Gesetzestext

 

(1) Handelssachen im Sinne dieses Gesetzes sind die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in denen durch die Klage ein Anspruch geltend gemacht wird:

1. gegen einen Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuches, sofern er in das Handelsregister oder Genossenschaftsregister eingetragen ist oder auf Grund einer gesetzlichen Sonderregelung für juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht eingetragen zu werden braucht, aus Geschäften, die für beide Teile Handelsgeschäfte sind;
2. aus einem Wechsel im Sinne des Wechselgesetzes oder aus einer der im § 363 des Handelsgesetzbuchs bezeichneten Urkunden;
3. auf Grund des Scheckgesetzes;
4.

aus einem der nachstehend bezeichneten Rechtsverhältnisse:

a) aus dem Rechtsverhältnis zwischen den Mitgliedern einer Handelsgesellschaft oder Genossenschaft oder zwischen dieser und ihren Mitgliedern oder zwischen dem stillen Gesellschafter und dem Inhaber des Handelsgeschäfts, sowohl während des Bestehens als auch nach Auflösung des Gesellschaftsverhältnisses, und aus dem Rechtsverhältnis zwischen den Vorstehern oder den Liquidatoren einer Handelsgesellschaft oder Genossenschaft und der Gesellschaft oder deren Mitgliedern;
b) aus dem Rechtsverhältnis, welches das Recht zum Gebrauch der Handelsfirma betrifft;
c) aus den Rechtsverhältnissen, die sich auf den Schutz der Marken und sonstigen Kennzeichen sowie der eingetragenen Designs beziehen;
d) aus dem Rechtsverhältnis, das durch den Erwerb eines bestehenden Handelsgeschäfts unter Lebenden zwischen dem bisherigen Inhaber und dem Erwerber entsteht;
e) aus dem Rechtsverhältnis zwischen einem Dritten und dem, der wegen mangelnden Nachweises der Prokura oder Handlungsvollmacht haftet;
f) aus den Rechtsverhältnissen des Seerechts, insbesondere aus denen, die sich auf die Reederei, auf die Rechte und Pflichten des Reeders oder Schiffseigners, des Korrespondentreeders und der Schiffsbesatzung, auf die Haverei, auf den Schadensersatz im Falle des Zusammenstoßes von Schiffen, auf die Bergung und auf die Ansprüche der Schiffsgläubiger beziehen;
5. auf Grund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb;
6. aus den §§ 9, 10, 11, 14 und 15 des Wertpapierprospektgesetzes oder den §§ 20 bis 22 des Vermögensanlagengesetzes.

(2) Handelssachen im Sinne dieses Gesetzes sind ferner

1. die Rechtsstreitigkeiten, in denen sich die Zuständigkeit des Landgerichts nach § 246 Abs. 3 Satz 1, § 396 Abs. 1 Satz 2 des Aktiengesetzes, § 51 Abs. 3 Satz 3 oder nach § 81 Abs. 1 Satz 2 des Genossenschaftsgesetzes, § 87 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, es sei denn, es handelt sich um kartellrechtliche Auskunfts- oder Schadensersatzansprüche, und § 13 Abs. 4 des EU-Verbraucherschutzdurchführungsgesetzes richtet,
2. die in § 71 Abs. 2 Nr. 4 Buchstabe b bis f genannten Verfahren.

A. Überblick.

 

Rn 1

Die Norm stellt im Kontext des § 94 den Katalog der Handelssachen auf, der im Wesentlichen die Rechtsstreitigkeiten enthält, die eine Anrufung der KfH durch eine der Parteien ermöglichen. Nicht möglich ist, jenseits der gesetzlichen Zuweisung die Zuständigkeit der KfH zu prorogieren (§ 94 Rn 2a); nur umgekehrt können die Parteien (wegen § 98 III) von einer gegebenen Möglichkeit, die KfH anzurufen, Abstand nehmen und ihren Streit vor der allgemeinen Zivilkammer austragen (Gaul JZ 84, 57, 58).

 

Rn 2

Ob eine Handelssache vorliegt, beurteilt sich nach den vom Kläger in der Klage oder Antragsbegründung mitgeteilten Tatsachen in Verbindung mit dem geltend gemachten Anspruch (BGHZ 16, 275; Stuttg OLGR 02, 455). Dabei ist das Rechtsschutzbegehren insgesamt zu werten; nur wenn bei der objektiven Klagehäufung alle Ansprüche als Handelssachen zu qualifizieren sind, bei einer Parteienmehrheit die Begründung für alle Beteiligten greift, kann die KfH berufen sein (Frankf NJW 92, 2900 [OLG Frankfurt am Main 06.05.1992 - 20 AR 92/92]; Köln OLGR 08, 572). Andernfalls ist – soweit möglich – eine Trennung und Teilverweisung anzustreben oder die Sache insgesamt an die Zivilkammer abzugeben. Im Grundsatz unschädlich sind Anspruchskonkurrenzen (Köln 2.1.12 – 8 AR 64/11; LG Münster 16.9.07 – 11 O 295/07; BeckOKGVG/Pernice Rz 4 mwN, § 97 Rz 4; aA MüKoZPO/Pabst § 97 GVG Rz 6). Besteht jedoch für den konkurrierenden Anspruch eine besondere Zuständigkeitskonzentration wie in § 6 II UKlaG, die durch eine Befassung der KfH unterlaufen würde, kann man am Vorliegen einer Handelssache zweifeln (vgl Hamm 26.4.19 – 32 SA 20/19; dagegen LG München I MDR 21, 1075).

 

Rn 3

Die in § 95 getroffene Regelung ist nicht abschließend. Weitere Handelssachen folgen etwa aus § 102 II EnWG oder § 66 II WpÜG. Offen ist die Frage, ob nicht Bestimmungen des Rechts der AG auf die GmbH Anwendung finden (Celle GmbHR 08, 264). Sodann gibt die Norm die Grundlage für Annexkompetenzen. Vollstreckungsabwehrklagen werden, soweit Gegenstand ein vor der KfH entstandener Titel ist, kraft Sachzusammenhangs akzeptiert (BGH NJW 75, 829 [BGH 06.02.1975 - III ZB 11/74]), ebenso der aus § 945 ZPO abgeleitete Schadensersatzanspruch (LG Oldenburg NJW-RR ...

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