Rn 42

Der verspätete Zeitpunkt des Vorbringens verstößt zwar nicht gegen eine Fristsetzung iSv Abs 1, aber gegen die allgemeine Prozessförderungspflicht. Dabei regelt § 282 I (s § 282 Rn 6 f), ob Angriffs- und Verteidigungsmittel rechtzeitig vorgebracht wurden und betrifft (nur) Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, nicht das in vorbereitenden Schriftsätzen oder das in der Güteverhandlung (Rn 27). Auch Vorbringen (erst) im ersten Termin kann nicht erfasst sein (BGH NJW 12, 3787 [BGH 17.07.2012 - VIII ZR 273/11]; 2.9.13 – VII ZR 242/12 Rz 11; 15.7.14 – VI ZR 145/14 Rz 6): Vorgebracht wird in der mündlichen Verhandlung (§§ 137, 128 I). Schriftsätze kündigen das Vorbringen nur an. Folglich kann Vorbringen nicht früher erfolgen als im ersten Termin und in diesem nie nach §§ 282 I, 296 II verspätet sein (BGH NJW 93, 1926, 1927; NJW-RR 05, 1007 [BGH 04.05.2005 - XII ZR 23/03]; NJW 06, 1741 [BGH 22.02.2006 - IV ZR 56/05]). § 282 I ist nur anwendbar, wenn innerhalb der Instanz mehrere Verhandlungstermine stattgefunden haben und das Vorbringen nicht bereits im ersten Termin (bis zu dessen Ende) erfolgt ist (BGH NJW 92, 1965, 12, 3787 [BGH 01.04.1992 - VIII ZR 86/91], 3788). Ggf greift § 296 II (Wieczorek/Schütze/Weth Rz 162).

 

Rn 43

Jede Partei ist grds gehalten, sobald wie ihr möglich (idR also im ersten Rechtszug; vgl BGH NJW-RR 10, 1500, 1501 [BGH 23.04.2010 - LwZR 20/09]: zur Aufrechnungserklärung) alle Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen, deren Relevanz für den Rechtsstreit ihr bekannt ist oder hätte bekannt sein müssen (Rn 1; BGH NJW 04, 2825, 2827 [BGH 08.06.2004 - VI ZR 199/03]). § 282 II soll dem Gegner eine angemessene Vorbereitung und Erwiderung ermöglichen. Er betrifft daher nur solche Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorherige Erkundigung keine Erklärung abgeben kann (BGH NJW 12, 3787, 3788 [BGH 17.07.2012 - VIII ZR 273/11]: verneinend zum Antrag, einen Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu laden – s.a. Rn 37): Dieser soll sich im Verhandlungstermin zu neuen Behauptungen des Gegners nach § 138 substanziiert und wahrheitsgemäß erklären und sachgemäß verhandeln können. Das gilt zB für die Klageerwiderung, die Replik und die Anspruchsbegründung nach einem Mahnverfahren (§ 697 II 1), wenn keine Frist gesetzt war (sonst: Abs 1). Fälle möglicher Zurückweisung nach §§ 296 II, 282 II sind auch, dass eine Frist, die nicht unter § 296 I fällt, missachtet oder nachgeschoben (s Rn 13) oder zu erhobenen Sachanträgen vorgetragen wird (vgl Saarbr NJW 10, 3662, 3663 f [OLG Saarbrücken 29.06.2010 - 4 U 250/05-135]: Das Gericht vertagte um drei Monate, um dem Bekl ergänzenden Vortrag zu ermöglichen, und der Bekl reichte erst einen Tag vor dem neuen Termin den entspr Schriftsatz ein). Erforderlich nach § 282 II ist nicht, dass neues Vorbringen so rechtzeitig schriftsätzlich angekündigt wird, dass das Gericht noch vorbereitende Maßnahmen nach § 273 treffen kann (BGH NJW 99, 2446 [BGH 25.03.1999 - VII ZR 434/97]). Auch die bloße Nichteinhaltung der Wochenfrist des § 132 I rechtfertigt in Anwaltsprozessen keine schematische Zurückweisung des dann erfolgten Vorbringens nach §§ 296 II, 282 II (BGH 30.3.06 – VII ZR 139/05 Rz 2; BGH NJW 97, 2244 [BGH 20.03.1997 - VII ZR 205/96]), wenn auch idR der Schriftsatz 3 Wochen vor dem Verhandlungstermin eingegangen sein sollte (vgl BGH NJW 82, 1533, 1534 [BGH 16.12.1981 - IVa ZR 282/80]). § 282 II, der schriftsätzliches Vorbringen verlangt, gilt in erster Linie im Anwaltsprozess (§ 78 I), in dem die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze vorzubereiten ist, § 129 I. Ansonsten kommt seine Anwendung nur bei richterlicher Anordnung nach § 129 II in Betracht (§ 282 Rn 8).

 

Rn 44

§ 296 II (iVm § 555 I 1) findet auf Zulässigkeitsrügen keine Anwendung. Zwar handelt es sich auch bei diesen Rügen begrifflich um Verteidigungsmittel, doch enthalten die §§ 282 III und 296 III für sie Sonderregelungen, die nach Wortlaut und systematischer Stellung den allgemeinen Bestimmungen des § 282 I und II und des § 296 I und II vorgehen und diese verdrängen (Rn 49).

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