Das Wichtigste in Kürze:

1. Das AVR aus § 55 setzt voraus, dass der Zeuge sich oder einen der in § 52 Abs. 1 genannten Angehörigen der Gefahr der Strafverfolgung aussetzt, wenn er mit seinen Angaben entweder sich oder seinen Angehörigen in die Gefahr einer Verfolgung bringt.
2. Das AVR räumt grds. nicht das Recht ein, das Zeugnis insgesamt zu verweigern. Nur wenn, wie bei Tatbeteiligten, der gesamte Inhalt der Aussage die Voraussetzungen erfüllt, wird das AVR praktisch zum Recht, die Aussage insgesamt zu verweigern.
3. Für das Bestehen/Nichtbestehen eines AVR gibt es zahlreiche Rechtsprechungsbeispiele.
4. Der Zeuge muss in der HV über sein Recht, ggf. die Auskunft auf bestimmte Fragen verweigern zu dürfen, belehrt werden.
5. Der Verteidiger muss ggf. auf die richtige Belehrung seines Mandanten hinwirken. Der Zeugenbeistand muss sich darauf einstellen, dass gegen seinen Mandanten ggf. Zwangsmaßnahmen ergriffen werden.
 

Rdn 463

 

Literaturhinweise:

Ahlbrecht/Bögers, Rechtsschutz gegen die Gewährung eines Auskunftsverweigerungsrechtes (§ 55 StPO) für den gemäß § 59 IRG vernommenen Entlastungszeugen, ZIS 2008, 218

Beyer, Befragung von Selbstan­zeige-Erstattern als Zeugen gegen Bankmitarbeiter?, NWB 2014, Heft 51, 3878

Bosbach, Ungeschriebene strafprozessuale Zeugnisverweigerungsrechte im Verhältnis zwischen Strafverteidiger und Mandant nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens gegen den Mandanten? – Zugleich eine Besprechung von OLG Koblenz – 2 Ws 618, 620/071 und BVerfG – 2 BvR 112/08, NStZ 2009, 177

Dahs, Das Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 StPO – immer wieder ein Problem, NStZ 1999, 386

Dahs/Langkeit, Das Schweigerecht des Beschuldigten und seine Auskunftsverweigerung als "verdächtiger Zeuge", NStZ 1993, 213

Dölling, Verlesbarkeit schriftlicher Erklärungen und Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO, NStZ 1988, 6

Eisenberg, Schutzbelange des als "Beteiligter" beurteilten Kindes im Strafverfahren gegen den volljährigen Beschuldigten, GA 2001, 153

Gallandi, Gleichzeitige Verletzung der §§ 55 und 136a StPO, NStZ 1991, 119

Klein, Die Aussageerzwingung bei rechtskräftig verurteilten Straftätern – Strafrechtspflege im Spannungsfeld von Verfolgungsgebot und Rechtsstaatlichkeit, StV 2006, 338

König, Nähere Auskünfte über die Verweigerung, in: Festschrift für Christian Richter II, 2006, S. 307

Langkeit/Cramer, Vorrang des Personalbeweises bei gemäß § 55 StPO schweigenden Zeugen, StV 1996, 230

Lenk/Glöckle, Das Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO bei der Gefahr ausländischer Strafverfolgung – zugleich Anmerkung zu BGH, Beschl. v. 27.3.2019 – 4 StR 541/18, StV 2020, 484

Lohberger, Zur Auslegung des § 55 StPO – Wann erstarkt das Auskunftsverweigerungsrecht zum umfassenden Schweigerecht?, in: Festschrift für Egon Müller, 2008, S. 411

Marlie, Zu den Voraussetzungen des Auskunftsverweigerungsrechts gemäß § 55 StPO – Zugleich eine Anmerkung zu BVerfG, Beschl. v. 21.4.2010 – 2 BvR 504/08, 2 BvR 1193/08, ZIS 2017, 230

Mitsch, Protokollverlesung nach berechtigter Auskunftsverweigerung (§ 55 StPO) in der Hauptverhandlung, JZ 1992, 174

Rengier, Die Zeugnisverweigerungsrechte im geltenden und künftigen Strafverfahrensrecht: Grundlagen, Reformfragen und Stellung im System der Beweisverbote und im Revisionsrecht, 1979

Richter II, Aussageverweigerungsrechte von Zeugen als Bestandteil der Verteidigungsstrategie, StraFo 1990, 87

ders., Auskunft über die Verweigerung, StV 1996, 457

ders., Auskunft über die Verweigerung, in: Festgabe für Heino Friebertshäuser, 1997, S. 158

Rinio, Das Auskunftsverweigerungsrecht des tatbeteiligten Zeugen, JuS 2008, 600

Sommer, Auskunftsverweigerungsrecht des gefährdeten Zeugen, StraFo 1998, 8

Tondorf, Der aktive Zeugenbeistand – Ein Störenfried oder ein Stück aus dem Tollhaus, StV 1996, 511

Weidemann, Aussageverweigerung eines nicht aussageverweigerungsberechtigten Zeugen gegenüber Polizeibeamten, JA 2008, 532

Weiß, Haben juristische Personen ein Aussageverweigerungsrecht?, JZ 1998, 289.

 

Rdn 464

1.a) Das Auskunftsverweigerungsrecht (im Folgenden AVR) aus § 55 setzt voraus, dass der Zeuge sich oder einen der in § 52 Abs. 1 genannten Angehörigen (→ Zeuge, Zeugnisverweigerungsrecht, Teil Z Rdn 4242) der Gefahr der Strafverfolgung aussetzt, wenn er mit seinen Angaben entweder sich oder seinen Angehörigen in die Gefahr einer Verfolgung bringt (zum AVR nach dem SchwarzArbG s. § 5 Abs. 1 S. 3 SchwarzArbG). Es kommt insoweit nicht darauf an, ob (nur) die wahrheitsgemäße Aussage den Zeugen in die Gefahr einer Strafverfolgung bringt. Vielmehr muss für die Berechtigung eines AVR sowohl die Möglichkeit einer Bejahung als auch einer Verneinung der an den Zeugen gerichteten Frage in gleicher Weise in Betracht gezogen werden. Bringt auch nur eine dieser Möglichkeiten den Zeugen in die Gefahr einer Strafverfolgung, ist das AVR berechtigt (vgl. BVerfG NJW 1998, 779; auch noch BGH NJW 1994, 2839 m.w.N.; OLG Hamm StraFo 1998, 119; Meyer-Goßner/Schmitt, § 55 Rn 2 a.E. m.w.N.; zum Drohen ausländischer Strafverfolgung BGH, Beschl....

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