Gesetzestext

 

(1) 1Die Zivilkammern, einschließlich der Kammern für Handelssachen und der in § 72a genannten Kammern, sind die Berufungs- und Beschwerdegerichte in den vor den Amtsgerichten verhandelten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit nicht die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte begründet ist. 2Die Landgerichte sind ferner die Beschwerdegerichte in Freiheitsentziehungssachen und in den von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen.

(2) 1In Streitigkeiten nach § 43 Absatz 2 des Wohnungseigentumsgesetzes ist das für den Sitz des Oberlandesgerichts zuständige Landgericht gemeinsames Berufungs- und Beschwerdegericht für den Bezirk des Oberlandesgerichts, in dem das Amtsgericht seinen Sitz hat. 2Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung anstelle dieses Gerichts ein anderes Landgericht im Bezirk des Oberlandesgerichts zu bestimmen. 3Sie können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

A. Zweite Instanz.

 

Rn 1

Das LG ist nach Abs 1 zur Entscheidung über Berufungen und Beschwerden gegen Entscheidungen der Amtsgerichte berufen. Die geplante Reform, alle Rechtsmittel bei den Oberlandesgerichten zu konzentrieren, ist nur rudimentär umgesetzt worden (Kissel/Mayer § 119 Rz 6). Berufung betrifft das in §§ 511 ff ZPO geregelte Rechtsmittel. Beschwerde umfasst die sofortige Beschwerde in §§ 567 ff ZPO sowie die in zahlreichen anderen Gesetzen geregelten ›Zivil‹beschwerden. Zu nennen sind hier etwa § 6 InsO; §§ 66 ff GKG; §§ 33, 56 RVG; § 4 III JVEG; §§ 8183 GNotKG; § 5 GvKostG. Zu berücksichtigen sind weiter Beschwerden nach §§ 391, 408 FamFG. Die Anknüpfung, ob eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit vorliegt, erfolgt formell, dh es kommt darauf an, in welcher Weise das AG nach außen in Erscheinung getreten ist (BGH NJW 91, 231, 232 [BGH 04.10.1990 - XII ZB 89/90]). Die praktische Bedeutung liegt hier in der Abgrenzung der Entscheidungen der Familiengerichte von solchen anderer Abteilungen. Ausgenommen von der Zuständigkeit des LG sind nämlich die Gegenstände, die der Gesetzgeber in § 119 I Nr 1 dem OLG zugewiesen hat. Dazu gehören vornehmlich Familiensachen (ohne Beratungshilfe: Hamm NJW-Spezial 11, 571 [OLG Hamm 31.05.2011 - 32 Sbd 39/11]; Köln MDR 11, 258; Naumbg NJW-RR 13, 1340 [OLG Naumburg 11.03.2013 - 2 Wx 51/12]). Eine Rückausnahme bilden nach Abs 1 S 2 Freiheitsentziehungs- und Betreuungssachen (vgl Diekmann BtPrax 09, 149; Sonnenfeld BtPrax 09, 167; Abramenko AnwBl 10, 117; einschl. Honorarfragen: Jena 11.3.13 – 9 W 127/13), für welche das LG zuständig ist (Ddorf 24.8.11 – 3 Wx 188/11). Grundbuchbeschwerden sind dem OLG zugewiesen (§ 72 GBO), ebenso Beschwerden in Rechtshilfesachen gem § 159 und gegen bestimmte Ordnungsmittel (§ 181).

B. Konzentration von Binnenstreitigkeiten.

 

Rn 2

Mit Abs 2 wurde für die sog Binnenstreitigkeiten nach dem heutigen § 43 II WEG eine Konzentrationsregelung geschaffen (G v 26.3.07, BGBl I, 370 iVm G v 14.3.07, BGBl I, 509; Anpassung an die Neufassung des § 43 WEG: G v 16.10.20, BGBl I, 2187). Dass der für WEG-Sachen zuständige Richter am AG entschieden hat, begründet noch keine Zuständigkeit gem Abs 2; vielmehr geht es um die Qualifikation, ob eine WEG-Sache vorliegt oder nicht (BGH NJW-RR 16, 122 [OLG Hamm 09.04.2015 - 28 U 207/13]; NJW 20, 1525 Rz 12; Cuypers ZAP Fach 13, 2067 ff). Bei einer einheitlichen Entscheidung in erster Instanz richtet sich die Zuständigkeit des Berufungsgerichts auch dann einheitlich nach Abs 2, wenn nur ein Teil der Entscheidung eine WEG-Sache iSd § 43 II WEG betrifft (vgl BGH NJW 20, 1525 Rz 8). Entziehungsklagen werden erfasst (BGH NJW-RR 14, 452 mit Anm Hogenschurz IMR 14, 132). Die ausschließliche Zuständigkeit des nach Abs 2 berufenen Gerichts erstreckt sich auch auf Vollstreckungsabwehrklagen (BGH NJW 09, 1282; dazu auch: Briesemeister ZMR 09, 91). Einen Streit um den Nießbrauch ordnet der BGH (MDR 15, 1122) hingegen als allgemeinen Zivilrechtsstreit ein. Ist eine Zuordnung nicht zweifelsfrei möglich, empfiehlt Hogenschurz resignierend, das Rechtsmittel bei beiden denkbaren Gerichten einzulegen (NJW 15, 1990, 1995; s.a. Hansens JurBüro 15, 54). – Rufen Streithelfer und Hauptpartei verschiedene Gerichte an, ist der Streit nicht notwendig an das von der Hauptpartei angegangene, sondern an das nach Abs 2 zuständige Gericht weiterzuleiten (BGH NJW-RR 12, 131 [BGH 12.10.2011 - XII ZB 127/11]). Dies hat bei Streitgenossen, jedenfalls dann, wenn die erstinstanzliche Entscheidung beide erfasst (BGH NJW-RR 14, 1107 [BGH 03.07.2014 - V ZB 26/14]), Vorrang (Riecke/v. Rechenberg MDR 15, 67, 70). Zum Rechtsmittel des Verwalters: Lehmann-Richter ZWE 09, 74; s.a. BGH MDR 14, 1287. Zum vorangegangenem Mahnverfahren: Hamm NZM 10, 169, 170 [OLG Hamm 05.05.2009 - I-15 Wx 22/09]. – Die Konzentrationsregelung ist schwer überschaubar und haftungsrechtlich gefährlich (vgl Hamm NZM 16, 823 [OLG Hamm 20.10.2016 - 32 SA 63/16]; dazu Hogenschurz WuM 17, 81; wN 14. Aufl). Die Landesgesetzgeber haben von der Möglichkeit, statt des an sich vorgesehenen LG am Sitz des OLG ein anderes Gericht zu betrauen, ...

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