Gesetzestext

 

(1) 1Die Zivilkammer entscheidet durch eines ihrer Mitglieder als Einzelrichter. 2Dies gilt nicht, wenn

1. das Mitglied Richter auf Probe ist und noch nicht über einen Zeitraum von einem Jahr geschäftsverteilungsplanmäßig Rechtsprechungsaufgaben in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten wahrzunehmen hatte oder
2.

die Zuständigkeit der Kammer nach § 72a Absatz 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes oder nach dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts wegen der Zuordnung des Rechtsstreits zu den nachfolgenden Sachgebieten begründet ist:

a) Streitigkeiten über Ansprüche aus Veröffentlichungen durch Druckerzeugnisse, Bild- und Tonträger jeder Art, insbesondere in Presse, Rundfunk, Film und Fernsehen;
b) Streitigkeiten aus Bank- und Finanzgeschäften;
c) Streitigkeiten aus Bau- und Architektenverträgen sowie aus Ingenieurverträgen, soweit sie im Zusammenhang mit Bauleistungen stehen;
d) Streitigkeiten aus der Berufstätigkeit der Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer;
e) Streitigkeiten über Ansprüche aus Heilbehandlungen;
f) Streitigkeiten aus Handelssachen im Sinne des § 95 des Gerichtsverfassungsgesetzes;
g) Streitigkeiten über Ansprüche aus Fracht-, Speditions- und Lagergeschäften;
h) Streitigkeiten aus Versicherungsvertragsverhältnissen;
i) Streitigkeiten aus den Bereichen des Urheber- und Verlagsrechts;
j) Streitigkeiten aus den Bereichen der Kommunikations- und Informationstechnologie;
k) Streitigkeiten, die dem Landgericht ohne Rücksicht auf den Streitwert zugewiesen sind.

(2) Bei Zweifeln über das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 entscheidet die Kammer durch unanfechtbaren Beschluss.

(3) 1Der Einzelrichter legt den Rechtsstreit der Zivilkammer zur Entscheidung über eine Übernahme vor, wenn

1. die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist,
2. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
3. die Parteien dies übereinstimmend beantragen.

2Die Kammer übernimmt den Rechtsstreit, wenn die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 oder 2 vorliegen. 3Sie entscheidet hierüber durch Beschluss. 4Eine Zurückübertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) Auf eine erfolgte oder unterlassene Vorlage oder Übernahme kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Seit dem ZPO-Reformgesetz ist das Kollegialprinzip für das Verfahren vor dem LG in 1. Instanz aufgegeben. In der Erwartung, hierdurch die Zahl der Erledigungen ohne (relevante) Qualitätseinbußen zu erhöhen, ist die grds Zuständigkeit des Einzelrichters begründet worden (Abs 1 S 1). Dieser ist in den Fällen seiner Zuständigkeit gesetzlicher Richter und mit allen Befugnissen des Prozessgerichts ausgestattet. Durch die Ausnahmen in Abs 1 S 2 sowie die Übernahmevorlagen nach Abs 3 und § 348a II soll gewährleistet werden, dass besonders schwierige Verfahren durch die Kammer entschieden werden. Nach der Gesetzesbegründung sollen dies ca 30 % der Verfahren sein (BTDrs 14/4722, 63) – ein Wert, der in der Praxis vieler Kammern weit unterschritten wird. Dadurch wird nicht nur die Qualität, sondern auch die Einheitlichkeit der Entscheidungen einer Kammer (vgl hierzu BGHZ [GrSZ] 37, 210, 213) gefährdet. Mit G v 28.4.17 (BGBl I 969) hat der Gesetzgeber den Aspekt der Qualitätssicherung wieder stärker betont und ab dem 1.1.18 für bestimmte Materien (lit. b, c, e und h) die Einrichtung von Spezialspruchkörpern angeordnet (§§ 72a, 119a GVG nF); insoweit ist der originäre Einzelrichter ausgeschlossen (Abs 1 S 2 Nr. 2 nF). Mit G v 12.12.19 (BGBl I 2633) ist ab dem 1.1.21 die Spezialisierung in Zivilsachen ausgebaut worden, indem in § 72a I GVG nF (§ 119a GVG nF für die OLG) der Katalog der obligatorischen Spezialspruchkörper erweitert wurde (neu ab 1.1.21: Pressesache, Erbsachen, insolvenzrechtliche Streitigkeiten und Beschwerden sowie Anfechtungssachen nach dem AnfG, vgl BTDrs 19/13828, 22f). § 40a EGGVG nF sieht ab dem 1.1.21 insofern eine gestufte Übergangsregelung für vor dem 1.1.18 (Abs 1) und für zwischen dem 1.1.18 und dem 31.12.20 (Abs 2) anhängig gewordene Verfahren vor.

Anwendungsbereich: § 348 gilt nicht in Baulandsachen (§ 220 I 3 BauGB), im Musterverfahren nach dem KapMuG (§ 11 I 2 [nF] KapMuG) und im Verfahren der Musterfeststellungsklage nach §§ 606 ff (§ 610 V 2). Sonderregelungen enthalten § 349 (Kammer für Handelssachen), § 526 (Berufungsverfahren) und § 568 (Beschwerdeverfahren).

B. Originärer Einzelrichter.

 

Rn 2

Dieser ist nach Abs 1 S 1 die Regel; die Ausnahmen sind in S 2 geregelt (s Rn 36). Welches Kammermitglied zuständiger Einzelrichter ist, muss sich aus einem kammerinternen Geschäftsverteilungsplan ergeben, der nach § 21g GVG aufzustellen ist. Zweifelsfragen zur internen Zuständigkeit, die durch die originäre Einzelrichterzuständigkeit entstehen können, müssen nach Abs 2 vom Kollegialorgan geklärt werden (BGHZ 156, 147, 152 = NJW 03, 3636, 3637). Im Beschwerdeverfahren ist § 348 II entsprechend anwendbar (BGHZ 156, 147, 152 = NJW 03, 3636, 3637; Rostock OL...

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