Gesetzestext

 

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.

(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.

A. Normzweck.

 

Rn 1

I enthält eine negative gesetzliche Einbeziehungsvoraussetzung (U/B/H/Ulmer/Schäfer § 305c Rz 4) für überraschende Vertragsklauseln. Die Norm setzt also voraus, dass es sich um wirksam einbezogene AGB handelt. II normiert eine Auslegungsregel für unklar formulierte AGB. Der überraschende Charakter einer AGB-Klausel kann häufig erst nach Ermittlung ihres Sinns im Wege der Auslegung bestimmt werden, wobei verbleibende Mehrdeutigkeiten unter Rückgriff auf die Unklarheitenregel aufzulösen sind. Eine zunächst bedenklich erscheinende Klausel kann sich daher nach Anwendung der Unklarheitenregel als nicht überraschend erweisen (BGHZ 103, 80).

B. Überraschende Klauseln (Abs 1).

 

Rn 2

I beruht auf dem Gedanken, dass der Kunde, der unter den Voraussetzungen des § 305 II (§ 305 Rn 16 ff) auch dann an AGB gebunden ist, wenn er sie nicht gelesen hat, in seinem Vertrauen darauf zu schützen ist, dass sich die in den AGB enthaltenen Einzelregelungen im Großen und Ganzen iR dessen halten, was der redliche Geschäftsverkehr nach den Umständen bei Abschluss des Vertrages erwarten konnte (BGH DB 75, 2366 [BGH 08.10.1975 - VIII ZR 81/74]; Köln NJW-RR 03, 706 [OLG Köln 16.07.2002 - 15 U 18/02]). Die Norm gilt auch für Klauseln, die nach § 307 III der Inhaltskontrolle entzogen sind (BRHP/H. Schmidt § 305c Rz 3), sowie für Einmalklauseln nach § 310 III Nr 2 (s § 310 Rn 11). Im Verfahren nach §§ 1, 3 UklaG ist die Norm nicht anwendbar (BGH NJW 01, 635).

 

Rn 3

I findet auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr Anwendung (BGHZ 102, 162; NJW 90, 576). Im Hinblick auf die erhöhten Anforderungen, die an Unternehmer gestellt werden können (s § 307 Rn 29), ist allerdings der Überraschungseffekt weniger leicht zu bejahen, wenn die Gegenseite mit derartigen Geschäften vertraut ist (BGHZ 100, 85; 102, 162).

I. Voraussetzungen.

 

Rn 4

Die betr Klausel muss objektiv ungewöhnlich und subjektiv für den Vertragspartner des Verwenders überraschend sein (Ddorf BB 86, 1464; U/B/H/Ulmer/Schäfer § 305c Rz 11).

1. Ungewöhnlich.

 

Rn 5

Eine Klausel ist ungewöhnlich, wenn sie nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages und den gesamten Umständen von den Erwartungen abweicht, die der redliche Geschäftsverkehr typischerweise an den Vertragsinhalt knüpft, so dass mit einer solchen Klausel nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen ist (BGH NJW-RR 04, 780 [BGH 11.12.2003 - III ZR 118/03]; NJW 00, 1181 [BGH 16.12.1999 - IX ZR 36/98]). Ausschlaggebend ist also die Perspektive des vertragstypischen Durchschnittskunden (BGH NJW-RR 01, 439 [BGH 04.10.2000 - XII ZR 44/98]; NJW 95, 2637 [BGH 30.06.1995 - V ZR 184/94]). Maßgebende Kriterien sind dabei neben dem Grad der Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht und der für den Geschäftskreis üblichen Gestaltung (BGHZ 102, 158 f; NJW 01, 1416 f) auch die Abweichung vom vertraglichen Leitbild (BGHZ 121, 113) und konkrete Umstände wie die Höhe des Entgelts (Hambg VersR 79, 134). Dieser strenge Maßstab geht über die bloße Unüblichkeit oder inhaltliche Unangemessenheit hinaus.

2. Überraschend.

 

Rn 6

Eine Klausel ist überraschend, wenn zwischen dem Klauselinhalt und den berechtigten Erwartungen des Kunden eine solch erhebliche Diskrepanz besteht, dass der Klausel ein ›Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt‹ innewohnt (BGH NJW-RR 17, 501 Rz 10; BAG NZA 18, 999 Rz 29). Neben dem Grad der Abweichung der Vorstellung der Gegenseite von der Ausgestaltung der Klausel (BGHZ 100, 85) sind va der ungewöhnliche äußere Zuschnitt der betr Klausel, ihre Stellung im Vertrag (etwa an unerwarteter oder gar versteckter Stelle), der Gang und Inhalt der Vertragsverhandlungen sowie der äußere Zuschnitt des Vertrages (Aufmachung, drucktechnische Anordnung, Schriftbild, MüKo/Fornasier § 305c Rz 7) zu berücksichtigen (BGHZ 102, 158 f; NJW-RR 16, 498 Rz 31; BAG NZA 22, 1271 Rz 12). Dabei kommt es auf die Erkenntnismöglichkeiten des für derartige Verträge typischerweise zu erwartenden Durchschnittskunden an (BGH NJW-RR 18, 337 Rz 9), es sei denn, die enttäuschte Kundenerwartung stützt sich gerade auf individuelle Umstände bei Vertragsschluss (BGHZ 102, 159; WM 81, 117).

 

Rn 7

Die berechtigten Erwartungen des Kunden schließen einen Überrumpelungseffekt aus, wenn während der Vertragsverhandlungen ein klarer und deutlicher Hinweis (auch durch besondere drucktechnische Gestaltung, BGH NJW-RR 02, 485 [BGH 21.06.2001 - IX ZR 69/00]) auf die Klausel erfolgte (BGH NJW 78, 1519 [BGH 01.03.1978 - VIII ZR 70/77], hier kann aber auch ein Fall von §§ 305 I 3, 305b gegeben sein) oder der Klauselinhalt anderweitig zum Inhalt der vertraglichen Vereinbarung gemacht wurde (MüKo/Fornasier § 305c Rz 9). Gleiches gilt, wenn beide Parteien die Klausel übereinstimmend in einem bestimmten Sinn...

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