Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz bei Kfz-Unfall: Geltendmachung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten bei fehlender Rechnungsstellung des Anwalts; Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer

 

Normenkette

BGB § 249

 

Verfahrensgang

LG München II (Urteil vom 17.10.2013; Aktenzeichen 1 O 5148/12)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers vom 19.12.2013 wird das Teilanerkenntnis- und Endurteil des LG München II vom 17.10.2013 (Az. 1 O 5148/12) in Nr. 1, soweit im Übrigen die Klage abgewiesen wurde, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger samtverbindlich weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 337,33 EUR nebst Zinsen aus 317,81 EUR i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 30.10.2012 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

2. Hinsichtlich der Kostenentscheidung erster Instanz verbleibt es bei Ziff. 2 des Ersturteils.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 74 %, die Beklagten samtverbindlich 26 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313a I 1 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

B. Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

I. Das LG hat zu Unrecht einen Anspruch des Klägers auf vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 337,33 EUR nebst Zinsen aus 317,81 EUR i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 30.10.2012 verneint.

1. Die Rechtsanwaltskosten können wie bereits angefallene Sachverständigenkosten oder geschätzte Reparaturkosten im Schadensersatzprozess geltend gemacht werden. Der Geschädigte muss sich nicht auf einen Freistellungsanspruch verweisen lassen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass in dem Fall, dass das Gericht nur einen Teil der Ansprüche für gerechtfertigt hält und sich die geltend gemachten vorprozessualen Anwaltskosten sonach als übersetzt erweisen, der Schadensersatzgläubiger mangels entsprechender Rechnungsstellung die Anwaltsgebühren nicht zu entrichten habe und es deshalb an einem ersatzfähigen Schaden fehle. Die Rechnungsstellung nach § 10 I RVG betrifft (nur) die Einforderbarkeit der Vergütung im Verhältnis zum Mandanten des Anwalts (Schneider, RVG, 3. Aufl. 2006, § 10 Rz. 1). Sie bedeutet, wie sich aus § 10 III RVG zwingend ergibt, nicht etwa, dass der Anwalt überhaupt keinen materiell-rechtlichen Anspruch hat - dieser entsteht mit dem ersten Tätigwerden des Anwalts und wird gem. § 8 I 1 RVG mit Erledigung des Auftrags bzw. Beendigung der Angelegenheit fällig (vgl. auch Schneider, a.a.O.; Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl. 2009, § 10 RVG Rz. 1). § 10 I RVG gilt nicht im Bereich des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs (BGH NJW 2011, 2509 [2511 unter Tz. 18]; Schneider, a.a.O., § 10 Rz. 11; a.A. LG Bonn AGS 2006, 19 [insoweit in NJW 2005, 1873 = NZV 2005, 583 nicht abgedruckt]; offengelassen von AG Düsseldorf AGS 2004, 191). Weiter ist zu bedenken, dass bei Zugrundelegung der gegenteiligen Ansicht der Schadensersatzgläubiger einen Befreiungsanspruch gegen den Schädiger hätte (vgl. BGH NJW 1970, 1122 [1123]; BGH NJW 2011, 2509 [2511 unter Tz. 18]; AG Düsseldorf AGS 2004, 191; AG Karlsruhe NZV 2005, 326 = SP 2005, 144 = zfs 2005, 309 = AGS 2005, 253 = JurBüro 2005, 194), worauf ihn das Gericht nach § 139 I 2 ZPO hinweisen müsste, um ihm die Möglichkeit der Klageumstellung nach § 264 Nr. 3 ZPO (vgl. RGZ 139, 315 [322]; BGH NJW 1959, 886 [887]; 1994, 944 = MDR 1994, 1145; OLG Stuttgart MDR 2011, 1258 f.) zu eröffnen.

2. Anspruchsteller bezüglich der vorgerichtlichen Anwaltskosten ist der geschädigte Unfallbeteiligte. Nach § 249 I, II 1 BGB sind daher nur diejenigen adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten in Form vorprozessualer Anwaltskosten zu ersetzen, die aus Sicht des Schadensersatzgläubigers zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGHZ 30, 154 [157 f.] = NJW 1959, 1631; 39, 73 [74] = NJW 1963, 640; 127, 348; BGH NJW 1970, 1122; 1986, 2243 [2245]; 2004, 444 [446]; 2006, 1065 = DAR 2006, 386; KG VRS 106 [2004] 356 [357 f.]; Senat AnwBl. 2006, 768 f. = OLGR 2007, 499 = RVGreport 2006, 467 m. Anm. Hansens = JurBüro 2006, 634 = zfs 2007, 48 m. insoweit zust. Anm. Hansens = VersR 2007, 267 = NZV 2007, 211; Urt. v. 13.11.2009 - 10 U 3258/09; Urt. v. 4.3.2011 - 10 U 4408/10; OLG Hamm NZV 2008, 521; LG Bonn AGS 2006, 19 = NJW 2005, 1873 [1874] = NZV 2005, 583 [585]; Nixdorf VersR 1995, 257 ff.; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl. 2009, § 12 StVG Rz. 50 m.w.N.; Schubert in Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl. 2007, § 249 Rz. 74; Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl. 2013, § 249 Rz. 57 m.w.N.).

Daraus folgt, dass Anwaltskosten aus Forderungen, die nach dem Urteil nicht begründet waren und Anwaltskosten, die dadurch entstehen, dass der Anwalt seine For...

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