Rn 1

Die Regeln zum Verzug haben ggü dem alten Recht erheblich an Bedeutung verloren. Pflichten sind regelmäßig zu einem bestimmten oder bestimmbaren Termin oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu erfüllen (Fälligkeit). Verzögerungen, dh Überschreitung solcher Termine für die Leistung (s § 271) sind bis zur vollständigen Erfüllung Pflichtverletzung (Grüneberg/Grüneberg § 286 Rz 6; anders nach altem Recht Schur Leistung und Sorgfalt 48, 89; Wahl Schuldnerverzug 196). Auch eine im Leistungszeitpunkt dem Inhalt der Leistungspflicht nicht voll entspr – etwa mangelhafte, später nachgebesserte – Leistung ist eine (doppelte) Pflichtverletzung: Der Schuldner hat schlecht und verspätet geleistet (aA offenbar BGH NJW 09, 2674 [BGH 19.06.2009 - V ZR 93/08] Rz 13 ff [mit unzulässigem Rückschluß aus § 437]). An Rechtsbehelfen stehen va der Erfüllungsanspruch (s § 241 Rn 21), Rücktritt und Kündigung (§§ 314, 323 ff) sowie Schadensersatz statt der Leistung oder statt der ganzen Leistung (§§ 280 I, III, 281–283) zur Verfügung. Für diese bedarf es keines Rückgriffs auf die Regeln zum Verzug (Ausnahme §§ 536a Var 3, 543 II 1 Nr. 3, 569 III Nr. 3). Die Berechtigung des Gläubigers zur Datenübermittlung an die SCHUFA und entspr Auskunfteien richtet sich nach den allg Bestimmungen der DSGVO (s Lewinski/Pohl, ZD 18, 17). Eine § 28a BDSG aF entspr abschließende Sonderregelung besteht nicht mehr.

 

Rn 2

Voraussetzung ist der – hinsichtlich seiner Voraussetzungen in § 286 geregelte – Verzug nur noch für die Haftungsverschärfungen nach §§ 287, 290, für die Verzinsung nach §§ 288 f und für die Ersatzfähigkeit des Verzögerungsschadens nach § 280 II (dazu § 280 Rn 2739). Bei der Anknüpfung an den Verzug in § 375 II Var 2 HGB handelt es sich um ein übersehenes Relikt des alten Rechts, das im Wege systematischer Auslegung (s §§ 280 I, III, 281 ff) aufzugeben ist. Eine gesonderte Klage auf Feststellung des Verzugs ist regelmäßig unzulässig (BGH NJW 00, 2280, 2281 auch zu Ausnahmen). Trotz Bedeutungsverlust und – in ihrer Form – Systemwidrigkeit hat der Gesetzgeber jedoch an besonderen Regeln für den Verzug des Schuldners festgehalten; es handelt sich um ein systematisches Fossil (zust Schroeter EWiR 06, 745, 746). Der Fortbestand hat seine Ursache auch darin, dass die der gesetzlichen Regelung tlw zugrundeliegende Zahlungsverzugsrichtlinie der Europäischen Union (RL 2011/7/EU (zuvor RL 2000/35/EG) zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr; dazu Gebauer/Wiedmann/Schmidt-Kessel Verzug) eben diesem Störungstyp gilt. Auf der Umsetzung dieser Richtlinie beruht der zum 29.7.14 inkraftgetretene Abs V (s Rn 28).

 

Rn 3

Der Anwendungsbereich von § 286 geht über vertragliche Schuldverhältnisse weit hinaus und umfasst alle Schuldverhältnisse, auch solche sachenrechtlichen Ursprungs (BGHZ 49, 263, 265 [für § 990 II]; BGHZ 85, 11, 13 [für § 990 II]; BGH NJW 16, 2104 [für § 888; Änderung der Rspr]). Für das Bereicherungsrecht begründen §§ 818 IV, 819 f ein Sonderregime, das die Anwendung der §§ 286 ff jedenfalls beim unverklagten, gutgläubigen Bereicherungsschuldner ausschließt (Larenz/Canaris § 73 II 4a, s iÜ § 818 Rz 39). Ohne derartige Sonderklauseln verbleibt es jedoch bei der Anwendung von § 286 auf alle Schuldverhältnisse, etwa auch dem Anspruch auf Urlaubsgewährung nach §§ 1 ff BUrlG (BAG NZA 06, 439, 441). Die Verzugsvorschriften des BGB, gelten auch, soweit der Schuldner als Sozialhilfeträger der Zahlungsverpflichtung der Hilfeempfänger aus den privatrechtlichen Pflegeverträgen durch Bewilligungsbescheide beigetreten ist (BGH NJW 15, 3782 [BGH 07.05.2015 - III ZR 304/14] Rz 19).

 

Rn 4

Der weite Anwendungsbereich der Zahlungsverzugsrichtlinie (dazu Gebauer/Wiedmann/Schmidt-Kessel Verzug Rz 8–10) macht eine Ausweitung auf bislang nach hA nicht erfasste Bereiche erforderlich, soweit es um (auch nicht-vertragliche) Entgelte für Güter oder Dienstleistungen geht. Gemeint sind Personen, die als amtliches Organ oder ein Träger eines privaten Amtes gegen Entgelt tätig werden, wie der Vormund (§§ 1773 ff; dazu BayObLG FamRZ 02, 767; Zweibr Rpfleger 02, 477; zu § 2 I VBVG s.a. § 278 Rn 16), der Betreuer (§ 1814; zu § 2I VBVG s § 278 Rn 16), der Nachlassverwalter (§§ 1975, 1987), der Testamentsvollstrecker (§§ 2197, 2221) sowie der Insolvenzverwalter (§§ 56, 63 InsO; dazu BGH NJW-RR 04, 1132, 1133). Voraussetzung ist zwar jeweils, dass auch auf Seiten des jeweiligen Treugebers die von Art 2 Nr 1 Zahlungsverzugsrichtlinie geforderte Unternehmereigenschaft vorliegt; das ist insbes beim Insolvenzverwalter über das Vermögen eines solchen Unternehmers der Fall (Gebauer/Wiedmann/Schmidt-Kessel Verzug Rz 15; nicht gesehen von BGH NJW-RR 04, 1132, 1133 [BGH 04.12.2003 - IX ZB 48/03]). Das Gebot einheitlicher Auslegung der Umsetzungsbestimmungen erfordert eine Anwendung jedoch grds auch in den übrigen Fällen. Entspr zur Lage bei den Organen oder Amtsträgern sind auch die Vergütungsansprüche von SV, Dolmetschern und Übersetzern (§§ 814 JVEG) vom Schutz der...

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