Rn 3

§ 817 1 bestimmt, dass der Empfänger die an ihn erbrachte Leistung deshalb nicht behalten darf, weil deren zweckentsprechende Annahme gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstößt. Kondiktionsgrund ist also im Unterschied zur condictio indebiti nicht die Rechtsgrundlosigkeit der Zuwendung, sondern eine abseits der rechtsgeschäftlichen Zusammenhänge verortete Wertungsentscheidung des Gesetzgebers: § 817 1 soll dem redlich handelnden Leistenden wegen der in der Leistungsannahme manifestierten verwerflichen Gesinnung des Empfängers die Kondiktion eröffnen, die ihm sonst wegen der Erreichung des mit der Leistung bezweckten Erfolgs verwehrt wäre (ähnl AnwK/v Sachsen Gessaphe § 817 Rz 1). Demgegenüber besteht der Zweck der Norm nicht darin, die gesetzes- oder sittenwidrige Verfolgung eines von beiden Vertragsparteien gemeinsam getragenen Leistungszwecks zu sanktionieren. Diese Aufgabe ist vielmehr den Vorschriften der §§ 134, 138 zugewiesen, deren Anwendung zur Nichtigkeit des solcherart verwerflichen Rechtsgeschäfts führt. Dann allerdings liegt eine Leistung auf eine Nichtschuld vor, so dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die allg Leistungskondiktion (condictio indebiti) gem § 812 I 1 Alt 1 erfüllt sind, die freilich bei einem zur Nichtigkeit führenden beiderseitigen Gesetzes- oder Sittenverstoß regelmäßig durch § 817 2 ausgeschlossen sein dürfte (dazu unten Rn 7 ff). Demnach ist jedenfalls in diesen Fällen für einen Bereicherungsanspruch nach § 817 1 kein Raum (MüKo/Schwab § 817 Rz 4 ff mwN; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 817 Rz 6; Medicus Rz 694; aA BRHP/Wendehorst § 817 Rz 6 f). Gleiches gilt iE, wenn infolge des Gesetzes- oder Sittenverstoßes das Grund- und das Erfüllungsgeschäft nichtig sind (s dazu § 134 Rn 23, § 138 Rn 42). Dann kann der Leistende die nicht in das Vermögen des Empfängers übergegangene Sache gem § 985 von diesem herausverlangen oder – falls diese nicht mehr vorhanden ist – gem §§ 812 I 1 Alt 1, 818 II Wertersatz beanspruchen (zur Anwendbarkeit des § 817 2 auf Vindikationsansprüche s Rn 8).

 

Rn 4

Gleichwohl soll § 817 1 auch Leistungen solvendi causa jedenfalls dann erfassen, wenn der Rechtsgrund für die Zuwendung durch den einseitigen Gesetzes- oder Sittenverstoß des Empfängers nicht beseitigt wird (Medicus BürgR Rz 694; Grüneberg/Sprau § 817 Rz 7). Solche Fälle lassen sich jedoch abseits dogmatischer Bedenken (hierzu iE MüKo/Schwab § 817 Rz 5 ff) nur schwer konstruieren. Voraussetzung hierfür ist nämlich, dass nicht schon die einseitig verwerfliche Leistungsannahme zur Unwirksamkeit der zugrunde liegenden Kausalverpflichtung nach §§ 134, 138 führt. Denkbar ist dies bei der arglosen Bezahlung von Schwarzarbeit, wenn man mit der Rspr davon ausgeht, dass der in der vom Leistenden bezweckten Entgegennahme der Zahlung liegende Gesetzesverstoß des Empfängers die Wirksamkeit des Grundgeschäftes unberührt lässt (BGH BauR 08, 1301; NJW 84, 1175; 85, 2403; aA AnwK/v Sachsen Gessaphe § 817 Rz 6 unter Bezugnahme auf Canaris Gesetzliches Verbot und Rechtsgeschäft, 30 ff, 45 ff – nur halbseitige Nichtigkeit; zur Anwendbarkeit des § 817 2 auf den bereicherungsrechtlichen Wertersatzanspruch des Schwarzarbeiters Rn 15). Nach Kniffka (NZBau 00, 552) soll ein einseitiger Verstoß des Bauträgers gegen § 3 I Nr. 2 MaBV die Möglichkeit einer Kondiktion nach § 817 1 eröffnen. Beiden Fallkonstellationen ist gemein, dass der Leistende den Empfänger durch die Verfolgung des Leistungszwecks nicht zum Gesetzesverstoß veranlasst hat, der ihm nicht einmal bewusst war. Das wird in der Praxis oft schon deshalb anders sein, weil die gesetzes- oder sittenwidrige Leistungsannahme tatbestandskonform zumeist gerade dem entspricht, was der Leistende mit der Zuwendung bezweckt. Dann aber bleibt für § 817 1 bei sittenwidrigen Verpflichtungsgeschäften bis auf die vorerwähnten Sonderfälle faktisch kein Raum, weil die bewusste Verfolgung eines gesetzes- oder sittenwidrigen Leistungserfolges in aller Regel auch für den Leistenden den Vorwurf zumindest eines Sittenverstoßes rechtfertigen wird, so dass jedweder Leistungskondiktion die Kondiktionssperre des § 817 2 entgegensteht (BGHZ 89, 369, 375; iE zust MüKo/Schwab § 817 Rz 7 f). In der Praxis wird § 817 1 entgegen verbreiteter Auffassung somit auch dann kaum je zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung führen, wenn die condictio indebiti trotz gem §§ 134, 138 nichtiger Kausalbeziehung an § 814 scheitert (so aber Medicus BürgR Rz 649; Grüneberg/Sprau § 817 Rz 7; wie hier AnwK/v Sachsen Gessaphe § 817 Rz 6; Staud/Lorenz § 817 Rz 9).

 

Rn 5

Ein eigenständiger Anwendungsbereich für § 817 1 besteht in Erwägung all dessen also nur bei gesetzes- oder sittenwidriger Verwirklichung einer außerhalb kausaler Verpflichtungen getroffenen rechtsgeschäftlichen Zweckabrede, deren Verfehlung vorbehaltlich des Kondiktionsausschlusses nach § 817 2 zur condictio ob rem geführt hätte (ebenso MüKo/Schwab § 817 Rz 8; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 817 Rz 7 mwN). Zu denken ist dabei insb an die sog Vera...

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