Gesetzestext

 

(1) Die Vorschriften der §§ 677 bis 686 finden keine Anwendung, wenn jemand ein fremdes Geschäft in der Meinung besorgt, dass es sein eigenes sei.

(2) 1Behandelt jemand ein fremdes Geschäft als sein eigenes, obwohl er weiß, dass er nicht dazu berechtigt ist, so kann der Geschäftsherr die sich aus den §§ 677, 678, 681, 682 ergebenden Ansprüche geltend machen. 2Macht er sie geltend, so ist er dem Geschäftsführer nach § 684 Satz 1 verpflichtet.

A. Überblick.

 

Rn 1

Die Vorschrift dient einerseits der Abgrenzung der GoA von anderen Fallgruppen (§ 687 I), auf welche die §§ 677 ff keine Anwendung finden. Maßgebendes Kriterium ist das Bewusstsein um die Führung eines fremden Geschäfts. Andererseits werden die Regelungen der GoA für wahlweise anwendbar erklärt, wenn eine vorsätzliche Verletzung fremder Rechte vorliegt (§ 687 II). Daraus ergibt sich, dass neben dem Bewusstsein (kognitives Merkmal) auch der Wille (finales Merkmal) erforderlich ist, ein fremdes Geschäft als solches zu führen.

B. Irrtümliche Eigengeschäftsführung.

 

Rn 2

§ 687 I erklärt die Regeln der GoA für nicht anwendbar, wenn bei der Übernahme eines objektiv fremden Geschäfts das Bewusstsein fehlt, es auch als fremdes zu besorgen (Veräußerung gestohlener Sachen durch Gutgläubigen: RGZ 105, 84). Auf ein Verschulden des Geschäftsführers hinsichtlich der Fehlvorstellung kommt es insoweit nicht an (Soergel/Beuthien § 687 Rz 3). Hält der Geschäftsführer das Geschäft für sein eigenes, richtet sich der Ausgleich ausschl nach allg Regeln (EBV: §§ 987 ff; anderenfalls oder soweit eröffnet: §§ 812 ff; bei schuldhafter Fehlvorstellung: §§ 823 ff; dazu MüKo/Schäfer § 687 Rz 4). Einer Genehmigung (§ 684 2) ist ein solches Geschäft nicht zugänglich; es fehlt an einer GoA.

C. Angemaßte Eigengeschäftsführung.

I. Überblick.

 

Rn 3

§ 687 II ist eine eigene Anspruchsgrundlage mit Ansprüchen für den Geschäftsherrn, uU auch für den Geschäftsführer. § 687 II 1 gewährt dem Geschäftsherrn ein Wahlrecht: Falls der Geschäftsführer vorsätzlich in einen objektiv fremden Rechts- und Interessenkreis eingegriffen hat, kann der Geschäftsherr die Ansprüche aus GoA geltend machen, insb auf Herausgabe des Erlangten (§§ 667, 681) und auf Schadensersatz (§ 678). § 687 II 2 ermöglicht es dann dem Geschäftsführer, seine Aufwendungen nach Bereicherungsrecht zu erlangen. In beiden Fällen handelt es sich um Rechtsfolgenverweisungen. Im Anwendungsbereich des § 241a I ist die Regelung ausgeschlossen (Schwarz NJW 01, 1449, 1453).

II. Voraussetzungen.

 

Rn 4

Die Voraussetzungen entsprechen bis auf den Willen zur Fremdgeschäftsführung denen der GoA (§ 677), allerdings muss es sich um ein objektiv fremdes Geschäft handeln (BGH NJW 00, 72 [BGH 23.09.1999 - III ZR 322/98]; MüKo/Schäfer § 687 Rz 14). Der Anwendungsbereich der Norm bezieht sich insb auf Handlungen unter Verletzung fremder absoluter Rechte und gleichgestellter Rechtspositionen (BGHZ 39, 186: Benutzung eines fremden Grundstücks; München 20 U 2931/10: Vermietung von Gemeinschaftseigentum; BGHZ 57, 116: wettbewerbswidrige Nachahmung; Soergel/Beuthien § 687 Rz 17: Nutzung fremder Immaterialgüterrechte; zu Domainnamen: BGH 149, 191). Im Grundsatz kann auch die Verletzung fremder Persönlichkeitsrechte ausreichen, soweit sie im Einzelfall einer Kommerzialisierung zugänglich sind (Beuthien NJW 03, 1220). Schuldvertragliche Zuweisungen von Rechtspositionen sind dagegen zur Anmaßung nicht geeignet. Das gilt für die unberechtigte Untervermietung (BGHZ 131, 297), aber auch für den Geschäftsführer einer Gesellschaft, der sich über organschaftliche Befugnisse hinwegsetzt (BGH NJW-RR 89, 1255 [BGH 12.06.1989 - II ZR 334/87]) oder den Verstoß gegen eine Alleinvertretungsabrede (BGH NJW 84, 2411 [BGH 09.02.1984 - I ZR 226/81]) bzw ein Wettbewerbsverbot (MüKo/Schäfer § 687 Rz 20). Ein zunächst eigenes Geschäft kann zum fremden Geschäft werden, wenn die Rechtsposition durch Anfechtung rückwirkend entfällt (§ 142 I). § 687 II kommt in Betracht, wenn der Geschäftsführer von der Anfechtbarkeit Kenntnis hatte (§ 142 II).

 

Rn 5

Der Geschäftsführer muss Kenntnis von der Fremdheit des Geschäfts sowie der fehlenden Berechtigung haben und gleichwohl in der Absicht handeln, das Geschäft als eigenes zu führen (nicht, wenn ein Merkmal fehlt: BGHZ 119, 257: Strohmann-GmbH und wirtschaftlicher Alleingesellschafter). Fahrlässigkeit reicht nicht aus. Unbeachtlich ist, ob der Geschäftsherr selbst das Geschäft vorgenommen hätte oder nicht (Grüneberg/Sprau § 687 Rz 2a). Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen liegt beim Geschäftsherrn.

III. Rechtsfolgen.

 

Rn 6

Der Geschäftsherr kann nach seiner Wahl auch die Ansprüche nach §§ 677, 678, 681, 682 geltend machen. Die Verweisung auf §§ 677 und 681 1 bleibt unklar und dürfte ohne praktische Relevanz sein (Grüneberg/Sprau § 687 Rz 3). Besondere Bedeutung haben neben der Auskunfts- und Rechenschaftspflicht va die Pflicht zur Herausgabe des Erlangten (§ 667) und der Schadensersatzanspruch nach § 678. Der Herausgabeanspruch erstreckt sich auf den gesamten erzielten Gewinn, unabhängig vom Beitrag des Geschäftsführers (dazu zählen auch Schmiergelder, die ein Arbeitnehmer ...

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