Gesetzestext

 

(1) 1Für die Verpflichtung des Bürgen ist der jeweilige Bestand der Hauptverbindlichkeit maßgebend. 2Dies gilt insbesondere auch, wenn die Hauptverbindlichkeit durch Verschulden oder Verzug des Hauptschuldners geändert wird. 3Durch ein Rechtsgeschäft, das der Hauptschuldner nach der Übernahme der Bürgschaft vornimmt, wird die Verpflichtung des Bürgen nicht erweitert.

(2) Der Bürge haftet für die dem Gläubiger von dem Hauptschuldner zu ersetzenden Kosten der Kündigung und der Rechtsverfolgung.

A. Übersicht: Normzweck und Bedeutung.

 

Rn 1

§ 767 I 1 ist Ausdruck des Akzessorietätsprinzips (Vor § 765 Rn 10). Nach diesem Prinzip ist die Bürgenverpflichtung vom jeweiligen Bestand und Umfang der Hauptschuld abhängig (Mot II 664). Es schützt den Bürgen davor, mehr leisten zu müssen als der Schuldner (BGH NJW 03, 59, 60; BGHZ 139, 214, 217). Nach § 767 I 2, II erstreckt sich die Bürgenhaftung auf durch Leistungsstörung und Rechtsdurchsetzung ggü dem Hauptschuldner entstandene Ansprüche. § 767 I 3 vermeidet eine Haftungserweiterung zu Lasten des Bürgen durch den Hauptschuldner.

 

Rn 2

Die Regelungen in § 767 sind begrenzt dispositiv: So kann der Umfang der Bürgenhaftung – formlos (s § 766 Rn 5) – beschränkt werden (RGZ 95, 9, 11). Wird die Haftung aber erweitert (zur Form s § 766 Rn 6), so kann sich die Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses ändern (BGH NJW 93, 1917, 1919 [BGH 06.05.1993 - IX ZR 73/92]; 02, 2867, 2869 [BGH 25.04.2002 - IX ZR 254/00]), zB in eine Garantie (s Vor § 765 Rn 51 f) oder in ein selbstständiges Schuldversprechen (Staud/Stürner § 767 Rz 6). Eine Abrede in AGB, die den Grundsatz der Akzessorietät antastet, ist unzulässig, da es sich hierbei um ein tragendes Prinzip des Bürgschaftsrechts handelt (BGHZ 95, 350, 356 f; 147, 99, 104). Zu inhaltlichen Grenzen von AGB s § 765 Rn 17.

B. Grundsatz: Abhängigkeit der Bürgschaft vom Bestand der Hauptschuld (§ 767 I 1).

 

Rn 3

Der Umfang der Hauptschuld bestimmt auch den Umfang der Bürgenschuld: Ohne Hauptschuld keine Bürgschaftsschuld. Wieweit die Bürgenschuld genau reicht – ob sie zB Zinsen (BGH NJW 92, 2629 f [BGH 25.06.1992 - IX ZR 24/92]) und Zinseszinsen (BGHZ 77, 256, 259, 262) erfasst –, kann im Bürgschaftsvertrag im Einzelnen geregelt werden und ist ggf durch Auslegung nach §§ 133, 157 zu ermitteln (s zB BGH WM 08, 1350, 1352). Unklarheiten gehen zu Lasten des Gläubigers (BGHZ 76, 187, 189).

I. Bestehen einer Hauptschuld.

 

Rn 4

Die Hauptschuld muss wirksam begründet sein; bei Nichtigkeit des Hauptvertrages sichert die Bürgschaft nur dann den Bereicherungsanspruch, wenn die Auslegung des Bürgschaftsvertrags einen entspr Willen ergibt (BGH NJW 00, 511 f [BGH 04.11.1999 - IX ZR 320/98]; 01, 1859 f [BGH 15.03.2001 - IX ZR 273/98]; kein solcher Wille: Frankf NJW 80, 2201 f; BGH BeckRS 07, 02309 für bürgschaftsunerfahrene Privatpersonen s Gestaltungstipp bei Fielenbach, WM 12, 2349, 2352). Künftige Ansprüche (vgl § 765 II) sowie schwebend unwirksame Forderungen (zB §§ 108 I, 177 I) können Gegenstand einer Bürgschaft sein. Der Anspruch aus einem formunwirksamen, später aber nach § 311b I 2 geheilten Vertrag fällt ebenfalls unter § 765 II (vgl RGZ 134, 243, 246). Die Bürgschaft entsteht in diesen Fällen mit Wirksamwerden der Hauptschuld. Bei Verwaltungsakten kommt es auf deren Rechtmäßigkeit und nicht auf die Bestandskraft an (BGH WM 09, 1180, 1184).

II. Erlöschen der Hauptschuld.

 

Rn 5

Die Bürgenschuld erlischt in dem gleichen Umfang, in dem die Hauptschuld erlischt (BGH NJW 99, 2113 f [BGH 06.05.1999 - IX ZR 430/97]). Dabei ist es unerheblich, weshalb die Hauptschuld untergeht. Unter § 767 I fallen insb die Erfüllung (§ 362; Soergel/Gröschler § 767 Rz 5; auch durch Dritte, vgl BGH JZ 76, 24 f [BGH 22.10.1975 - VIII ZR 80/74]), Erfüllungssurrogate (für Leistung an Erfüllungs statt: BGH NJW 70, 279) – wie die Aufrechnung (BGH NJW 02, 2867, 2869) –, der Abschluss eines Aufhebungsvertrages (BGH NJW 03, 59, 60), der Vergleich (BGHZ 6, 385, 393), der Erlassvertrag nach § 397 I (BGH NJW 01, 2327, 2329), die Kündigung (BGH NJW 89, 27, 28), die erklärte Anfechtung (BGHZ 95, 350, 356), die Leistungsbefreiung nach § 275 (RGZ 134, 126, 128) und die unzulässige Rechtsausübung nach § 242, soweit sie zur Beschränkung der Hauptforderung führt (Köln ZIP 98, 150, 151). Eine einschränkende Vereinbarung zwischen Gläubiger und Hauptschuldner wie bspw die Stundung der Hauptschuld erfasst auch die Bürgschaft (BGHZ 72, 198, 201). Ist – wie bei der Unterhaltsverpflichtung nach §§ 1361, 1601 iVm 1603 – die Hauptschuld bereits tatbestandlich an die Leistungsfähigkeit des Hauptschuldners geknüpft, so mindert sich auch die Bürgenschuld entspr (RGZ 163, 91, 99; Erman/Zetzsche § 767 Rz 6).

 

Rn 6

Haben die Parteien eine Novation vereinbart, so geht – abgesehen von den Fällen des § 356 HGB – die Bürgschaft unter (BGH NJW 99, 3708, 3709). Wegen der einschneidenden Rechtsfolgen für den Gläubiger soll im Zweifel keine Novation, sondern lediglich eine Vertragsänderung vorliegen (BGH NJW 03, 59 [BGH 01.10.2002 - IX ZR 443/00]). Wird eine bankinterne Umschuldung wie die Umwandlung eines Kontokorrentkredits in ein Darlehen vorgenommen, bleibt die Bürgschaftsforderung bestehen (BGH NJW 99, ...

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