Gesetzestext

 

(1) Bei den Oberlandesgerichten werden ein oder mehrere Zivilsenate für folgende Sachgebiete gebildet:

1. Streitigkeiten aus Bank- und Finanzgeschäften,
2. Streitigkeiten aus Bau- und Architektenverträgen sowie aus Ingenieurverträgen, soweit sie im Zusammenhang mit Bauleistungen stehen,
3. Streitigkeiten aus Heilbehandlungen,
4. Streitigkeiten aus Versicherungsvertragsverhältnissen,
5. Streitigkeiten über Ansprüche aus Veröffentlichungen durch Druckerzeugnisse, Bild- und Tonträger jeder Art, insbesondere in Presse, Rundfunk, Film und Fernsehen,
6. erbrechtliche Streitigkeiten und
7. insolvenzrechtliche Streitigkeiten, Anfechtungssachen nach dem Anfechtungsgesetz sowie Streitigkeiten aus dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz.

(2) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung bei den Oberlandesgerichten einen oder mehrere Zivilsenate für weitere Sachgebiete einzurichten. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(3) Den Zivilsenaten nach den Absätzen 1 und 2 können auch Streitigkeiten nach § 119 Absatz 1 zugewiesen werden.

A. Vorbemerkung.

 

Rn 1

Die Vorschrift ist eingefügt worden durch das G zur Reform des Bauvertragsrechts, zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung, zur Stärkung des zivilprozessualen Rechtsschutzes und zum maschinellen Siegel im Grundbuch- und Schiffregisterverfahren vom 28.4.17 (BGBl I 17, 969); zuletzt geändert wurde sie durch Art 2 SanInsFoG v 22.12.20 (BGBl I 3256). Für Fälle, die am 1.1.18 bereits am OLG anhängig waren, gilt die Zuständigkeitszuweisung nach § 119a ›in der bis einschließlich 31.12.20 geltenden Fassung‹ nicht (§ 40a I EGGVG); die Beschränkung des § 40a EGGVG auf die bis zum 31.12.20 geltende Fassung dürfte auf einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers beruhen, so dass es für diese Altfälle bei der Zuständigkeit des schon 2017 befassten Spruchkörpers bleibt (vgl BTDrs 18/11437, 46 und BTDrs 19/13828, 23). Für Fälle, die in den Jahren 2018 bis 2020 am OLG anhängig wurden, gilt § 119a in der bis zum 31.12.20 geltenden Fassung fort (§ 40a II GVG). Die zwingend vorgesehene Einrichtung von Spezialkammern bei den Landgerichten (§ 72a) und Spezialsenaten bei den Oberlandesgerichten für Sachgebiete, in denen regelmäßig besonders komplexe Sachverhalte oder Rechtsfragen zu behandeln sind, soll sicherstellen, dass innerhalb des Gerichts eine häufigere Befassung der entscheidenden Spruchkörper mit dieser Materie eintritt (BTDrs 18/11437, 45f). Die durch den damit verbundenen Zuwachs an Erfahrung und Wissen eintretende Spezialisierung soll zur Qualitätssicherung und -steigerung beitragen und stellt auch eine Reaktion auf die zunehmende Spezialisierung der Anwaltschaft dar (Zö/Lückemann § 72a Rz 1). Die obligatorische Einführung der Spezialspruchkörper wurde als erforderlich angesehen, weil die Präsidien der Oberlandes- und Landgerichte die Einführung von spezialisierten Kammern und Senaten eher zögerlich vorangetrieben haben (vgl. dazu die Daten bei Fölsch, DRiZ 2017, 166, 168).

B. Einrichtung und Zuständigkeiten der Spezialsenate.

 

Rn 2

Nach Abs 1 sind für die in Abs 1 Nr 1–7 genannten Sachgebiete ein oder mehrere Zivilsenate zu bilden. Abs 3 bestimmt, dass den Zivilsenaten neben diesen Sachgebieten auch weitere in die Zuständigkeit der Zivilsenate fallende Streitigkeiten (§ 119 I) zugewiesen werden können. Dass nur auf § 119 I und nicht auch auf § 119 III und § 118 verwiesen wird, dürfte auf Redaktionsversehen zurückzuführen sein – in der BegrRegE des G zur Reform des Bauvertragsrechts wird die fehlende Nennung von § 118 nicht thematisiert (BTDrs 18/11437, 46), und die erforderliche Anpassung auch des § 119a wurde offenbar nicht bedacht, als im Gesetzgebungsverfahren die Zuständigkeit für Musterfeststellungsklagen – anders als noch im Gesetzesentwurf geplant – dem OLG übertragen wurde (vgl BTDrs 19/2741, 6). Aus Abs 1 folgt, dass die Präsidien der Oberlandesgerichte zwingend Senate einsetzen müssen, denen die dort genannten Sachgebiete vollständig als Sonderzuständigkeiten zugewiesen werden. Ob für die jeweiligen Sachgebiete ein oder mehrere Senate gebildet werden, einem Senat mehrere dieser Sachgebiete zugewiesen werden oder weitere Zuständigkeiten aus anderen, nicht in § 119a geregelten Sachgebieten hinzukommen, entscheiden weiterhin die Gerichtspräsidien (Fölsch, a.a.O. 167f). Dem Sinn und Zweck des Gesetzes würde es allerdings widersprechen, wenn eine Verteilung eines der in Abs 1 genannten Sachgebiete auf mehrere Senate dazu führt, dass in einzelnen dieser Senate keine nennenswerte Anzahl von Verfahren eingeht und eine Spezialisierung damit faktisch nicht eintreten kann.

 

Rn 3

Die in Abs 1 getroffene Regelung ist eine gesetzliche Zuständigkeitsverteilung. Für die nähere Definition, Eingrenzung und Bestimmung der Sachgebiete sind die Gerichtspräsidien deshalb nicht zuständig (BT-Drs 18/11437, 45). Auch ein Kompetenzkonflikt zu der Frage, ob ein Verfahren zu einem Sachgebiet im Sinne dieser Vorschrift gehört, darf nicht vom Präsidium entscheiden werden. Negativ...

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