Gesetzestext

 

1War der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt, dass der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen hat, so ist der Empfänger zur Herausgabe verpflichtet. 2Die Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt, es sei denn, dass die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand; das zur Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden.

A. Regelungsgehalt und Normzweck.

 

Rn 1

§ 817 stellt in mehrfacher Hinsicht einen Fremdkörper im Regelungsgefüge des Bereicherungsrechts dar. 1 kodifiziert mit der condictio ob turpem vel iniustam causam einen Sondertatbestand der Leistungskondiktion (BGH NJW-RR 98, 1284, 1285; MüKo/Schwab § 817 Rz 1 mwN), deren äußerst geringer Anwendungsbereich im Spannungsfeld zwischen den Tatbeständen der condictio indebiti und der condictio ob rem systemwidrig darin besteht, dem Leistenden gerade wegen der Erreichung des mit der Leistung verfolgten Zwecks einen Kondiktionsanspruch gegen denjenigen zuzubilligen, der durch die zweckentsprechende Leistungsannahme gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt (dazu iE Rn 3 f). 2 enthält demgegenüber einen Kondiktionsausschlussgrund für die Fälle, in denen der Leistende selbst sich einen Gesetzes- und Sittenverstoß entgegenhalten lassen muss. Die Anwendung der Vorschrift bereitet erhebliche Schwierigkeiten (dazu iE Rn 7 ff), die schon bei der Ermittlung des Normzwecks beginnen, den Rspr und hL in dem Gedanken der Rechtsschutzverweigerung für die Rückgängigmachung eines freiwilligen Gesetzes- oder Sittenverstoßes erblicken (BGH NJW 13, 401, 402 f; BGHZ 36, 395, 399; 40, 1, 6; NJW 94, 187; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 817 Rz 2 mwN). Nach aA sollen Belange der Generalprävention im Vordergrund stehen (Larenz/Canaris Schuldrecht BT II/2, § 68 III 3a; Staud/Lorenz § 817 Rz 5; BRHP/Wendehorst § 817 Rz 2).

B. Tatbestand.

I. Leistungskondiktion (condictio ob turpem vel iniustam causam) – § 817 S 1.

1. Allgemeine Tatbestandsmerkmale.

 

Rn 2

Der Kondiktionsanspruch aus § 817 1 setzt wie jede Leistungskondiktion voraus, dass der Bereicherungsschuldner etwas durch Leistung eines anderen, den Bereicherungsgläubiger, erlangt hat. Insoweit gelten keine Besonderheiten, so dass auf die Ausführungen zu § 812 I 1 Alt 1, 2 Alt 1 verwiesen werden kann (s § 812 Rn 22 ff).

2. Gesetzes- oder Sittenverstoß durch zweckentsprechende Leistungsannahme.

 

Rn 3

§ 817 1 bestimmt, dass der Empfänger die an ihn erbrachte Leistung deshalb nicht behalten darf, weil deren zweckentsprechende Annahme gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstößt. Kondiktionsgrund ist also im Unterschied zur condictio indebiti nicht die Rechtsgrundlosigkeit der Zuwendung, sondern eine abseits der rechtsgeschäftlichen Zusammenhänge verortete Wertungsentscheidung des Gesetzgebers: § 817 1 soll dem redlich handelnden Leistenden wegen der in der Leistungsannahme manifestierten verwerflichen Gesinnung des Empfängers die Kondiktion eröffnen, die ihm sonst wegen der Erreichung des mit der Leistung bezweckten Erfolgs verwehrt wäre (ähnl AnwK/v Sachsen Gessaphe § 817 Rz 1). Demgegenüber besteht der Zweck der Norm nicht darin, die gesetzes- oder sittenwidrige Verfolgung eines von beiden Vertragsparteien gemeinsam getragenen Leistungszwecks zu sanktionieren. Diese Aufgabe ist vielmehr den Vorschriften der §§ 134, 138 zugewiesen, deren Anwendung zur Nichtigkeit des solcherart verwerflichen Rechtsgeschäfts führt. Dann allerdings liegt eine Leistung auf eine Nichtschuld vor, so dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die allg Leistungskondiktion (condictio indebiti) gem § 812 I 1 Alt 1 erfüllt sind, die freilich bei einem zur Nichtigkeit führenden beiderseitigen Gesetzes- oder Sittenverstoß regelmäßig durch § 817 2 ausgeschlossen sein dürfte (dazu unten Rn 7 ff). Demnach ist jedenfalls in diesen Fällen für einen Bereicherungsanspruch nach § 817 1 kein Raum (MüKo/Schwab § 817 Rz 4 ff mwN; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 817 Rz 6; Medicus Rz 694; aA BRHP/Wendehorst § 817 Rz 6 f). Gleiches gilt iE, wenn infolge des Gesetzes- oder Sittenverstoßes das Grund- und das Erfüllungsgeschäft nichtig sind (s dazu § 134 Rn 23, § 138 Rn 42). Dann kann der Leistende die nicht in das Vermögen des Empfängers übergegangene Sache gem § 985 von diesem herausverlangen oder – falls diese nicht mehr vorhanden ist – gem §§ 812 I 1 Alt 1, 818 II Wertersatz beanspruchen (zur Anwendbarkeit des § 817 2 auf Vindikationsansprüche s Rn 8).

 

Rn 4

Gleichwohl soll § 817 1 auch Leistungen solvendi causa jedenfalls dann erfassen, wenn der Rechtsgrund für die Zuwendung durch den einseitigen Gesetzes- oder Sittenverstoß des Empfängers nicht beseitigt wird (Medicus BürgR Rz 694; Grüneberg/Sprau § 817 Rz 7). Solche Fälle lassen sich jedoch abseits dogmatischer Bedenken (hierzu iE MüKo/Schwab § 817 Rz 5 ff) nur schwer konstruieren. Voraussetzung hierfür ist nämlich, dass nicht schon die einseitig verwerfliche Leistungsannahme zur Unwirksamkeit der zugrunde liegenden Kausalverpflichtung nach §§ 134, 138 führt. Denkbar ist dies bei der arglosen Bezahlung von Schwarzarbeit, wenn man mit der Rspr davon ausgeht, dass der in der vom L...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge