Das Wichtigste in Kürze:

1. Jeder Zeuge ist nach § 57 zu belehren.
2. Zusätzlich zur allgemeinen Zeugenbelehrung gem. § 57 sieht § 52 Abs. 3 S. 1 die Belehrung des Zeugen vor, dem als Angehöriger ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht.
3. Der Zeuge kann auf ein ihm ggf. zustehendes ZVR verzichten.
4. Die Belehrung des Zeugen ist vor jeder neuen Vernehmung zu wiederholen, auch wenn er in einer früheren Vernehmung schon auf sein Weigerungsrecht hingewiesen worden ist und verzichtet hatte.
5. Ist die Belehrung nach § 52 Abs. 3 S. 1 vergessen worden, kann sie nachgeholt werden. Ob die (nachgeholte) Belehrung den Hinweis auf die Unverwertbarkeit der früheren Aussage enthalten muss, ist streitig.
6. Unterbleibt die Belehrung über das ZVR, darf die Aussage des Zeugen nicht verwertet werden.
7. Der Zeuge ist, wenn Anlass dazu besteht, ggf. auch über ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 zu belehren.
 

Rdn 4081

 

Literaturhinweise:

Geppert, Die "qualifizierte" Belehrung, in: Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, 1990, S. 93

Gerst (Hrsg.), Zeugen in der Hauptverhandlung, 2. Aufl. 2020

Ladiges, Zeugnisverweigerungsrecht und Zwischenrechtsbehelf, JuS 2011, 226

Leipold, Zulässige Einwirkung und Belehrung von Zeugen durch den Verteidiger, StraFo 1998, 79

Neuhaus, Zur Notwendigkeit der qualifizierten Beschuldigtenvernehmung – zugleich Anmerkung zu LG Dortmund NStZ 1997, 356, NStZ 1997, 312

Schünemann, Die Belehrungspflichten der §§ 243 IV, 136 n.F. StPO und der BGH, MDR 1969, 102

Stollenwerk, Belastungszeugen im Visier von Konfliktverteidigern, DRiZ 2017, 240

s.a. die Hinw. bei → Zeuge, Allgemeines, Teil V Rdn 4071, und bei → Zeuge, Vernehmung, Allgemeines, Teil Z Rdn 4151.

 

Rdn 4082

1.a) In der HV werden die Zeugen, wenn sie bereits bei Beginn der HV erschienen sind, zuweilen gleichzeitig nach dem Aufruf der Sache (§ 243 Abs. 1 S. 1; → Gang der Hauptverhandlung, Aufruf der Sache, Teil G Rdn 1946) belehrt. Das ist zulässig (LR-Ignor/Bertheau, § 57 Rn 3). Später erschienene oder geladene Zeugen werden i.d.R. (erst) vor ihrer Vernehmung belehrt (s.a. Nr. 130 RiStBV).

 

Rdn 4083

b) Die allgemeine Zeugenbelehrung ist in § 57 geregelt (zum ZVR Teil Z Rdn 4084; zur Belehrung über ein → Auskunftsverweigerungsrecht Teil A Rdn 462 ff. u. Teil Z Rdn 4095). Sie wird vom Vorsitzenden ausgeführt, in dessen Ermessen die Form der Belehrung steht (BayObLGSt 1978, 154). Meist ermahnt er die Zeugen zur Wahrheit und belehrt sie darüber, dass sie ggf. vereidigt werden (§ 57 S. 2). Die Belehrung soll nach Nr. 130 RiStBV in das Protokoll aufgenommen werden. Ob es sich dabei um eine wesentliche Förmlichkeit i.S.d. § 273 handelt, sodass die Vermutung des § 274 gilt, ist str. (abl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 57 Rn 5 m.w.N.; KK-Bader, § 57 Rn 7; bejahend andererseits ders., § 52 Rn 38; im Zusammenhang mit einer sog. "qualifizierten Belehrung" ebenfalls bejahend BGH, Beschl. v. 25.8.2020 – 2 StR 202/20, NStZ 2021, 58; zu den Besonderheiten der Belehrung eines kindlichen Zeugen Deckers NJW 1999, 1367: vgl. a. noch Stollenwerk DRiZ 2017, 240).

 

☆ § 57 ist eine nur im Interesse des Zeugen erlassene Ordnungsvorschrift , so dass mit ihrer Verletzung die Revision grds. nicht begründet werden kann ( Meyer-Goßner/Schmitt , § 57 Rn 7 m.w.N.; zur sog. Beruhensfrage u.a. BGH NStZ 1990, 549 f.; 1991, 398 [6-jährige Zeugin]; 1995, 218 [K] m.w.N.; s. aber Teil Z Rdn  4094 ).Ordnungsvorschrift, so dass mit ihrer Verletzung die Revision grds. nicht begründet werden kann (Meyer-Goßner/Schmitt, § 57 Rn 7 m.w.N.; zur sog. Beruhensfrage u.a. BGH NStZ 1990, 549 f.; 1991, 398 [6-jährige Zeugin]; 1995, 218 [K] m.w.N.; s. aber Teil Z Rdn 4094).

 

Rdn 4084

2.a)aa) Zusätzlich zur allgemeinen Zeugenbelehrung gem. § 57 sieht § 52 Abs. 3 S. 1 die Belehrung des Zeugen vor, dem als Angehöriger ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht (→ Zeuge, Zeugnisverweigerungsrecht, Teil Z Rdn 4242). Auch diese Belehrung obliegt dem Vorsitzenden, der sie nicht einem Dritten überlassen darf (st.Rspr.; s.u.a. BGHSt 9, 195; zuletzt BGH NStZ 1997, 349 [für Übertragung auf einen SV]). Die Belehrung erfolgt i.d.R. nach der → Vernehmung des Zeugen zur Person, Teil V Rdn 3672, und vor der → Vernehmung des Zeugen zur Sache, Teil V Rdn 3681. Sie muss mündlich erfolgen und dem Zeugen eine Vorstellung von der Bedeutung des ihm zustehenden ZVR vermitteln, ferner so verständlich sein, dass der Zeuge das Für und Wider seiner Aussage abwägen kann (BGHSt 32, 26; BGH NStZ 2006, 647). Es kann ausreichen, dass der Zeuge darauf hingewiesen wird, ihm stehe ein ZVR zu, "falls" er zu den Angehörigen i.S.d. § 52 Abs. 1 gehört. Das gilt aber nur, wenn der Zeuge weiß, dass er Angehöriger des Angeklagten ist. Geht der Zeuge davon aus, dass er das nicht (mehr) ist, bedarf es einer ergänzenden Belehrung (BGH, a.a.O.). Der Vorsitzende muss aber nicht darauf hinweisen, dass die Aussage auch dann verwertbar bleibt, wenn der Zeuge in einer späteren HV die Aussage verweigert (BGH, a.a.O.; NStZ 1985, 36). Ggf. ist der Zeuge auch darüber zu infor...

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