Das Wichtigste in Kürze:

1. Bleibt bei einer notwendigen Verteidigung der Verteidiger in der HV aus, kann entweder ein anderer (Pflicht-)Verteidiger bestellt oder noch die Aussetzung oder die Unterbrechung der HV beschlossen werden.
2. Nach § 145 Abs. 1 S. 1 kann dem Angeklagten ein anderer (Pflicht-) Verteidiger bestellt werden, wenn der notwendige Verteidiger in der HV ausbleibt.
3. Die Verhinderung des Pflichtverteidigers, der das Vertrauen des Angeklagten genießt, zwingt grds. nicht zur Aussetzung der HV.
4. Wird die HV nach § 145 Abs. 1 S. 2 oder Abs. 3 ausgesetzt, können dem ausgebliebenen (Pflicht-)Verteidiger gem. § 145 Abs. 4 die Kosten des Verfahrens auferlegt werden.
 

Rdn 577

 

Literaturhinweise:

Zwiehoff, Prozessualer Notstand des Verteidigers?, JR 2006, 505

s.a. die Hinw. bei → Aussetzung der Hauptverhandlung, Allgemeines, Teil A Rdn 567.

 

Rdn 578

1. Bleibt im Fall einer notwendigen Verteidigung der Verteidiger in der HV aus, entfernt er sich zur Unzeit oder weigert er sich, die Verteidigung zu führen (vgl. dazu BGH StV 1993, 566 [der Verteidiger zieht die Robe aus und nimmt im Zuschauerraum Platz]; zum prozessualen "Notwehrrecht" des Verteidigers Zwiehoff JR 2006, 505), kann nach § 145 Abs. 1 S. 1 entweder ein anderer (Pflicht-)Verteidiger bestellt (vgl. Teil A Rdn 576 ff.) oder nach S. 2 die Aussetzung (vgl. Teil A Rdn 584) oder die → Unterbrechung der Hauptverhandlung, Teil U Rdn 3131, beschlossen werden. Darüber hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu befinden (vgl. dazu BGH NStZ 2013, 122 m. Anm. Arnoldi StRR 2013, 63; OLG Düsseldorf StV 1997, 282; zum Ausbleiben des Wahlverteidigers → Verteidiger, Verhinderung des Verteidigers, Teil V Rdn 3776). Die Aussetzung der HV bietet sich insbesondere dann an, wenn der Verteidiger nur kurzfristig ausfällt und dem Angeklagten ein Verteidigerwechsel erspart werden soll (KK-Willnow, § 145 Rn 9).

 

☆ Die Vorschrift gilt nur für den Fall der notwendigen Verteidigung ( Meyer-Goßner/Schmitt , § 145 Rn 2). Bleibt bei nicht notwendiger Verteidigung der Wahlverteidiger aus, gilt § 228 (→  Verteidiger, Ausbleiben des Verteidigers in der Hauptverhandlung , Teil V Rdn  3746 m.w.N.).nur für den Fall der notwendigen Verteidigung (Meyer-Goßner/Schmitt, § 145 Rn 2). Bleibt bei nicht notwendiger Verteidigung der Wahlverteidiger aus, gilt § 228 (→ Verteidiger, Ausbleiben des Verteidigers in der Hauptverhandlung, Teil V Rdn 3746 m.w.N.).

 

Rdn 579

2.a) Nach § 145 Abs. 1 S. 1 kann dem Angeklagten ein anderer (Pflicht-) Verteidiger bestellt werden, wenn der notwendige Verteidiger in der HV ausbleibt.

 

Rdn 580

b) Wird vom Vorsitzenden in der HV ein neuer Verteidiger bestellt, kann dieser nach § 145 Abs. 3 die Aussetzung der HV verlangen, wenn ihm nicht genügend Zeit zur Vorbereitung der HV bleibt (BGH NStZ 1998, 530; 2009, 650; 2013, 122; vgl. a. BGHSt 58, 206 m. Anm. Hillenbrand StRR 2014, 24). Das muss er erklären, und zwar unmittelbar bei Übernahme der Verteidigung. Zu einem späteren Zeitpunkt kann er die Aussetzung mit dieser Begründung nicht mehr erzwingen (BGH NJW 1973, 1985; → Aussetzung wegen fehlender Akteneinsicht, Teil A Rdn 591, mit Antragsmuster, Teil A Rdn 597). Erklärt der Verteidiger, zur Verteidigung bereit zu sein, wird das für das Gericht i.d.R. ausreichen, um mit der HV fortfahren zu können (s.a. BGH NStZ 1998, 530; zum Verteidigerwechsel → Aussetzung wegen veränderter Sach-/Rechtslage, Teil A Rdn 607). Beantragt der neue Pflichtverteidiger die Aussetzung, so muss die HV ausgesetzt oder unterbrochen werden. § 145 Abs. 3 formuliert "ist … zu unterbrechen oder auszusetzen" (vgl. dazu BGH NStZ 2000, 212; zur entsprechenden Formulierung in § 265 Abs. 3 BGHSt 48, 183).

 

☆ Zur Aussetzung von Amts wegen ist das Gericht, wenn ein neuer Verteidiger bestellt wird, nur verpflichtet, wenn sich die dem Prozessverhalten des Angeklagten und des Verteidigers zu entnehmende Einschätzung der Sach- und Rechtslage als evident interessenwidrig darstellt und ohne diese Maßnahmen eine effektive Verteidigung unter keinem Gesichtspunkt mehr gewährleistet ist (BGH NStZ 2013, 122 m. Anm. Arnoldi StRR 2013, 63). Das kann z.B. der Fall sein, wenn der neue Verteidiger keine ausreichende Zeit hat, sich einzuarbeiten (vgl. z.B. BGHSt 58, 206), allerdings wird man in den Fällen i.d.R. einen Aussetzungsantrag vom Verteidiger erwarten dürfen (vgl. a. BGH NStZ 2013, 122).Aussetzung von Amts wegen ist das Gericht, wenn ein neuer Verteidiger bestellt wird, nur verpflichtet, wenn sich die dem Prozessverhalten des Angeklagten und des Verteidigers zu entnehmende Einschätzung der Sach- und Rechtslage als evident interessenwidrig darstellt und ohne diese Maßnahmen eine effektive Verteidigung unter keinem Gesichtspunkt mehr gewährleistet ist (BGH NStZ 2013, 122 m. Anm. Arnoldi StRR 2013, 63). Das kann z.B. der Fall sein, wenn der neue Verteidiger keine ausreichende Zeit hat, sich einzuarbeiten (vgl. z.B. BGHSt 58, 206), allerdings wird man in den Fällen i.d.R. einen Aussetzungsantrag vom Verteidige...

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