Das Wichtigste in Kürze:

1. Gem. § 68 Abs. 1 beginnt die Vernehmung eines Zeugen mit der Vernehmung zur Person.
2. Nach § 68 Abs. 2 S. 2 soll der Vorsitzende, wenn begründeter Anlass zu der Besorgnis besteht, dass bei dem Zeugen eine Gefahrenlage besteht oder dass auf Zeugen oder eine andere Person in unlauterer Weise eingewirkt werden wird, gestatten, statt seines Wohnortes seinen Geschäfts- oder Dienstort oder eine andere ladungsfähige Anschrift anzugeben.
3. Nach § 68 Abs. 3 kann besonders gefährdeten Personen, z.B. verdeckten Ermittlern oder V-Leuten, die Angabe ihrer Personalien gänzlich erlassen werden; haben sie inzwischen eine andere Identität erhalten, können von ihnen nur Angaben über ihre frühere Identität verlangt werden. Nach dem neuen § 68 Abs. 3 S. 3 dürfen diese Zeugen ihr Gesicht verhüllen.
4. Nach § 68a Abs. 2 S. 1 können dem Zeugen auch Fragen gestellt werden, die seine Glaubwürdigkeit in der Sache, insbesondere seine Beziehungen zu dem Angeklagten oder dem Verletzten, betreffen.
 

Rdn 3673

 

Literaturhinweise:

Deutscher, Die Erörterung der Vorstrafen von Zeugen, NStZ 2012, 359

Gerst (Hrsg.), Zeugen in der Hauptverhandlung, 2. Aufl. 2020

Lehmann, Zeugenschutz durch nachträgliche Schwärzung von Aktenbestandteilen, StraFo 2016, 326

Leineweber, Die Entbindung von der Wohnortangabe bei der Vernehmung eines Zeugen zur Person gem. § 68 Satz 2 StPO, MDR 1985, 635

Nelles, Der Zeuge – ein Rechtssubjekt, kein Schutzsubjekt, NJ 1998, 449

N. Nestler, Die verschleierte Zeugin in der Hauptverhandlung, HRRS 2016, 127

Rebmann/Schnarr, Der Schutz des gefährdeten Zeugen im Strafverfahren, NJW 1989, 1188

Renzikowski, Fair trial und anonymer Zeuge – Die Drei-Stufen-Theorie des Zeugenschutzes im Lichte der Rechtsprechung des EuGHMR, JR 1999, 605

Roggan, Der polizeiliche Zeugenschutz in der Hauptverhandlung – Fragen und Antworten im Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetz, GA 2012, 434

Soine, Polizeilicher Zeugenschutz, NJW 1999, 3688

Soine/Engelke, Das Gesetz zur Harmonisierung des Schutzes gefährdeter Zeugen (Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetz – ZSHG), NJW 2002, 470

Soine/Soukup, "Identitätsänderung", Anfertigung und Verwendung von "Tarnpapieren", Möglichkeiten der Strafverfolgungsorgane zum Schutz gefährdeter Zeugen vor kriminellen Organisationen, ZRP 1994, 466

Sommer, Auskunftsverweigerungsrecht des gefährdeten Zeugen, StraFo 1998, 8

Wagner, V-Personen und Zeugenschutz. Das ZSch­Gesetz und seine Auswirkungen auf den Einsatz von V-Personen, Krim 2000, 167

s.a. die Hinw. bei → Verwertung der Erkenntnisse eines (gesperrten) V-Mannes, Teil V Rdn 3866, und bei → Zeugen, Vernehmung, Allgemeines, Teil Z Rdn 4151, m.w.N.

 

Rdn 3674

1. Gem. § 68 Abs. 1 beginnt die Vernehmung eines Zeugen mit der Vernehmung zur Person. Der Zeuge wird über Vor- und Zunamen, Alter, Stand oder Gewerbe und Wohnort befragt. Diese Angaben muss grds. jeder Zeuge, auch der zeugnisverweigerungsberechtigte, beantworten, da durch sie eine verlässliche Grundlage für die Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit und die Möglichkeit, Erkundigungen einzuholen, geschaffen werden soll (Meyer-Goßner/Schmitt, § 68 Rn 1 m.w.N.; Gerst/Gerst, Teil 2 § 68 Rn 4 ff.). Nach überwiegender Meinung ist die Weigerung des Zeugen, Angaben zur Person zu machen, kein Grund, nach § 70 Ordnungsmittel gegen den Zeugen festzusetzen (vgl. die Nachw. bei Meyer-Goßner/Schmitt, § 70 Rn 1; s.a. OLG Hamburg NStZ 2002, 386 m.w.N. [jedenfalls dann nicht, wenn die Identität des Zeugen zweifelsfrei feststeht]; zur – bejahten – Frage, ob von der voll verschleierten Zeugin verlangt werden kann, den Vollgesichtsschleier abzulegen N. Nestler HRRS 2016, 126, 127 ff.).

 

Rdn 3675

2.a) Nach § 68 Abs. 2 S. 1 soll der Vorsitzende, wenn begründeter Anlass zu der Besorgnis besteht, dass bei dem Zeugen eine Gefahrenlage besteht oder dass auf Zeugen oder eine andere Person in unlauterer Weise eingewirkt werden wird, gestatten, statt seiner vollständigen Anschrift seinen Geschäfts- oder Dienstort oder eine andere ladungsfähige Anschrift anzugeben. Nach § 68 Abs. 2 S. 2 kann ihm zudem in richterlichen Vernehmungen in Anwesenheit des Beschuldigten und der HV gestattet werden, den Wohnort nicht anzugeben, falls die Möglichkeit nach § 68 Abs. 2 S. 1 nicht ausreicht (vgl. a. Gerst/Gerst, Teil 2 § 68 StPO Rn 13 ff.). Nach dem neuen § 68 Abs. 4 S. 4 (eingeführt durch das am 1.7.2021 in Kraft getretene Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften, BGBl I, S. 2099) muss die Staatsanwaltschaft im Fall des Abs. 2 S. 1 von Amts wegen eine Auskunftssperre bei der Meldebehörde veranlassen, wenn der Zeuge zustimmt.

 

☆ Gegen die Gestattung oder die Nichtgestattung kann gem. § 238 Abs. 2 das Gericht angerufen ­werden.§ 238 Abs. 2 das Gericht angerufen ­werden.

Das Merkmal der Gefährdung ist eng auszulegen; bloße Belästigungen reichen nicht aus. Es muss sich stets um eine erhebliche Gefährdung handeln (BGH NStZ 1989, 237; Meyer-Goßner/Schmitt, § 68 Rn 12 m.w.N.; KK-Slawik, § 68 Rn 7). Auf andere Perso...

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