Leitsatz (amtlich)

1. Im Falle einer nicht näher aufklärbaren Kollison zweier Ski-Fahrer, von denen keiner der wesentlich schnellere und keiner der hintere und/oder obere Fahrer ist spricht eine widerlegliche Vermutung dafür, dass jeder der beiden dem jeweils anderen nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt und damit gleichermaßen schuldhaft, gegen die FIS-Regeln 1 (allgemeine Sorgfaltspflicht) und 2 (Sichtfahrgebot bei angepasster Geschwindigkeit) verstoßen hat (50:50).

2. Bei der Beteiligung eines Snowboardfahrers ist zu dessen Lasten (60:40) im Verhältnis zum Ski-Fahrer zu berücksichtigen, dass ein Snowboard im Vergleich zu regulären Skiern schwerer ist, dadurch wegen einer höheren Aufpralldynamik bei Kollisionen höhere Verletzungsrisiken birgt, gleichzeitig aber schwerer zu steuern und bei jedem zweiten Schwung (backside turn) ein toter Winkel zu berücksichtigen ist.

 

Tenor

Urteil

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.071,88 EURuro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 4.737,80 EURuro vom 07.07.2004 bis zum 11.11.2004 und aus 5.071,88 EURuro ab dem 12.11.2004 zu zahlen.

Der Beklagte hat der Klägerin 60 Prozent aller weiteren immateriellen und materiellen Schäden aus dem Unfall auf der Piste 23 im Skigebiet Y, Österreich am 21.03.2004 zu ersetzen, die nach dem 21. Februar 2005 entstehen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 39 Prozent und der Beklagte zu 61 Prozent.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des insoweit vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Parteien sind beide deutsche Staatsangehörige und streiten über die Folgen eines Wintersportunfalls in Form einer Kollision miteinander am 21. März 2004 gegen 12.30 Uhr im Skigebiet von Y, Österreich. Die Kollision ereignete sich im Zusammenlauf der Piste 21/23 mit der Piste 22 unterhalb des Pistenrestaurants T. Die Klägerin befuhr auf Skiern die Piste 22, die mit acht Grad Neigung zum Kreuzungsbereich mit der Piste 21/23 führt und dort ca. 30 m breit ist. Der Beklagte befuhr mit einem Snowboard die Piste 21/23, die mit zwölf Grad Neigung zum Kreuzungsbereich mit der Piste 22 führt und dort ca. 50 m breit ist. Auf beiden Pisten sind jeweils Warntafeln Pistenkreuzung gut sichtbar am Pistenrand angebracht.

Die Klägerin erlitt durch die Kollision einen Drehbruch des linken Schienbeins. Die Klägerin klagte noch an der Unfallstelle über Schmerzen am linken Oberschenkel, am Kopf und am Hals. Sie wurde von der Unfallstelle mit dem Helikopter in das Krankenhaus nach A geflogen und dort operiert. Im Rahmen der OP wurde die Fraktur mit Schrauben und Nägeln stabilisiert. Während der OP kam es bei der Klägerin zu Problemen mit ihrer Atmung, woraufhin sie postoperativ zunächst auf die Intensivstation verbracht wurde. Am 23. März 2004 besuchte der Beklagte zusammen mit der Zeugin W die Klägerin im Krankenhaus in A. Am 25. März 2004 wurde die Klägerin in das Krankenhaus O verlegt und dort am 29. März 2004 entlassen. Zur Zeit befindet sich noch ein 33 cm großer Marknagel sowie 5 Schrauben im Knochen der Klägerin, die erst zu einem noch unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft durch eine weitere OP entfernt werden sollen. Die Klägerin war bis zum 30.06.2004 erwerbsunfähig krank und für einen Zeitraum von ca. neun Wochen nach dem Unfall auf zwei Krücken zum Gehen angewiesen. Bis zum 30.09.2004 war die Klägerin noch zu 20 Prozent erwerbsunfähig.

Der Klägerin ist ein materieller Schaden in Höhe von 396,34 EURuro entstanden, der sich wie folgt zusammensetzt:

Eigenbeteiligungen/Zuzahlungen 294,74 EURuro

Attest Dr. B vom 28.07.2004 69,60 EURuro

Auslagenpauschale 25,00 EURuro

Akteneinsichtsgebühr 7,00 EURuro

Summe: 396,34 EURuro

Die Klägerin macht darüber hinaus für vorprozessuale Tätigkeiten ihres Prozessbevollmächtigten auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 7.799,75 EURuro folgende Gebühren geltend, die erstmals in der Klageschrift vom 02.11.2004, dort S. 8 aufgeschlüsselt werden:

7,5/10 Gebühr, § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO 309,00 EURuro

Auslagenpauschale, § 26 BRAGO 20,00 EURuro

29 Kopien gem. § 27 BRAGO 14,50 EURuro

Zwischensumme netto 343,50 EURuro

16 % Umsatzsteuer, § 25 Abs. 2 BRAGO 54,96 EURuro

Gesamtbetrag 398,46 EURuro

Mit Schreiben vom 14.04.2004 forderte die Klägerin den Beklagten zur Anerkennung seiner Haftung dem Grunde nach und Zahlung eines Betrages von zunächst 4.208,15 EURuro auf. Der Beklagte ließ mit Schreiben seiner Haftpflichtversicherung vom 06.07.2004 die Ansprüche der Klägerin insgesamt als unbegründet zurückweisen.

Die Klägerin behauptet, sie sei von der Piste 22 langsam in die Piste 23 e...

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