Rz. 414

Beim "Zeitmoment" ist i.d.R. von einem Jahr auszugehen. Aus § 1585b Abs. 3 BGB und § 1615i Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. folgt, dass das Gesetz bei Unterhaltsrückständen für eine mehr als einem Jahr zurückliegende Zeit dem Schuldnerschutz besondere Beachtung beimisst.[476] Gerade bei Unterhaltsansprüchen sind an das sog. Zeitmoment der Verwirkung keine strengen Anforderungen zu stellen.[477] Nach § 1613 Abs. 1 BGB kann Unterhalt für die Vergangenheit ohnehin nur ausnahmsweise gefordert werden. Daher verdient wegen der Regelungen in den §§ 1585b Abs. 3, 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB der Gesichtspunkt des Schuldnerschutzes bei Unterhaltsrückständen für eine mehr als ein Jahr zurückliegende Zeit besondere Beachtung. Diesem Rechtsgedanken kann im Rahmen der Bemessung des Zeitmoments in der Weise Rechnung getragen werden, dass das Verstreichenlassen einer Frist bereits von mehr als einem Jahr ausreichen kann.

OLG Brandenburg v. 29.4.2019 – 13 WF 91/19[478]

Zitat

Das für die Verwirkung eines Unterhaltsanspruchs vorauszusetzende Zeitmoment erfordert eine Passivität des Unterhaltsgläubigers für mehr als ein Jahr. Hierbei stehen nicht nur eine Aufforderung zur Auskunftserteilung, eine Bezifferung des Unterhaltsanspruchs oder eine Zahlungsaufforderung einer Passivität entgegen, sondern auch Vorgänge, die zwar nicht unmittelbar der Durchsetzung des Anspruchs, aber ihrer Vorbereitung dienen, wie etwa das Einräumen von Stellungnahmefristen, die eine weitere Sachverhaltsaufklärung ermöglichen sollen (vgl. BGH v. 15.9.2010 – XII ZR 148/09, FamRZ 2010, 1888 Rn 28).

 

Rz. 415

 

Praxistipp:

Zwar trägt der Verpflichtete die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Verwirkung und damit auch für das Zeitmoment.[479]
Allerdings muss der Berechtigte darlegen, wann und wie er den Anspruch geltend gemacht hat.[480]
 

Rz. 416

Einen gesetzlich geregelten Sonderfall der Verwirkung regelt § 1585b Abs. 3 BGB. Der Anwendungsbereich der Regelung in § 1585b Abs. 3 BGB, nach der Unterhalt für einen mehr als einem Jahr vor Rechtshängigkeit liegenden Zeitraum nur bei absichtlichem Entziehen von der Leistungspflicht verlangt werden kann, ist nicht auf den Zeitpunkt der Einreichung eines Verfahrenskostenhilfegesuchs zu erstrecken.[481]

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge