Das Wichtigste in Kürze:

1. Aussetzung der HV ist jedes Abbrechen der Verhandlung, das über den Zeitpunkt hinausgeht, bis zu dem eine Unterbrechung der HV nach § 229 Abs. 1, 2 noch zulässig ist.
2. Aussetzungsanträge können vor oder auch erst in der HV gestellt werden.
3. Über die Aussetzung entscheidet nach § 228 Abs. 1 S. 1 das Gericht.
4. Nach § 257a kann das Gericht eine schriftliche Antragstellung aufgeben.
5. Der die Aussetzung ablehnende Beschluss ist nach § 305 S. 1 unanfechtbar. Der die Aussetzung anordnende Beschluss kann aber ggf. mit der Beschwerde nach § 304 angefochten werden.
 

Rdn 568

 

Literaturhinweis:

Marczak, Strafverteidigung und Fair Trial – gerichtliche Fürsorgepflicht und Missbrauchsverbot im Strafprozess, StraFo 2004, 373.

 

Rdn 569

1.a) Aussetzung der HV ist jedes Abbrechen der Verhandlung, das über den Zeitpunkt hinausgeht, bis zu dem eine → Unterbrechung der Hauptverhandlung, Teil U Rdn 3131, nach § 229 Abs. 1, 2 noch zulässig ist. Die Aussetzung der HV kann gesetzlich vorgeschrieben sein, wie z.B. in den Fällen des § 217 oder des § 145 Abs. 3 (BGH NStZ 2013, 122). Sie kann sich aber auch aus der Fürsorgepflicht des Gerichts ergeben, so z.B., wenn eine Aussetzung der (angemessenen) Vorbereitung der Verteidigung des Angeklagten dient (BGH NStZ 2009, 650; OLG München NStZ 2005, 706).

 

Rdn 570

b) Die Aussetzung ist jedenfalls dann zulässig, wenn nicht die Beschleunigungs- und Konzentrationsmaxime entgegenstehen. Zulässig ist sie insbesondere, wenn sie zur Förderung des Verfahrens (bessere Sachaufklärung) oder zur Wahrung von Verfahrensrechten der Beteiligten geboten erscheint (OLG Celle, Beschl. v. 15.4.2021 – 3 Ws 91/21, StraFo 2021, 242 m.w.N. [Beiordnung eines neuen Verteidigers, weil der frühere das Tragen einer medizinischen Schutzmaske verweigert hat], OLG Hamm StV 2002, 404 [zur Zulässigkeit einer längeren Aussetzung im JGG-Verfahren, um die Grundlagen für die Rechtsfolgenentscheidung weiter zu ermitteln]; OLG Stuttgart StraFo 2011, 97; zur Aussetzung im Steuerstrafverfahren LG Bremen StV 2011, 616). Ein tragfähiger Grund für die Aussetzung eines Verfahrens ist aber nicht gegeben, wenn das Verfahren ausgesetzt wird, um weitere Ermittlungen anstellen zu können, tatsächlich aber über einen Zeitraum von 5 Monaten seit Aussetzung des Verfahrens weder weitere Ermittlungen durchgeführt noch Zeugen vernommen werden (LG Landau/Pfalz, Beschl. v. 9.11.2018 – 5 Qs 88/18, StraFo 2019, 114). Bevor das Gericht sich zur Aussetzung entschließt, muss es allerdings prüfen, ob nicht auch eine Unterbrechung des Verfahrens ausreichend ist (OLG Düsseldorf StV 1997, 282).

 

☆ Nach Auffassung des BGH (vgl. BGHSt 52, 24) soll das Gericht, wenn in einer HV noch keine Erkenntnisse/ Erträge erzielt worden sind, die bei einer Unterbrechung fortwirkten, bei einer Aussetzung aber erneut gewonnen werden müssten, grds. frei entscheiden können, ob es die HV unterbricht oder sie aussetzt. Das ist m.E. fraglich, da dadurch auch das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 GG) tangiert ist. Der BGH (a.a.O.) sieht das allerdings nur bei Willkür verletzt. Zudem stellt sich die Frage, was unter Erträgen zu verstehen sein soll. Der Verteidiger sollte der Entscheidung des Gerichts über Aussetzung/Unterbrechung im Hinblick auf die Revision auf jeden Fall widersprechen ."Erträge" erzielt worden sind, die bei einer Unterbrechung fortwirkten, bei einer Aussetzung aber erneut gewonnen werden müssten, grds. frei entscheiden können, ob es die HV unterbricht oder sie aussetzt. Das ist m.E. fraglich, da dadurch auch das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 GG) tangiert ist. Der BGH (a.a.O.) sieht das allerdings nur bei Willkür verletzt. Zudem stellt sich die Frage, was unter "Erträgen" zu verstehen sein soll. Der Verteidiger sollte der Entscheidung des Gerichts über Aussetzung/Unterbrechung im Hinblick auf die Revision auf jeden Fall widersprechen.

 

Rdn 571

2.a) Aussetzungsanträge können vor oder auch erst in der HV gestellt werden, sie sollten so früh wie möglich gestellt werden (Malek, Rn 162 ff.). Ist ein Antrag schon vorher eingegangen, so muss das Gericht in der HV zumindest klären, ob dieser aufrechterhalten wird (KK-Gmel, § 228 Rn 7 m.w.N.). Der Nebenkläger kann die Aussetzung der HV nicht verlangen (Meyer-Goßner/Schmitt, § 397 Rn 6 a.E.; OLG Karlsruhe, Beschl. 1.2.2016 – 2 Ws 572/15).

 

Rdn 572

b) Ggf. ist das Gericht aber auch von Amts wegen zur Aussetzung verpflichtet (zur Verpflichtung des erkennenden Gerichts, die HV auszusetzen, nachdem eine Fehlbesetzung erkannt wurde, OLG Hamm, Beschl. v. 27.1.2014 – 1 Ws 50/14). Allerdings liegt die Aussetzung im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (BGH NStZ 2013, 122 m. Anm. Arnoldi StRR 2013. 63). Die Fragen können insbesondere bei einem Verteidigerwechsel oder bei Neubestellung eines Verteidigers während laufender HV eine Rolle spielen. Der BGH (a.a.O.) geht davon aus, dass dann, wenn in den Fällen der neu bestellte Verteidiger nicht die Ausse...

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