Rn 66

Im Unterschied zu den Tatbeständen der Eingriffskondiktion wird die kondiktionsauslösende Vermögensverschiebung bei der Verwendungskondiktion nicht vom Bereicherten, sondern vom Entreicherten herbeigeführt (Larenz/Canaris Schuldrecht II/2, § 69 III 1a). Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass der Bereicherungsschuldner mit eigenen Mitteln Verwendungen auf eine Sache des Bereicherungsgläubigers macht, wobei als Verwendungen idS neben dem von § 951 I 1 umfassten Materialverlust auch sonstige Aufwendungen, etwa vermögenswerte Arbeitsleistungen in Betracht zu ziehen sind, soweit sie auf Seiten des Bereicherungsgläubigers zu einer Vermögensmehrung geführt haben (AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 100 f). Darüber hinaus sind die für den Bereicherungsausgleich nach § 812 I 1 Alt 2 relevanten Aufwendungen von Verwendungen iSd §§ 994 ff zu unterscheiden, die nach – freilich bestrittener – Auffassung des BGH nur solche Vermögensaufwendungen umfassen sollen, die nicht zu einer grundlegenden Veränderung der Sache geführt haben (BGHZ 41, 157 ff; zu den sich hieraus ergebenden Konkurrenzproblemen in den sog Einbaufällen s Rn 71 f). Die Abgrenzung zur Leistungskondiktion ergibt sich ohne weiteres aus der Anwendung des normativen Leistungsbegriffs (dazu Rn 22 ff). Der Anwendungsbereich der Verwendungskondiktion endet folglich nach allg Grundsätzen dort, wo sich die Verwendungen als Leistung iSd § 812 erweisen (vgl Rn 54), ohne dass hierfür der von der Rspr insb für den Bereicherungsausgleich in Mehrpersonenverhältnissen herangezogene Subsidiaritätsgrundsatz bemüht werden muss (dazu iE Rn 80 ff). Die Verwendungskondiktion greift deshalb nicht, soweit der Nichtbesitzer oder der (unrechtmäßige) Fremdbesitzer Aufwendungen im Hinblick auf einen (vermeintlich) bestehenden Vertrag tätigen. Demgegenüber erbringt der (unrechtmäßige, auch der bösgläubige) Eigenbesitzer schon denknotwendig keine Leistung, weil er sich den deshalb allenfalls gem § 812 I 1 Alt 2 kondizierbaren Vermögensvorteil selbst zuwendet (MüKo/Schwab § 812 Rz 302 f; Medicus Rz 892 f; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 98). Soweit – bei bestehendem Vertragsverhältnis – die schuldrechtlichen Bestimmungen des Leistungsstörungsrechts Regelungen zum Aufwendungsausgleich enthalten (bspw in §§ 536a II, 637), bleibt für Kondiktionsansprüche bereits nach allg Grundsätzen kein Raum (hierzu iE Rn 19). Hat ein Wohnungseigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft eigenmächtig Aufwendungen zur Sanierung des Gemeinschaftseigentums gemacht, die erforderlich waren, so kommt ein Bereicherungsanspruch gegen die einzelnen Wohnungseigentümer in Betracht, wenn die Sanierungsmaßnahme von der Gemeinschaft noch nicht beschlossen war. Ein Anspruch gegen die (rechtsfähige) Wohnungseigentümergemeinschaft kommt nur in Betracht, wenn die durchgeführte Sanierungsmaßnahme bereits beschlossen war oder wegen Dringlichkeit durchgeführt werden musste (BGH NJW 16, 1310 m Anm Skauradszun = JZ 16, 744 [BGH 25.09.2015 - V ZR 246/14] m Anm Häublein).

 

Rn 67

Der gesetzlich nicht normierte Typus der Verwendungskondiktion begegnet dem Rechtsanwender außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereichs von § 812 I 1 Alt 2 insb in der Vorschrift § 951 I 1, die eine Rechtsgrundverweisung auf die Bestimmungen des Bereicherungsrechts enthält (BGHZ 40, 272, 276; 35, 356, 359). An deren tatbestandlichen Voraussetzungen führt in der Praxis idR allerdings dennoch kein Weg vorbei, weil es in den bereicherungsrechtlich relevanten Einbaufällen zumeist nicht nur um den von § 951 I 1 umfassten Materialaufwand (BGH WM 66, 369, 370; Medicus Rz 898), sondern auch um frustrierte Arbeitsleistungen geht (dazu iE unten Rn 71). Eine ebenfalls wichtige Verweisungsnorm ist § 684 1, die hinsichtlich der hier interessierenden Aufwendungslagen durch die in §§ 539 I, 601 II und 994 II niedergelegten Verweisungen auf die Vorschriften der GoA zur Anwendung gelangen kann und über § 687 II 2 auch für die angemaßte Eigengeschäftsführung gilt, wenn der Geschäftsherr für eine GoA-Lösung optiert (hierzu Rn 57). Allen diesen mittelbar zu Kondiktionstatbeständen deklarierten Verwendungsersatzansprüchen ist gemein, dass sie an eine den Tatbestand des § 812 I 1 Alt 2 ausfüllende Rechtsgrundlosigkeit der erstattungspflichtigen Aufwendungen geknüpft sind, so dass in aller Regel offen bleiben kann, ob es sich bei § 684 1 um eine Rechtsgrundverweisung oder um eine Rechtsfolgenverweisung handelt (zum Meinungsstand s Rn 38), zumal die ausschl die Tatbestände der Leistungskondiktion betreffenden Kondiktionssperren aus §§ 814, 815, 817 2 (s dort) in keinem Fall greifen (iE ebenso BRHP/Wendehorst § 812 Rz 158; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 96). Schließlich ist auf § 347 II 2 hinzuweisen, der für den Ersatzanspruch des Rückgewährschuldners für andere als notwendige Verwendungen ebenfalls auf die Bereicherung des Gläubigers abstellt (Rechtsfolgenverweisung – AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 97).

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