Gesetzestext

 

(1) Für das Jugendamt, den Vereinsvormund und den Vormundschaftsverein als Vormund gilt § 1859 Absatz 1 entsprechend.

(2) Das Familiengericht kann auf Antrag Vormünder von den Beschränkungen bei der Vermögenssorge befreien, wenn eine Gefährdung des Mündelvermögens nicht zu besorgen ist. § 1860 Absatz 1 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Eltern können unter Beachtung der Voraussetzungen des § 1782 einen von ihnen benannten Vormund von den Beschränkungen nach den §§ 1845, 1848 und 1849 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2, Satz 2 sowie § 1865 Absatz 1 befreien. § 1859 Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(4) Das Familiengericht hat die Befreiungen aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen oder bei ihrer Fortgeltung eine Gefährdung des Mündelvermögens zu besorgen wäre.

 

Rn 1

Normzweck. Die Vorschrift regelt, wann der Vormund bei der Vermögenssorge nach §§ 1835–1854 von seinen Pflichten befreit ist bzw befreit werden kann. In I werden die Befreiungen kraft Gesetzes für das Jugendamt, den Vereinsvormund und den Vormundschaftsverein als Vormund geregelt. Dies entspricht im Wesentlichen der bisherigen Regelung in § 1857a, nun jedoch mit der Neuerung, dass auch der Vereinsvormund mitumfasst wird. II regelt die Befreiungsmöglichkeiten durch gerichtliche Entscheidung. Nach III sind Befreiungsmöglichkeiten der Eltern für einen von ihnen benannten Vormund möglich. Nach IV können die nach I–III erteilten Befreiungen durch gerichtliche Entscheidung aufgehoben werden.

 

Rn 2

Nach I gelten für die Vereins- und Amtsvormundschaft die in § 1859 I zugelassenen Befreiungen kraft Gesetzes. Dh, diese Vormünder können Anlagegeld auch ohne Sperrvereinbarung (§ 1859 I 1 Nr 1 iVm § 1845) anlegen und über Wertpapiere oder Forderungen auch ohne Genehmigung des FamG verfügen (§ 1849 I 1 Nr 1 u Nr 2 sowie S 2) und auch die zugehörigen Verpflichtungsgeschäfte entspr tätigen. Anders als bisher (§§ 1857 a, 1853, 1814 aF) müssen allerdings etwaige Inhaberpapiere gleichwohl hinterlegt werden (§ 1798 II iVm § 1843). Weitere Befreiungen des Jugendamts ergeben sich aus §§ 56 II u III SGB VIII. § 1859 I gilt über § 1859 II Nr 1–5 auch für nahe Angehörige des Betreuten, wie Vater, Mutter, Abkömmlinge, Geschwister und Ehegatten und Abkömmlinge sowie für den Betreuungsverein oder einen Vereinsbetreuer bzw die Betreuungsbehörde oder einen Behördenbetreuer. Von weiteren Verpflichtungen kann das FamG nach II befreien.

 

Rn 3

Nach II können Vormünder auf Antrag von den in § 1860 genannten Pflichten und Beschränkungen befreit werden, sofern nicht eine Gefährdung des Mündelvermögens zu besorgen ist. In Betracht kommen etwa eine Befreiung von der grundsätzlichen Anlagepflicht des Mündelvermögens (§ 1860 I Alt 1 iVm § 1841), der Verpflichtung, Anlagegeld mit Sperrvereinbarung anzulegen (§ 1860 I 1 Alt 2 iVm § 1845), der Genehmigungsbedürftigkeit einer anderen Anlegung von Anlagegeld (§ 1860 I 1 Alt 4 iVm § 1849 I 1 Nr 1 und Nr 2 sowie S 2). Gleiches gilt, wenn ein Erwerbsbetrieb betrieben wird oder aus besonderen Gründen der Vermögensverwaltung eine Befreiung von den Genehmigungserfordernissen des § 1854 Nr 2–5 erfolgen soll (§ 1860 II). u weiteren Befreiungsmöglichkeiten s § 1860 III.

III regelt abschließend die Möglichkeiten der Eltern, einen Vormund, den sie gem § 1782 benannt haben, von den Pflichten und Beschränkungen nach § 1845 (Pflicht zur Sperrvereinbarung), § 1848 (Genehmigungspflicht einer anderen Anlegung von Geld), § 1849 I 1 Nr 1 u 2 (Genehmigung von Verfügungen über Wertpapiere und Forderungen sowie entsprechende Verpflichtungsgeschäfte), § 1865 I (Pflicht zur Rechnungslegung) zu befreien. Eine Befreiung von der Verpflichtung nach §§ 1801 III 2, 1859 I 2 zur Vorlage einer idR jährlichen Vermögensübersicht beim FamG ist nach § 1801 III 2 ausgeschlossen (s aber § 1859 I 3, ggf ist durch das FamG die Anordnung einer längeren Vorlagefrist bis zur max Länge von fünf Jahren möglich).

 

Rn 4

Nach IV kann das FamG, sämtliche nach I–III gesetzlich vorgesehene oder angeordnete Befreiungen ganz oder teilweise außer Kraft zu setzen, wenn entweder die Voraussetzungen für die Befreiung nicht mehr vorliegen oder ihre Befolgung den Mündelinteressen zuwiderlaufen würde. Die Aufhebung muss erfolgen, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung die Vermögensinteressen des Mündels erheblich gefährdet sind (Staud/Veit § 1857 aF Rz 2). Die Neuregelung übernimmt insoweit die Regelung des § 1857 aF, wobei nunmehr auch eine Aufhebungsmöglichkeit für die in I vorgesehenen gesetzlichen Befreiungen geschaffen worden ist. Nach Wegfall der Interessengefährdung ist die Befreiung wieder in Kraft zu setzen. Die Aufhebung entfaltet keine Rückwirkung. Der Vormund ist beschwerdebefugt (§ 59 I FamFG).

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