Leitsatz (amtlich)

Im Falle der Verurteilung zur Zahlung statt zur Freistellung beträgt der Wert des Beschwerdegegenstandes 10 % der Forderung.

 

Normenkette

ZPO § 511 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Heilbronn (Aktenzeichen 2 O 22/10 Ja)

 

Tenor

1. Das Gesuch des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Das Gesuch der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren wird zurückgewiesen.

 

Gründe

1. Die vom Beklagten beabsichtigte Rechtsverteidigung hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO). Seine Berufung wäre mangels ausreichender Beschwer nicht zulässig (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Der Beklagte begehrt zwar Prozesskostenhilfe für die Durchführung einer Berufung mit dem Ziel der Abweisung der Klage, soweit er zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 1.641,96 EUR verurteilt wurde. Aussicht auf Erfolg hätte die Berufung jedoch nur, soweit der Beklagte zur Zahlung von Umsatzsteuer und im Übrigen zur Zahlung statt zur Freistellung verurteilt wurde, wodurch eine 600 EUR übersteigende Beschwer nicht erreicht wird.

a) Die im zugesprochenen Betrag von 1.641,96 EUR enthaltene Umsatzsteuer von 262,16 EUR hätte der Klägerin nicht zugesprochen werden dürfen. Insoweit konnte ihr kein Schaden entstehen, da sie zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

b) Der Beklagte hätte hinsichtlich der verbleibenden 1.379,80 EUR nur zur Freistellung und nicht zur Zahlung verurteilt werden dürfen. Die Klägerin hat diesen Betrag weder bezahlt noch steht ihr ein Zahlungsanspruch nach § 250 S. 2 BGB zu. Die notwendigen Voraussetzungen einer Fristsetzung i.S.v. § 250 S. 1 BGB sind ebenso wenig dargetan wie diejenigen einer Entbehrlichkeit der Fristsetzung aufgrund ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB).

Aus dem von der Klägerin angeführten § 9 BerHG ergibt sich nichts zu deren Gunsten. Ein Fall der Beratungshilfe liegt nicht vor. Der Klägervertreter wurde nicht auf der Grundlage des Beratungshilfegesetzes tätig. Der erforderliche Antrag (§§ 1, 4 BerHG) wurde nicht ge- und ein Berechtigungsschein nach § 6 Abs. 1 BerHG nicht ausgestellt.

c) Der Beklagte war gem. §§ 280, 286 BGB verpflichtet, die Klägerin von den Vergütungsansprüchen ihres Prozessbevollmächtigten freizustellen. Die Gebühren fielen mit Beginn der vorgerichtlichen Anwaltstätigkeit an (Abs. 3 der Vorbemerkung 2.3 zu Nr. 2300 VV-RVG). Zudem hat der Anwalt bereits zu Beginn seiner Tätigkeit einen Vorschussanspruch (§ 9 RVG), und zwar bis zur vollen Höhe der voraussichtlich anfallenden Gebühren.

d) Der Beklagte hat keinen Anspruch auf Abweisung der Klage. Das LG hätte ihn auch ohne entsprechenden Antrag der Klägerin zur Freistellung verurteilen und nicht die Klage abweisen müssen. In dem auf Zahlung gerichteten Antrag ist als "Minus" der Freistellungsantrag enthalten (OLG Frankfurt, Urt. v. 27.6.1989 - 3 UF 274/88, NJW-RR 1990, 711). Der Übergang von einem Befreiungs- auf einen Zahlungsanspruch ist, wenn beide auf derselben Verpflichtung des Schuldners zum Schadensersatz beruhen, keine Klageänderung (BGH, Urt. v. 25.11.1993 - IX ZR 51/93, NJW 1994, 944).

e) Der nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO maßgebliche Wert des Beschwerdegegenstandes, also der Unterschied zwischen dem Befreiungs- und dem Zahlungsanspruch beträgt 10 % der berechtigten Schadensersatzforderung von 1.379,80 EUR, dem Vergütungsanspruch ohne Umsatzsteuer des Klägervertreters für die außergerichtliche Tätigkeit, und damit 137,98 EUR. Regelmäßig wird der Streitwert eines Befreiungsanspruchs wie der eines Zahlungsanspruchs nach dem Betrag der zugrunde liegenden Forderung bemessen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass bei einer zu Unrecht erfolgten Verurteilung zur Zahlung statt zur Freistellung keine Beschwer gegeben ist. Andererseits ist die hier zu berücksichtigende Beschwer nicht die volle Höhe des Urteilsbetrags. Der Beklagte will zwar die Abweisung der Klage erreichen. Hierfür kann ihm Prozesskostenhilfe jedoch nicht gewährt werden, sondern nur für die Abänderung der Verurteilung zur Zahlung in eine solche zur Freistellung. Der maßgebliche Wert des Beschwerdegegenstandes bestimmt sich nach dem Teil der Beschwer, dessen Beseitigung die Berufung zu Recht erstrebt (Musielak-Ball, ZPO, 8. Aufl., § 511 Rz. 18 mit Rechtsprechungsnachweisen). Er ist mit 10 % des Forderungsbetrags zu bemessen.

Entscheidend ist, dass der Befreiungsanspruch nach § 887 ZPO vollstreckt und dadurch zum Zahlungsanspruch wird (§§ 887 Abs. 2, 788 ZPO). Der Wert des Beschwerdegegenstandes entspricht daher dem Interesse des Beklagten, nicht sofort, sondern erst in der Zwangsvollstreckung einem Zahlungsanspruch ausgesetzt zu sein. Ein Anhaltspunkt zur Bestimmung kann sein, dass die Rechtsprechung einen Feststellungsantrag, der gegenüber einem Leistungsantrag ebenfalls ein in diesem enthaltenes Minus darstellt, mit 80 % des Werts eines entsprechenden Leistungsantrags bemisst, also einen Abschlag von 20 % vornimmt. Vor diesem Hintergrund hält es der Senat...

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