AfD unterliegt Bundesinnenminister Seehofer beim BVerfG

Das BVerfG hat einen Eilantrag der AfD gegen Bundesinnenminister abgewiesen. Die AfD hatte wegen verschiedener Äußerungen Seehofers, der sie als staatszersetzend und demokratiefeindlich bezeichnet hatte, das BVerfG angerufen. Sie sah durch deren Veröffentlichungen auf der offiziellen Seite des Innenministeriums die Chancengleichheit im Parteienwettbewerb verletzt.

Das „Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat“ hatte auf seiner Internetseite ein Interview von Bundesinnenminister Seehofer veröffentlicht, das dieser Ende September 2018 der Deutschen Presseagentur gegeben hatte. In dem Interview äußerte der Minister,

  • die AfD, stelle sich gegen den deutschen Staat,
  • die AfD sei gegen die demokratische Staatsform eingestellt, „da können sie tausendmal sagen, sie sind Demokraten“.
  • einige Abgeordnete verhielten sich staatszersetzend.

Seehofer fühlte sich durch AfD-Abgeordnete im Bundestag provoziert

Anlass für das Interview Seehofers war u.a. die Forderung der AfD, im Bundestag eine Diskussion über den Haushalt des Bundespräsidenten zu führen. Da dieser für ein Konzert gegen Rassismus geworben hatte, bei dem auch die zeitweise vom Verfassungsschutz beobachtete Punkband „Feine Sahne Fischfilet“ aufgetreten war, war die AfD der Auffassung, dass der Etat des Bundespräsidenten auf den Prüfstand gehöre. Die in diesem Zusammenhang von AfD-Abgeordneten getätigten Äußerungen im Bundestag hatte Seehofer als unflätig und ungehörig gegenüber dem Amt des Bundespräsidenten empfunden.

AfD begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen Seehofer

Sowohl die AfD als Partei als auch die AfD-Bundestagsfraktion hatten darauf beim BVerfG beantragt, dem Bundesinnenminister zu untersagen, auf den Internetseiten des Bundesinnenministeriums oder in sonstigen Schriften und Veröffentlichungen diese oder ähnliche Äußerungen zu tätigen.

AfD rügt Verletzung der Chancengleichheit

Durch die Äußerungen Seehofers auf der offiziellen Seite des Innenministeriums sah die AfD  sich ihrem in ihrem Recht auf Chancengleichheit im Parteienwettbewerb verletzt und rügte einen Verstoß gegen Art. 21 Abs. 1 GG.

  • Regierungsmitglieder seien zu politischer Neutralität verpflichtet, wenn sie im Rahmen der Autorität ihres Amtes aufträten.
  • Mit Veröffentlichung des Interviews auf der Homepage des Ministeriums habe Seehofer Ressourcen in Anspruch genommen, die ihm allein aufgrund seines Ministeramtes zur Verfügung stünden, während diese Ressourcen politischen Wettbewerbern verschlossen seien.
  • Damit habe er die Grenzen der zulässigen Teilnahme des Inhabers eines Regierungsamtes am politischen Meinungskampf überschritten
  • und das Gebot der Neutralität und Fairness verletzt.

Seehofer ließ Interview von Homepage entfernen

Das Bundesinnenministerium hat das Interview am 1.10.2018 von der Homepage entfernt. Das Ministerium betonte allerdings, dass es in dem Interview keinen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot sehe. Die Veröffentlichung eines Interviews einer Presseagentur unter Angabe des Datums der Veröffentlichung und der beteiligten Journalisten auf der Internetseite eines Ministeriums stelle keine spezifische Inanspruchnahme der Autorität des Ministeriums dar und könne daher das Neutralitätsgebot nicht verletzen. Die AfD nahm ihren Antrag dennoch nicht zurück, da es ihr nicht nur um die Löschung des Interviews gehe,  sondern auch darum, dass der Minister seine Anwürfe nicht wiederhole.

