Gesetzestext

 

(1) Kennt der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes bei dem Empfang oder erfährt er ihn später, so ist er von dem Empfang oder der Erlangung der Kenntnis an zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zu dieser Zeit rechtshängig geworden wäre.

(2) Verstößt der Empfänger durch die Annahme der Leistung gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten, so ist er von dem Empfang der Leistung an in der gleichen Weise verpflichtet.

A. Normzweck und Anwendungsbereich.

 

Rn 1

§ 818 IV knüpft an den Eintritt der Rechtshängigkeit eine Verschärfung der Haftung des Bereicherungsschuldners (iE s § 818 Rn 36 ff). § 819 I erstreckt diese Haftungsverschärfung aus ähnlichen Gründen, die auf Seiten des Bereicherungsgläubigers nach § 814 zum Bereicherungsausschluss führen, auf den Zeitraum vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit. Danach beginnt die schärfere Haftung, sobald der Bereicherungsschuldner Kenntnis von der Rechtsgrundlosigkeit der Zuwendung erlangt, frühestens allerdings mit deren Empfang. Dies deshalb, weil von demjenigen, der nach den Umständen weiß, das Erlangte nicht behalten zu dürfen, besondere Sorgfalt bei der ›Verwahrung‹ des dann auch nach seiner Vorstellung fremden Gutes zu erwarten ist (so zutr BRHP/Wendehorst § 819 Rz 2 – unter Hinweis auf Mot II 55). Auf den Kondiktionsgrund kommt es insoweit nicht an; § 819 I gilt für alle Bereicherungstatbestände (MüKo/Schwab § 819 Rz 1).

 

Rn 2

Demgegenüber sanktioniert § 819 II mit gleichem Ergebnis eine von der Rechtsordnung nach allg Grundsätzen (§§ 134, 138) missbilligte Vermögensverschiebung, indem auch der gem § 817 1 zur Herausgabe verpflichtete Empfänger der verschärften Haftung nach § 818 IV unterworfen wird, wenn er durch die Annahme der Leistung gegen die guten Sitten oder gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat.

B. Tatbestand.

I. Kenntnis vom Fehlen des Rechtsgrundes – § 819 I.

1. Kenntnis.

 

Rn 3

Die Haftungsverschärfung gem § 819 I tritt ein, sobald der Bereicherungsschuldner positive Kenntnis vom Fehlen des rechtlichen Grundes erlangt hat. Erforderlich ist qualifizierte Kenntnis, die sich nicht nur auf die Tatsachen beschränken darf, welche die Rechtsgrundlosigkeit begründen (so aber Hamm NJW 77, 1824 [OLG Hamm 27.05.1977 - 11 U 56/77]), sondern mit Rücksicht auf den Schutzzweck der Norm (s Rn 1) auch die Rechtsfolgen der Rechtsgrundlosigkeit umfassen muss (BGHZ 133, 246, 249 f mwN; BGH NJW 14, 2790, 2793 Rz 27; 92, 2415, 2417; MüKo/Schwab § 819 Rz 2 f mwN; BRHP/Wendehorst § 819 Rz 3 f; AnwK/Linke § 819 Rz 2). Freilich wird man insoweit keine juristisch exakte Subsumtion verlangen können (Staud/Lorenz § 819 Rz 6; BRHP/Wendehorst § 819 Rz 3); ausreichend ist vielmehr eine am Maßstab des objektiv redlich Denkenden zu messende Parallelwertung in der Laiensphäre, die den Empfänger auf der Grundlage der (objektiv) feststellbaren Tatsachen zu der (subjektiven) Erkenntnis hätte bringen müssen, dass er den Zuwendungsgegenstand nicht behalten darf (vgl BGHZ 133, 246, 249 ff; BRHP/Wendehorst § 819 Rz 3 f; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 819 Rz 2). Demgegenüber reicht selbst grob fahrlässige Unkenntnis außerhalb des Regelungsbereichs anderweitiger Sonderbestimmungen (§§ 87 II BBG, 53 II BRRG, 49a II 2 VwVfG) nicht aus (Staud/Lorenz § 819 Rz 8 mwN), ebenfalls nicht Bösgläubigkeit iSd § 932 II sowie bloße Zweifel am Fortbestand des Rechtsgrundes (AnwK/Linke § 819 Rz 2 mwN). In diesen Fällen soll aber eine Haftung des Bereicherungsschuldners aus § 280 I in Betracht kommen (BGHZ 72, 9, 14; München WM 71, 264, 265). Bei nach der InsO anfechtbar abgegebenen Vermögensgegenständen ordnet § 143 I 2 InsO ausdrücklich die Anwendung der Rechtsfolgen des § 819 I an (BGH NJW 12, 1959, 1962 [BGH 26.04.2012 - IX ZR 74/11] Rz 31).

 

Rn 4

Bei (auflösend) bedingten Leistungen oder solchen unter Vorbehalt, weiß der Empfänger zwar um das Risiko, den Zuwendungsgegenstand wieder herausgeben zu müssen. Die verschärfte Haftung aus § 819 I trifft ihn nach obigen Grundsätzen jedoch erst dann, wenn er positive Kenntnis vom Eintritt der Bedingung bzw von der Verwirklichung des Vorbehalts erlangt (MüKo/Schwab § 819 Rz 17). Weiß der Empfänger hingegen, dass sein Vertragspartner zur Anfechtung des der Leistung zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts berechtigt ist, so muss er sich nach erfolgter Anfechtung gem § 142 II so behandeln lassen, als habe er auch Kenntnis von der anfänglichen Nichtigkeit (§ 142 I) des Vertrages gehabt. Der Empfänger haftet also im Ergebnis verschärft, sobald er positive Kenntnis vom Anfechtungsrecht des Leistenden hat (BGH WM 73, 560, 562; Staud/Lorenz § 819 Rz 7; MüKo/Schwab § 819 Rz 4; AnwK/Linke § 819 Rz 7). Das ist im Ergebnis nicht anders, wenn der Leistungsempfänger zur Anfechtung berechtigt ist, und zwar auch dann nicht, wenn er (irrtümlich) davon ausgeht, dem Leistenden sei die Anfechtbarkeit bekannt (Staud/Lorenz § 819 Rz 7; AnwK/Linke § 819 Rz 7). Denn allein diese Kenntnis führt nicht zum Kondiktionsausschluss gem § 814 (s § 814 Rn 4), so dass der Leistungsempfänger in aller Regel keinen Anlass für die Annahme haben kann, den Bereicherungsgegenstand trotz ...

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