Gesetzestext

 

(1) 1Das Gericht kann den Parteien, ihren Bevollmächtigten und Beiständen auf Antrag oder von Amts wegen gestatten, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen. 2Die Verhandlung wird zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen.

(2) 1Das Gericht kann auf Antrag gestatten, dass sich ein Zeuge, ein Sachverständiger oder eine Partei während einer Vernehmung an einem anderen Ort aufhält. 2Die Vernehmung wird zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen. 3Ist Parteien, Bevollmächtigten und Beiständen nach Absatz 1 Satz 1 gestattet worden, sich an einem anderen Ort aufzuhalten, so wird die Vernehmung auch an diesen Ort übertragen.

(3) 1Die Übertragung wird nicht aufgezeichnet. 2Entscheidungen nach Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 sind unanfechtbar.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Die durch das ZPO-RG 2002 neu eingefügte und im Jahre 13 geänderte Norm (G v 25.4.13, BGBl I 935) möchte den Einsatz moderner Kommunikationsmittel im Zivilprozess ermöglichen. Die Regelung gilt auch in allen anderen Verfahrensordnungen. Sie durchbricht den herkömmlichen Begriff der mündlichen Verhandlung. Im Rahmen einer Videokonferenz wird nun nicht mehr vorausgesetzt, dass die Parteien und ihre Vertreter persönlich und gleichzeitig im Gerichtssaal anwesend sind. Die Regelung des Abs 2 wird durch die erweiterten Möglichkeiten in § 284 ergänzt. Anders als die Regelung des § 247a StPO ist Normzweck bei einer Videokonferenz im Zivilprozess nicht der Zeugenschutz, sondern der praktische Aspekt der Einsparung von Kosten und Zeit der Beteiligten (Prütting AnwBl 13, 330).

Das eigentliche Problem der Norm besteht darin, dass sie lediglich die rechtliche Möglichkeit einer Videokonferenz einräumt. Sofern es (wie wohl in den allermeisten Fällen) in den Gerichtsgebäuden noch an der notwendigen technischen Infrastruktur fehlt, hat die Norm bisher keine praktische Bedeutung erlangt. Unzweifelhaft gibt die Norm den Parteien keinen Anspruch auf eine solche technische Einrichtung. Das Gericht sollte aber auf die rechtliche Möglichkeit hinweisen. Angesichts der unverzichtbaren Verfahrensgarantie der Mündlichkeit (§ 128 Rn 4) darf allerdings eine virtuelle Kommunikation die physische Präsenz der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung nicht vollständig verdrängen oder gar ersetzen (Greger MDR 20, 957).

 

Rn 1a

Insgesamt zu § 128a vgl Windau NJW 20, 2753; ders AnwBl 21, 26; Greger MDR 20, 957; Mantz/Spoenle MDR 20, 637; Prütting AnwBl 13, 330; Resch/Kübra jM 22, 46; Heck ZIP 22, 1529.

B. Elektronischer Zivilprozess.

 

Rn 2

Der Gesetzgeber hat wichtige normative Voraussetzungen für einen elektronischen Zivilprozess geschaffen. Neben § 128a lassen §§ 130a, 130b, 130c sowie § 130d elektronische Dokumente zu. Gleiches gilt für die elektronische Rechtsmitteleinlegung (§§ 519 IV, 520 V, 525, 549 II, 551 IV). Das Protokoll in elektronischer Form sieht § 160a mit § 130b vor. Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 128a II, 371 I 2, 371a, 416a. Elektronische Aktenführung und Akteneinsicht sind in §§ 298a, 299 III, 299a vorgesehen. Zur Umwandlung elektronisch eingereichter Dokumente ist § 298 IV zu beachten. Auch das Urt kann in elektronischer Form ergehen sowie zugestellt und berichtigt werden (§§ 130b, 317 III, 317 V, 319 II, 320 III 6). Für den Antrag an den Gerichtsvollzieher gilt § 753 III 2. Zum elektronischen Antrag in der Zwangsvollstreckung vgl § 829a. Schließlich ist auf die elektronische Umrüstung von Handelsregister, Grundbuch, Schuldnerverzeichnis, Mahnverfahren sowie Testamentsregister zu verweisen (vgl Schwoerer Die elektronische Justiz, 2005). Am 15.10.15 hat der BTag ein elektronisches Schutzschriftenregister beschlossen (Bacher MDR 15, 1329), in das seit 2017 die Anwälte nach Berufsrecht (§ 49c BRAO) verpflichtend ihre Schutzschriften elektronisch einreichen müssen. In NRW sind seit 1.10.10 die bisherigen Justizkostenmarken (zum Aufkleben) abgeschafft und durch elektronische Kostenmarken ersetzt. Gemäß § 31a BRAO gibt es seit 28.11.16 ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA; s.u. § 130a Rn 7), das allerdings erst seit 3.9.18 funktionsfähig ist. Seit 1.8.22 ist § 31b BRAO hinzugetreten, dazu ferner §§ 1929 RAVPV. Seine Einführung verstößt nicht gegen Art 12 GG (BVerfG AnwBl 18, 103 [BVerfG 20.12.2017 - 1 BvR 2233/17]). An Gerichten in Landshut, Regensburg, Mannheim, Coburg und weiteren Gerichten ist die elektronische Akte als Pilotprojekt eingeführt worden (zur elektronischen Akte Dose/Lieblang DRiZ 20, 632; Köbler/Sorge/Vogelgesang DRiZ 20, 308). Insgesamt ist der Einsatz elektronischer Hilfsmittel und vernetzter Informationstechnologie keine unzulässige Maßnahme der Dienstaufsicht iSv § 26 III DRiG (BGH 6.10.11 – RiZ 7/10). Trotz aller gesetzlichen Maßnahmen wurde das Angebot nur in geringem Umfang genutzt. Deshalb hat der Gesetzgeber im Jahre 2013 ein sehr ambitioniertes Programm zur praktischen Umsetzung des elektronischen Rechtsverkehrs vorgegeben (G zur Förderun...

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