) festgestellt.

In dem geänderten Feststellungsbescheid für das Streitjahr vom 18. Mai 1989 verrechnete der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) die für das Vorjahr festgestellten Anteile der Kommanditisten am verrechenbaren Verlust mit den Gewinnanteilen des Streitjahres und setzte die verbleibenden Anteile am verrechenbaren Verlust für die beigeladenen Kommanditisten wie folgt fest: ...

Die Kommanditisten haben in ihren Einkommensteuererklärungen 1984 aufgrund der ihnen für dieses Jahr zugewiesenen Anteile am Verlust der Klägerin (die Kommanditistin B.X. zusätzlich aufgrund des Verlustanteils 1983 in der Einkommensteuererklärung 1983) negative Gesamtbeträge der Einkünfte erklärt, so daß ihnen nach § 10d EStG Verlustvorträge zustanden.

Mit ihrem Einspruch gegen den geänderten Feststellungsbescheid 1987 machte die Klägerin geltend, das FA habe zu Unrecht die im Streitjahr festgestellten Gewinnanteile der Kommanditisten mit den Anteilen am verrechenbaren Verlust der Jahre 1985 und 1986 saldiert. Richtigerweise hätten bei der Gewinnfeststellung 1987 zunächst die in den Jahren 1983 und 1984 entstandenen und in diesen Jahren nicht ausgeglichenen Verlustanteile gemäß § 10d EStG von den für das Streitjahr festgestellten Gewinnanteilen abgezogen werden müssen. Die Verlustvorträge aus den Jahren 1983 und 1984 drohten aufgrund des Vorgehens des FA verlorenzugehen, da ein unbefristeter Verlustvortrag nach § 10d Abs. 2 EStG 1990 erstmals für den Veranlagungszeitraum 1985 möglich sei (§ 52 Abs. 13d EStG 1990).

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hat die Revision nicht zugelassen.

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, der das FG nicht abgeholfen hat, macht die Klägerin geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung.

Durch Verfügung vom 12. Juni 1992 hat die Oberfinanzdirektion (OFD) angeordnet, daß bei einem Sachverhalt, wie er im Streitfall zu beurteilen sei, im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung der Kommanditisten aus Billigkeitsgründen die Reihenfolge der Verrechnung von Gewinnen aus der Beteiligung an einer KG mit verrechenbaren Verlustanteilen i.S. des § 15a EStG und einem bestehenden Verlustvortrag nach § 10d EStG umgekehrt werden könne. Nach dem übereinstimmenden Sachvortrag der Beteiligten sind die Einkommensteuerbescheide 1987 für die Kommanditisten der Klägerin auf Antrag ihres Prozeßbevollmächtigten im Sinne dieser Anweisung geändert worden.

Die Klägerin hat daraufhin zunächst das Verfahren für in der Hauptsache erledigt erklärt und beantragt, dem FA die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Das FA hat jedoch der Erledigungserklärung der Klägerin widersprochen. Eine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache sei nicht eingetreten, weil nur die Einkommensteuer-Folgebescheide der Kommanditisten, nicht aber der mit der Klage angefochtene Gewinnfeststellungsbescheid 1987 vom FA geändert worden sei. Dieser Auffassung hat sich die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 17. Dezember 1992 angeschlossen. Durch die Änderung der Einkommensteuerbescheide der beigeladenen Kommanditisten im Billigkeitswege sei das Bedürfnis nach einer gerichtlichen Klärung der strittigen Rechtsfrage nicht entfallen. Vielmehr mache die Anweisung der OFD vom 12. Juni 1992 deutlich, wie schwerwiegend die steuerrechtlichen Folgen einer unzutreffenden Auslegung des § 15a Abs. 2 EStG für alle von dieser Vorschrift betroffenen Steuerpflichtigen seien. Die Frage, in welcher Reihenfolge nicht ausgeglichene Verluste mit späteren Gewinnanteilen zu verrechnen seien, betreffe eine Vielzahl von Steuerpflichtigen. Auch deshalb sei die grundsätzliche Bedeutung der Streitsache zu bejahen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

1. Der Senat kann offenlassen, ob die grundsätzliche Bedeutung der streitigen Rechtsfrage in der Beschwerdeschrift ausreichend dargelegt ist. Jedenfalls ist die Beschwerde unzulässig, weil das Rechtsschutzbedürfnis für eine Zulassung der Revision gegen das Urteil des FG mit der Änderung der Einkommensteuerbescheide der Kommanditisten aufgrund der Anordnung der OFD entfallen ist. Zwar hat das FA dem Klageantrag nicht durch Änderung des angefochtenen Feststellungsbescheids stattgegeben. Dem sachlichen Begehren der Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren ist jedoch durch die Änderung der Einkommensteuerbescheide als Folgebescheide im Ergebnis in vollem Umfang entsprochen worden (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Juni 1972 VII B 153/70, BFHE 106, 20, BStBl II 1972, 707; vom 24. Juni 1986 III R 293/84, BFH/NV 1986, 760; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 138 FGO Tz. 3). Der Rechtsstreit ist damit in der Hauptsache erledigt. Der Klägerin steht ein schutzwürdiges Interesse an einer Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und einer Änderung des angefochtenen Feststellungsbescheids 1987 im Umfang des Klageantrags nicht mehr zur (vgl. hierzu BFH-Beschlüsse vom 5. März 1979 GrS 4/78, BFHE 127, 147, BStBl II 1979, 375, und GrS 3/78, BFHE 127, 155, BStBl II 1979, 378). Ein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, daß die unverändert gebliebenen Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung des Gewinns und des verrechenbaren Verlusts für das Streitjahr notwendig Auswirkungen auf die Feststellung des verrechenbaren Verlusts im Folgejahr haben (vgl. § 15a Abs. 4 Satz 2 EStG, § 182 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Denn die Wohnsitz-FÄ der Gesellschafter sind aufgrund der Anweisung der OFD und nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet, die steuerrechtlichen Konsequenzen aus der vorrangigen Verrechnung der Gewinnanteile des Jahres 1987 mit den nach § 10d EStG abziehbaren Verlustanteilen des Jahres 1984 auch bei den Einkommensteuerveranlagungen der Folgejahre zu ziehen.

Da das im Hauptverfahren verfolgte Begehren gegenstandslos geworden ist, hat sich zugleich das Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision in der Hauptsache erledigt (BFH-Beschluß vom 28. Februar 1989 V B 52/88, BFH/NV 1990, 575).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat kann nicht gemäß § 138 Abs. 1 FGO über die Kosten des Verfahrens entscheiden, da die Beteiligten keine übereinstimmenden Erledigungserklärungen abgegeben haben (BFH-Beschluß in BFHE 127, 147, 154, BStBl II 1979, 375).

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 728

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