Das Wichtigste in Kürze:

1. In den Fällen der veränderten Sach-/Rechtslage kann, ggf. muss der Verteidiger sogar für den Angeklagten einen Aussetzungsantrag stellen.
2. In den Fällen des § 265 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 – Anwendung eines anderen Strafgesetzes und Änderungen im Rechtsfolgenausspruch wegen Hervortretens straferhöhender oder Sicherungsmaßregeln rechtfertigender Umstände – hat der Angeklagte unter den Voraussetzungen des § 265 Abs. 3 einen Rechtsanspruch auf Aussetzung.
3. In den Fällen des § 265 Abs. 2 Nr. 2 und 3 und der veränderten Sach- oder Verfahrenslage besteht nach § 265 Abs. 4 kein Anspruch auf Aussetzung. Das Gericht kann aber von Amts wegen oder auf Antrag das Verfahren aussetzen, wenn dies zur genügenden Vorbereitung der Verteidigung angemessen erscheint.
 

Rdn 608

1. In den Fällen der veränderten Sach-/Rechtslage (→ Hinweis auf veränderte Sach-/Rechtslage, Teil H Rdn 2099) kann, ggf. muss der Verteidiger sogar für den Angeklagten einen Aussetzungsantrag stellen. Dabei ist Folgendes zu beachten:

 

Rdn 609

2.a) In den Fällen des § 265 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 – Anwendung eines anderen Strafgesetzes und Änderungen im Rechtsfolgenausspruch wegen Hervortretens straferhöhender oder Sicherungsmaßregeln rechtfertigender Umstände – hat der Angeklagte unter den Voraussetzungen des § 265 Abs. 3 einen Rechtsanspruch auf Aussetzung, nach § 384 Abs. 3 jedoch nicht im Privatklageverfahren. Durch einen durch das "Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens" v. 17.8.2017 in § 265 Abs. 3 aufgenommenen Hinweis auf § 265 Abs. 2 Nr. 1 ist ausdrücklich klargestellt worden, dass die in § 265 Abs. 3 geregelte Pflicht zur Aussetzung des Verfahrens auf Antrag des Angeklagten auf die Fälle der bloßen Änderung der Sachlage nach § 265 Abs. 2 Nr. 3 keine Anwendung findet. Auch der Hinweis auf eine Abweichung des Gerichts von einer in der HV mitgeteilten vorläufigen Bewertung nach § 265 Abs. 2 Nr. 2 ist nicht erfasst (zu allem → Hinweis auf veränderte Sach-/Rechtslage, Teil H Rdn 2099 ff.). Für diese Fälle gilt vielmehr weiterhin (nur) die sich aus § 265 Abs. 4 ergebende Verpflichtung (dazu Teil A Rdn 612 f.).

 

☆ In den Fällen des § 265 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 muss die HV ausgesetzt werden. Das Gericht hat kein Ermessen (BGHSt 48, 183).§ 265 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 muss die HV ausgesetzt werden. Das Gericht hat kein Ermessen (BGHSt 48, 183).

 

Rdn 610

b) Erforderlich ist, dass es sich um in der HV neu hervorgetretene Umstände handelt, die also erst in der HV zum Vorschein gekommen sind, und die die Anwendung eines anderen oder schärferen Strafgesetzes zulassen (vgl. OLG Jena StV 2007, 230). Zieht das Gericht dagegen aus einem gleichgebliebenen Sachverhalt nur andere Schlüsse und gelangt dadurch zu anderen Feststellungen, kommt lediglich eine Aussetzung nach § 265 Abs. 4 wegen veränderter Sachlage in Betracht (BGH wistra 2006, 191; dazu Teil A Rdn 609). Ein Rechtsanspruch besteht auch nicht, wenn es sich nur um ein neues Beweismittel handelt (RGSt 52, 249 ff.; LR-Becker, § 265 Rn 101) oder bei bloßem Wegfall einer fakultativen Milderungsform (BGH NStZ 2013, 358; → Hinweis auf veränderte Sach-/Rechtslage, Teil H Rdn 2099 ff.).

 

☆ In seinem Aussetzungsantrag muss der Angeklagte die neu hervorgetretenen Umstände mit der Behauptung bestreiten , auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein (dazu das Antragsmuster, Teil A Rdn  613 ; s.a. BGHSt 48, 183, 185; BGH NStZ 2016, 61 m. Anm. Burhoff StRR 1/2016, 10; Beschl. v. 12.2.2020 – 4 StR 336/19, NStZ 2020, 370; OLG Jena StV 2007, 230 erfordert; a. Ventzke in der Anm. zu BGH, a.a.O.). Ob das zutrifft, darf das Gericht nach allg. Meinung nicht überprüfen ( Meyer-Goßner/Schmitt , § 265 Rn 36). Es kann aber abweichend vom Angeklagten der Auffassung sein, die neu hervorgetretenen Umstände rechtfertigten die Anwendung des anderen Strafgesetzes – nun doch – nicht. Dann wird der Angeklagte zwar keine Aussetzung der HV erreichen, auf dem Weg über den Aussetzungsantrag aber vorab zur rechtlichen Beurteilung durch das Gericht einiges erfahren. Deshalb ist dem Verteidiger auf jeden Fall zu raten, den Aussetzungsantrag zu stellen.Aussetzungsantrag muss der Angeklagte die neu hervorgetretenen Umstände mit der Behauptung bestreiten, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein (dazu das Antragsmuster, Teil A Rdn 613; s.a. BGHSt 48, 183, 185; BGH NStZ 2016, 61 m. Anm. Burhoff StRR 1/2016, 10; Beschl. v. 12.2.2020 – 4 StR 336/19, NStZ 2020, 370; OLG Jena StV 2007, 230 erfordert; a. Ventzke in der Anm. zu BGH, a.a.O.). Ob das zutrifft, darf das Gericht nach allg. Meinung nicht überprüfen (Meyer-Goßner/Schmitt, § 265 Rn 36). Es kann aber abweichend vom Angeklagten der Auffassung sein, die neu hervorgetretenen Umstände rechtfertigten die Anwendung des anderen Strafgesetzes – nun doch – nicht. Dann wird der Angeklagte zwar keine Aussetzung der HV erreichen, auf dem Weg über den Aussetzungsantrag aber vorab zur rechtlichen Beurteilung durch da...

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