Gesetzestext

 

(1) Ist eine originäre Einzelrichterzuständigkeit nach § 348 Abs. 1 nicht begründet, überträgt die Zivilkammer die Sache durch Beschluss einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung, wenn

1. die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist,
2. die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und
3. nicht bereits im Haupttermin vor der Zivilkammer zur Hauptsache verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(2) 1Der Einzelrichter legt den Rechtsstreit der Zivilkammer zur Entscheidung über eine Übernahme vor, wenn

1. sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Sache oder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergeben oder
2. die Parteien dies übereinstimmend beantragen.

2Die Kammer übernimmt den Rechtsstreit, wenn die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 vorliegen. 3Sie entscheidet hierüber nach Anhörung der Parteien durch Beschluss. 4Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(3) Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung, Vorlage oder Übernahme kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

A. Normzweck.

 

Rn 1

§ 348a gibt der Kammer die Möglichkeit, Verfahren, in denen sie originär zuständig ist, an den Einzelrichter zu übertragen. Damit soll sichergestellt werden, dass die Kammer nur dann als Kollegialgericht über eine Sache entscheidet, wenn sie besondere Schwierigkeiten aufweist oder von grundsätzlicher Bedeutung ist. Die Übertragung ist in den Fällen des Abs 1 obligatorisch. Sieht die Kammer von einer Übertragung ab, kann sie die Sache auch im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht auf den Einzelrichter übertragen; sie bleibt dann vielmehr als Prozessgericht zuständig (Kobl NJW-RR 02, 1724, 1725; Celle OLGR 04, 619). Nach der Übertragung ist der Einzelrichter als Prozessgericht mit den gleichen Befugnissen wie der originäre Einzelrichter ausgestattet (vgl § 348 Rn 1). Parteierweiterungen lassen die Zuständigkeit des Einzelrichters unberührt (Zö/Greger Rz 7; aA München NJW-RR 92, 123 [OLG München 20.12.1990 - 1 U 3750/90]). Gleiches gilt für Klageänderungen und Widerklagen. Ggf kann der Einzelrichter nach Abs 2 vorlegen.

B. Voraussetzungen.

 

Rn 2

Die in Abs 1 Nr 1 bis 3 genannten Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein. Ist dies der Fall, muss die Kammer die Sache auf den Einzelrichter übertragen. Zu den Voraussetzungen für besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art s.o. § 348 Rn 8; zur grundsätzlichen Bedeutung s.u. § 511 Rn 45 f. Die Übertragung ist ausgeschlossen, wenn im Haupttermin (vgl § 272 I, § 279) vor der Kammer verhandelt worden ist. Bei Säumnis einer Partei wurde nicht verhandelt. Ein früher erster Termin kann Haupttermin sein, wenn er – was die Regel sein dürfte – wie ein Haupttermin durchgeführt wird, dh umfassend vorbereitet ist (§ 272 I). Dies kann sich zB darin zeigen, dass die Kammer auf den frühen ersten Termin einen Beweisbeschluss erlässt (vgl Brandbg NJW-RR 00, 1338 [OLG Brandenburg 16.03.2000 - 8 U 66/99], str). Haupttermin kann auch der Termin gem § 128 II 2 Alt 1 sein, auf den im schriftlichen Verfahren entschieden werden soll. Nach Erlass eines Kammerbeschlusses in einem Verfügungsverfahren ist eine Übertragung auf den Einzelrichter für das folgende Widerspruchsverfahren nicht mehr statthaft (München MDR 18, 1461, 1462 [OLG Frankfurt am Main 29.08.2018 - 14 U 52/18]). Eine gleichwohl erfolgte Übertragung ist allerdings idR (vgl § 348a Rn 5) nicht überprüfbar (Abs 3). Ausnahmsweise ist nach dem Haupttermin eine Übertragung zulässig, wenn ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist. Es darf danach aber nicht ein weiterer Haupttermin vor der Kammer stattgefunden haben. Einer Übertragung steht es auch nicht entgegen, wenn vor einem anderen Gericht ein Haupttermin stattgefunden hat und dieses Gericht den Rechtsstreit dann an das erkennende Gericht gem § 281 verwiesen hat. Eine Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen, wenn die Kammer den Rechtsstreit zuvor vom obligatorischen Einzelrichter übernommen hatte (Abs 2 S 4).

C. Verfahren.

 

Rn 3

Die Kammer entscheidet durch Beschl, der keiner Begründung bedarf. Der Übertragungsbeschluss bedarf für seine Wirksamkeit der Unterschrift aller mitwirkenden Mitglieder der Kammer (s Frankf Urt v 5.8.22 – 21 U 84/21 = MDR 22, 1436). Er kann nicht mit einem Beweisbeschluss (der Kammer) verbunden werden (vgl Brandbg NJW-RR 00, 1338 [OLG Brandenburg 16.03.2000 - 8 U 66/99]). Vor Erlass des Beschlusses sind die Parteien anzuhören, dh es ist der Eingang der Klageerwiderung abzuwarten, in der sich der Beklagte erklären soll, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen (§ 277 I 2); eine unterbliebene Anhörung verletzt Art 103 I GG (s München MDR 16, 179, auch zur Heilungsmöglichkeit; aA wohl BWVerfGH Beschl v 8.11.17 – 1 VB 7/17). Der Kl soll sich hierzu bereits in der Klageschrift äußern (§ 253 III Nr 3). Einer gesondert...

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