Gesetzestext

 

(1) Das Berufungsgericht kann durch Beschluss den Rechtsstreit einem seiner Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn

1. die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen wurde,
2. die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist,
3. die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und
4. nicht bereits im Haupttermin zur Hauptsache verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(2) 1Der Einzelrichter legt den Rechtsstreit dem Berufungsgericht zur Entscheidung über eine Übernahme vor, wenn

1. sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Sache oder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergeben oder
2. die Parteien dies übereinstimmend beantragen.

2Das Berufungsgericht übernimmt den Rechtsstreit, wenn die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 vorliegen. 3Es entscheidet hierüber nach Anhörung der Parteien durch Beschluss. 4Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(3) Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung, Vorlage oder Übernahme kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(4) In Sachen der Kammer für Handelssachen kann Einzelrichter nur der Vorsitzende sein.

A. Systematik, Zweck, Anwendungsbereich.

I. Allgemeines zum Einzelrichter.

 

Rn 1

Für die Berufung ist – anders als in 1. Instanz (§§ 348f) und bei der sofortigen Beschwerde (§ 568) – grds nicht der Einzelrichter, sondern das Kollegium zuständig. Damit trägt das Gesetz der höheren materiellen Richtigkeitsgewähr der Entscheidung durch ein Kollegium Rechnung (›Sechs Augen sehen mehr als zwei.‹). Möglich ist eine Übertragung zur Entscheidung (§ 526) oder eine Zuweisung zur Vorbereitung der Entscheidung des Kollegiums (§ 527). Abgegrenzt werden muss der Einzelrichter des Berufungsgerichts von dem beauftragten Richter (§§ 525, 355 I 2). Die Person des Einzelrichters wird durch die spruchkörperinterne Geschäftsverteilung (§ 21g II, III GVG; BGH NJW 93, 600, 601; Zweibr MDR 05, 348; BayObLG FamRZ 04, 1136; St/J/Grunsky § 524 aF Rz 2; Rn 15) bestimmt und ist idR, aber nicht notwendig, identisch mit dem Berichterstatter. Der einmal als Einzelrichter tätig gewordene Richter bleibt auch nach der Zurückweisung aus der höheren Instanz zuständig (Zweibr OLGR 04, 55). In der Kammer für Handelssachen kann Einzelrichter nur der Vorsitzende sein (§§ 526 IV, 527 I 2; Bergerfurth NJW 75, 331).

 

Rn 2

Die §§ 526 f gelten für alle zweitinstanzlich tätigen Spruchkörper, dh für die Zivilkammern (§ 72 GVG) und die Kammern für Handelssachen (§ 100 GVG) der Landgerichte genauso wie für die Zivilsenate der Oberlandesgerichte (§ 116 GVG). Sie gelten für das Berufungsverfahren, nicht für andere Verfahren, für die die Zuständigkeit des Berufungsgerichts gegeben ist, insb nicht für das Verfahren auf gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit nach § 36 (Rostock FamRZ 04, 650).

II. Der entscheidende Einzelrichter (§ 526).

 

Rn 3

Nur aufgrund einer besonderen Entscheidung des Berufungsgerichts tritt der Einzelrichter an die Stelle des kompletten Spruchkörpers (fakultativer Einzelrichter). Die Übertragung zur Verhandlung und Entscheidung dient einer Entlastung des Kollegiums, soll personelle Ressourcen ökonomischer nutzen und so Kapazitäten frei machen.

B. Übertragung (Abs 1).

I. Voraussetzungen.

 

Rn 4

Eine Übertragung ist möglich, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen wurde, die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, keine grundsätzliche Bedeutung hat und über sie nicht bereits im Haupttermin zur Hauptsache verhandelt worden ist (§ 526 I). Auch wenn die Voraussetzungen in weiten Bereichen deckungsgleich mit denen einer erstinstanzlichen Einzelrichterbefassung sind (§§ 348 III; 348a II Nr 1), bedürfen sie in der Berufungsinstanz besonderer Prüfung.

1. Erstinstanzliche Einzelrichterentscheidung (Nr 1).

 

Rn 5

Regelmäßig fallen in der Berufung nur erstinstanzliche Einzelrichterentscheidungen an (§§ 348 f; 22 I GVG). Kollegialentscheidungen können von der Kammer für Handelssachen (§ 349) und der Zivilkammern mit einer Sonderzuständigkeit nach § 348 I 2 Nr 2) herrühren. Dass erstinstanzlich eine Kammerentscheidung unter Verletzung der §§ 348, 349 ergangen ist, rechtfertigt eine zweitinstanzliche Einzelrichterentscheidung nicht (arg §§ 348 IV, 348a III; Celle OLGR 03, 8; Frankf OLGR 03, 340; aA [analoge Anwendung des § 538 I Nr 1] KG KGR 08, 449). Einzelrichterentscheidungen sind nicht solche des Vorsitzenden einer Kammer für Handelssachen nach § 349 II, III (BGH NJW 04, 856 [BGH 20.10.2003 - II ZB 27/02]).

2. Keine besondere Schwierigkeit (Nr 2).

 

Rn 6

Das Erfordernis fehlender besonderer Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art entspricht dem in §§ 348 III Nr 1, 348a I Nr 1 (§ 348 Rn 8). Lagen solche Schwierigkeiten bereits in 1. Instanz vor, so kam schon dort der Einzelrichter nicht zum Einsatz, auch in der Berufung ist dann eine Einzelrichterentscheidung nach § 526 I Nr 1 ausgeschlossen. Dass erstinstanzlich ein Einzelrichter tätig wurde, indiziert das Fehlen besonderer Schwierigkeiten (Musielak/Voit/Ball Rz 4), enthebt das Berufungsgericht aber ...

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