BVerfG weist Antrag ab

Das BVerfG wies den Eilantrag zurück. Gemäß § 32 Abs. 1 BVerfG komme eine vorläufige Entscheidung vor Anhängigkeit eines Verfahren zur Hauptsache durch eine einstweilige Anordnung nur dann in Betracht,

  • wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile,
  • zur Verhinderung drohender Gewalt oder
  • aus einem anderen wichtigen Grund des Allgemeinwohls dringend geboten sei.

Die materiellrechtlichen Gründe, die für oder gegen eine Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme sprächen, müssten bei der vorläufigen Entscheidung außer Betracht bleiben,

es sei denn die Hauptsache erweise sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet.

Nur als Partei könnte die AfD ein Organstreitverfahren beantragen

Im Hauptsacheverfahren käme nach Auffassung der Verfassungsrichter im konkreten Fall ein Organstreitverfahren in Betracht. Ein Organstreit auf Antrag der AfD-Fraktion sei aber unzulässig,

  • da Parlamentsfraktionen zwar notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens sind
  • und in einem Organstreitverfahren grundsätzlich die Verletzung oder unmittelbare Gefährdung von Rechten des gesamten Parlaments geltend machen könnten,
  • nicht aber eigene Fraktionsrechte.
  • Solche könne eine Fraktion nur im innerparlamentarischen Raum geltend machen.
  • Hierzu gehöre das Recht auf Chancengleichheit im Wettbewerb der politischen Parteien nach Art. 21 Abs. 1 GG nicht.
  • Dieses Recht könne die AfD nur als Partei geltend machen.

BVerfG sieht keine Wiederholungsgefahr

Das BVerfG wies ergänzend darauf hin, dass eine Organstreitigkeit nur dann zulässig ist, wenn die gerügte Maßnahme oder Unterlassung objektiv vorliegt. Entsprechendes gelte nach ständiger Rechtsprechung im Verfahren der einstweiligen Anordnung (BVerfG, Beschluss v. 23.1.2004, 1 BvQ 4/99).

  • Nach Löschung des Interviews auf der Homepage des Ministeriums, daure die beanstandete Maßnahme aber nicht mehr an.
  • Soweit der anhängige Antrag darauf abziele, dem Bundesinnenminister zu untersagen, seine Aussage in Zukunft zu wiederholen, sei der Antrag auf vorbeugenden Rechtsschutz gerichtet, für den im Rahmen von § 32 BVerfGG aber kein Raum sei.
  • Auch die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes erfordere den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung nicht, da konkrete Anhaltspunkte dafür fehlten, dass der Innenminister beabsichtige, die angegriffenen Äußerungen unter Rückgriff auf die Autorität seines Regierungsamts zu wiederholen.

Schon die Löschung der Äußerungen auf der Homepage sprächen dafür, dass eine Wiederholung der Äußerungen nicht beabsichtigt sei.

Auch im übrigen spreche nichts für eine Wiederholungsgefahr.

Antragsabweisung ohne Präjudiz für das Hauptsacheverfahren

Im Ergebnis verneinte das Gericht das für ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren erforderliche Rechtsschutzbedürfnis sowohl der Partei als auch der AfD-Fraktion. Das BVerfG betonte aber auch, dass es über die Rechtmäßigkeit der beanstandeten Veröffentlichung auf der Homepage des Ministeriums in der Hauptsache nicht entschieden habe. Eine inhaltliche Bewertung könne erst im Hauptsacheverfahren erfolgen, also im Rahmen eines Organstreitverfahrens.

AfD wertet die Niederlage als Sieg

Die AfD wertete den Ausgang des Verfahrens als Erfolg „gegen den politischen Geisterfahrer Seehofer“.

Im Kern habe man nämlich Recht bekommen, denn Seehofers Interview würde nicht weiter verbreitet, erklärte der Justiziar der AfD-Bundestagsfraktion Stephan Brandner.

(BVerfG, Beschluss v. 30.10.2018, 2 BvQ 90/18).

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