Rn 83

In Bauwerkverträgen werden häufig Bürgschaften vereinbart, insb um das gegenseitige Insolvenzrisiko zu sichern. Der Besteller sichert mögliche Rückzahlungsansprüche aus Vorauszahlungen oder Abschlagszahlungen sowie etwaige Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche; bei Insolvenz des Mitgesellschafters einer ARGE schützt die Bürgschaft auch den das Werk vollendenden Mitgesellschafter (§§ 426 II, 401; BGH BauR 90, 758, 759). Der Unternehmer sichert seine Werklohnforderung (gesetzlich, § 650 f, oder vertraglich: s § 650 f Rn 4). Häufig handelt es sich bei diesen Bürgschaften um solche auf erstes Anfordern (s Rn 75 ff), die aber nicht bereits deshalb vorliegen, weil die Bürgschaft einen Bareinbehalt ersetzt (BGHZ 95, 375, 387). In AGB vorgegebene Anforderungen an die Bürgschaft müssen der AGB-Kontrolle standhalten (s zB NJW 18, 857, 859, Rz 15, Omlor JuS 18, 710, 711 [BGH 24.10.2017 - XI ZR 600/16]). Wenn nur der Besteller auf eine Vorauszahlungsbürgschaft besteht, kann sich der Bürge bei späterer Inanspruchnahme grds nicht als Einwendung darauf berufen, zunächst müsse der Besteller noch eine Bürgschaft nach § 650 f erbringen, Celle NJW-Spezial 17, 205 (zu § 648a aF).

 

Rn 84

Teil B der VOB verweist mehrfach auf das Bürgschaftsrecht: Als Sicherheit iSd § 17 II VOB/B ist neben dem Einbehalt und der Hinterlegung auch das Stellen eines tauglichen Bürgen möglich. Die Bürgschaft muss den Anforderungen des § 17 IV VOB/B genügen. Möglich sind eine Vertragserfüllungsbürgschaft (vgl § 4 I Nr 2 VOB/B, die bei Vereinbarung in AGB (ggf kumuliert mit anderen Sicherungsmitteln) insgesamt 10 % der Auftragssumme zwar erreichen (zuletzt BGH NJW 16, 2802 [BGH 16.06.2016 - VII ZR 29/13]), nicht aber überschreiten darf (BGH NJW 11, 2125, 2127 [BGH 09.12.2010 - VII ZR 7/10]; BGH BeckRS 16, 08553), eine Vorauszahlungsbürgschaft (§ 16 II Nr 2 VOB/B), eine Abschlagszahlungsbürgschaft (vgl § 16 I Nr 1 VOB/B) und/oder eine Gewährleistungsbürgschaft (vgl § 13 I 3 Nr 2 VOB/B); wobei die Rspr – im Verhältnis zur Auftragssumme – 5 % (uU auch 6 %, nicht aber 8 %) als wirksam beurteilt (BGH NZBau 14, 759, 761 [BGH 01.10.2014 - VII ZR 164/12] u BGH NZBau 15, 223, 225 [BGH 22.01.2015 - VII ZR 120/14] zur Übersicherung bei 8 %; Rostock IBR 19, 3509 bei 6 %); Unwirksam (nach § 307 I aufgrund kundenfeindlicher Auslegung gem § 305c II): Überschneidung von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft auf insg 10 % für einen nicht unerheblichen Zeitraum nach Abnahme (Ddorf NJW-RR 21, 672 [OLG Düsseldorf 26.11.2020 - 5 U 354/19] Rz 27). Ggf ist durch Auslegung zu ermitteln, welches Risiko erfasst wird (zB Celle NJW-RR 05, 969, 970: Vertragserfüllungsbürgschaft erfasst keinen nach Abnahme entstehenden Gewährleistungsanspruch; zum umgekehrten Fall Celle BeckRS 13, 21365; es ist möglich, die Gewährleistungsbürgschaft (zunächst) auf vorbehaltlos abgenommene Arbeiten zu beschränken und ihre Erweiterung nur durch schriftliches Fallenlassen von Vorbehalten für andere Arbeiten vorzusehen Frankf NZBau 17, 220). Bei nachträglicher Abnahmeerleichterung gilt § 767 I 3 (Rostock NJW-RR 07, 1170). Unwirksam ist eine formularmäßige Einschränkung der Ablösung des Sicherheitseinbehalts durch eine Gewährleistungsbürgschaft im Wege einer Bedingung der vorherigen vollständigen Beseitigung der festgestellten Mängel, BGH MDR 17, 568 [BGH 30.03.2017 - VII ZR 170/16].

 

Rn 85

Nach § 17 III VOB/B hat der Auftragnehmer die Wahl unter verschiedenen Arten der Sicherheit und kann eine Sicherheit durch eine andere ersetzen. Wenn ein Auftraggeber einen Teil des Werklohns einbehalten hat (Sicherungseinbehalt für die Dauer der Gewährleistungsfrist) und nunmehr der Unternehmer von seinem Austauschrecht Gebrauch und statt des Bareinbehaltes eine Bürgschaft stellt, muss der Auftraggeber den Sicherungseinbehalt unverzüglich auszahlen, wenn der Sicherungsfall noch nicht eingetreten ist (BGHZ 148, 151, 155). Die Auszahlungspflicht bleibt grds bestehen, auch wenn der Sicherungsfall später eintritt (BGH aaO; Ausnahme: unmittelbar bevorstehender Sicherungsfall bei Geltendmachung des Austauschrechts durch den Auftragnehmer). Wird die Auszahlung verweigert, so muss die Bürgschaft nach § 812 I 1 herausgeben werden (BGHZ 147, 99, 105; 151, 229, 233 f; ZIP 00, 1624, 1625: Kein Zurückbehaltungsrecht, auch nicht bei Insolvenz des Bestellers, BGH NJW 11, 1282, 1283 f) Hat der Auftraggeber die Sicherheit pflichtwidrig verwertet, so hat der Sicherungsgeber einen Schadensersatzanspruch in Höhe der geleisteten Bürgschaftssumme (BGH ZIP 00, 1624, 1625). Die Bürgschaft kann vor Ablauf der Baumängelgewährleistungsfrist herauszugeben sein, § 17 VIII Nr 2 VOB/B, s.o. Rn 5. Die Einrede der Verjährung (s § 768 Rn 6) kann aufgrund des Sicherungszwecks einer Gewährleistungsbürgschaft abgeschnitten sein, wenn die jeweiligen Mängel vom Hauptschuldner in unverjährter Zeit gerügt worden sind (arg § 17 VIII VOB/B, BGHZ 121, 168, 173; 98, 1140, 1141).

 

Rn 86

Eine AGB-Klausel, die dem Auftragnehmer das Recht gibt, den ...

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