Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Vernehmung von Zeugen hat in der Praxis des Strafverfahrens erhebliche Bedeutung. In fast jedem Verfahren werden in der HV Zeugen vernommen.
2. Gegenstand einer Zeugenaussage sind Tatsachen – auch innere –, nicht Meinungen, Schlussfolgerungen und Wertungen.
3. Von besonderer Bedeutung kann im Strafverfahren die Reihenfolge der Zeugenvernehmungen sein.
4. Es kann in Betracht kommen, für die Dauer der Aussage eines Zeugen den Ausschluss der Öffentlichkeit zu beantragen, und zwar sowohl zum Schutz des Angeklagten als auch zum Schutz des zu vernehmenden Zeugen.
5. Der Zeuge wird zunächst zur Person und dann zur Sache vernommen.
 

Rdn 4152

 

Literaturhinweise:

Arntzen, Untere Altersgrenze der Zeugeneignung, DRiZ 1976, 20

Arntzen, Psychologie der Zeugenaussage, 5. Aufl. 2011

Barton, Einführung in die Strafverteidigung, § 14 Vernehmungslehre

Burhoff, Erscheinenspflicht für Zeugen bei der Polizei – 25 Fragen – 25 Antworten, VA 2018, 72

Gerst, Der Zeuge auf Skype – Verteidigung mit Videotechnik, StraFo 2013, 103

ders., Vorhalt und § 253 StPO, StraFo 2018, 273

ders. (Hrsg.), Zeugen in der Hauptverhandlung, 2. Aufl. 2020

Jansen, "Da bin ich mir ganz sicher" – Zur subjektiven Gewissheit des Zeugen, in: Festschrift für Egon Müller, 2008, S. 309

dies., Zeuge und Aussagepsychologie, 2. Aufl. 2012; Kassebohm, Zeugen richtig befragen, NJW 2009, 200

Meyer, Die Vernehmung der richterlichen Verhörsperson trotz § 252 StPO, StV 2015, 319

Miebach, Die freie Beweiswürdigung der Zeugenaussage in der neueren Rechtsprechung des BGH, NStZ-RR 2016, 329

N. Nestler, Die verschleierte Zeugin in der Hauptverhandlung, HRRS 2016, 127

Rostek, Die ständige Missachtung des § 69 StPO, StraFo 2011, 386

Schlothauer, Darf, soll, muß sich ein Zeuge auf seine Vernehmung in der Hauptverhandlung vorbereiten?, in: Festschrift für Hans Dahs, 2005, S. 457

Sommer, Fragen an den Zeugen – Vorhalte an das Recht – Rechtliche Baustellen auf dem Weg zur Konturierung eines Fragerechts, StraFo 2010, 102

Wendler/Hoffmann, Technik und Taktik der Befragung im Gerichtsverfahren, 2009

s.a. die Hinw. bei → Zeuge, Allgemeines, Teil Z Rdn 4071 sowie → Vernehmung des Zeugen zur Sache, Teil V Rdn 3682, und bei den u.a. weiterführenden Stichwörtern.

 

Rdn 4153

1. Die Vernehmung von Zeugen hat in der Praxis des Strafverfahrens erhebliche Bedeutung. In fast jedem Verfahren werden in der HV Zeugen vernommen. Wegen dieser Bedeutung der Zeugenaussagen für das Strafverfahren ist es für den Verteidiger einerseits von besonderer Bedeutung, Aufgabe und Funktion des Zeugen im Strafprozess richtig zu erkennen und zum Zeugen ein der Sache dienliches, möglichst gutes Verhältnis zu erlangen (Dahs, Rn 567; zu den Grundlagen und der Ausgestaltung des Verhältnisses zum Zeugen Dahs, Rn 211 ff.). Andererseits muss der Verteidiger die Kunst der Zeugenvernehmung beherrschen und dabei insbesondere mit den Grundsätzen der Vernehmungstechnik und der Aussagepsychologie vertraut sein (Dahs, Rn 588 f.).

 

Rdn 4154

Auf alle Einzelheiten kann hier nicht eingegangen werden. Insoweit wird wegen der umfangreichen Lit. zur Zeugenvernehmung allgemein auf die o.a. Lit.-Hinw. sowie im Einzelnen wegen der Vernehmungstechnik auf die eingehende Darstellung bei Wendler/Hoffmann (Technik und Taktik der Befragung im Gerichtsverfahren), bei Barton (Einführung in die Strafverteidigung, § 14) und bei Gerst/Gerst, Teil 1, Rn 1 ff.) verwiesen (zu Frageformen und Fragetechnik auch Sommer, Rn 836 ff.). Entsprechendes gilt für die umfangreiche Lit. zum Zeugenschutz (vgl. insoweit a. die weiterführenden Hinw. bei Soiné/­Engelke NJW 2002, 470 ff. und den weiterführenden Stichwörtern).

 

Rdn 4155

2. Gegenstand einer Zeugenaussage sind Tatsachen – auch innere –, nicht Meinungen, Schlussfolgerungen und Wertungen (KK-Bader, vor § 48 Rn 1; s.a. → Beweisantrag, Formulierung: Zeugenbeweis, Teil F Rdn 1127, mit Antragsmuster, Teil B Rdn 1135; → Beweisantrag, Inhalt, Teil B Rdn 1158). Allerdings kann der Zeuge zur näheren Kennzeichnung seiner tatsächlichen Beobachtungen Schlussfolgerungen und Wertungen verwenden, die er seiner Lebenserfahrung entnommen hat (BGH NStZ 1981, 94 [Pf]).

 

Rdn 4156

3. Von besonderer Bedeutung kann im Strafverfahren die Reihenfolge der Zeugenvernehmungen sein. Der Verteidiger muss versuchen, die Bestimmung der Reihenfolge nicht allein dem Gericht zu überlassen, da z.B. die Bekundungen der zuerst vernommenen Zeugen i.d.R. nachhaltiger in Erinnerung bleiben. Allerdings ist es grds. Sache des Vorsitzenden, die Reihenfolge der Vernehmungen zu bestimmen (vgl. u.a. BGH NJW 1962, 260; KK-Bader, § 58 Rn 3 m.w.N.), sodass der Verteidiger meist keine bestimmte Reihenfolge durchsetzen kann. Er sollte ggf. aber versuchen, durch eine → Beweisanregung, Teil A Rdn 987, auf die Reihenfolge Einfluss zu nehmen. So ist z.B. besonders darauf zu achten, dass ein Verhörsbeamter, der nur "mittelbarer" Zeuge ist, nicht vor dem unmittelbaren Zeugen vernommen wird (BGH NJW 1952, 556; Meyer-Goßner/Schmitt, § 58 Rn 4 [unzulässig]). E...

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